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„Hart aber fair“Lauterbach: Nicht nur Corona-Regeln Schuld an psychischen Problemen

Lesezeit 5 Minuten
Hart aber fair Lauterbach 100122

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach spricht bei „Hart aber fair“ über das Coronavirus.

Köln – In anderen Ländern hat sie die Corona-Statistiken bereits in die Höhe geschickt, nun wird auch in Deutschland erwartet, dass sich die Omikron-Variante des Coronavirus breit macht. Es wäre nicht die erste Corona-Welle, die über das Land schwappt.

Deshalb stellte Moderator Frank Plasberg am Montagabend in seiner Sendung „Hart aber fair“ unter der Stichzeile „Es geht wieder los“ die Frage: Wie hart werden die Wochen mit Omikron? Antworten diskutierte er mit folgenden Gästen:

  1. Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD), Bundesgesundheitsminister
  2. Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
  3. Claudia Kade, Journalistin, Ressortleiterin Politik bei der „Welt“
  4. Anke Richter-Scheer, Vorsitzende des Hausärzteverbands Westfalen-Lippe
  5. Antonie Rietzschel, freie Journalistin, berichtet für die „Süddeutsche Zeitung“ aus Leipzig

Zum Geburtstag gratuliert Frank Plasberg dem Coronavirus zu Beginn der Sendung. Knapp zwei Jahre ist es jetzt alt, eine Abschiedssendung hätte er gerne gemacht. Damit aber wird es nichts, Omikron klopft bereits an die Tür.

Alles zum Thema Hart aber fair

Richter-Scheer kritisiert Impfstoff-Verteilung

Wo die Omikron-Ausbreitung Thema ist, da gibt es Äußerungen zum Thema Impfungen. Auch „Hart aber fair“ beginnt damit, jeder darf seine Spritze in die Runde setzen. Gesundheitsminister Lauterbach lobt eine aktuelle Booster-Kampagne, „wie es im Moment kein anderes Land schafft.“ Journalistin Claudia Kade sieht eine Impfinfrastruktur und weitere Booster-Kampagnen auf Deutschland zukommen.

Hart aber fair 100122 Talkrunde

Die Talk-Runde bei „Hart aber fair“ am Montag, 10. Januar 2022

Hausärztin Richter-Scheer betont, dass aktuell wieder weniger geboostert werde – und, dass sie zu wenig Impfstoff bekommt. Die Impfzentren würden von den Ländern hervorragend versorgt, die Hausarztpraxen vom Bund lange nicht so gut. Ein Anhaltspunkt für eine Diskussion. Allerdings stimmt Lauterbach ihr zu, gesteht eine unglückliche Verteilung ein, die er selbst sich auch „anders vorstellen würde.“ Thema auf der Agenda, Thema in der Sendung abgehakt.

Die Oppositionsrolle muss sich noch finden

Nicht abhaken kann Plasberg, dass seine Sendung regelmäßig zu einer „Lehrstunde in Sachen Föderalismus“, wie er auch selbst sagt, mutiert. Es gibt neue Regeln, Quarantäne-Zeiten sollen angepasst werden, Geboosterte mit Getesteten gleichgestellt werden. „Ab wann gilt das denn?“, will Plasberg wissen. Union-Mann Thorsten Frei schwankt etwas durch die Antwort, das gelte ab sofort, müsse jetzt umgesetzt werden, das sei auch von Land zu Land unterschiedlich. Lauterbach ergänzt, so sei das eben bei neuen Gesetzen oder Verordnungen: Nach einem Beschluss müsse dieser erst rechtskräftig umgesetzt werden. Dabei würden auch Details ergänzt, die in einem Beschluss noch keine Rolle spielen würde. Das hatte Claudia Kade zuvor kritisiert, Stichwort Quarantäne-Regeln für Kinder.

Thorsten Frei hat sich derweil in der Rolle seiner Partei in der Opposition noch nicht so ganz zurechtgefunden. Viel sagt er nicht, oft sind seine Wortbeiträge lediglich bereits Gesagtes in einer neuen Verpackung. Lauterbach sieht er nicht als politischen Gegner, was in einer zermürbenden Pandemie auch mal ganz guttut, einer Diskussionsrunde allerdings dann doch nicht wirklich zuträglich ist.

Keine Lösung für ungenaue Zahlen während der Feiertage

Die Herausforderer-Rolle in der Runde übernimmt teilweise Claudia Kade. Als die über die Feiertage fehlenden Zahlen zur Sprache kommen, wirft sie zurecht ein, die Situation kenne man doch schon aus dem vergangenen Jahr – geändert hat sich nichts. Lauterbach versucht, die Situation zu erklären, Menschen seien im Urlaub, Praxen seien über die Feiertage geschlossen. Die Situation sei aber nicht kritisch, da man die Zahlen hochrechnen könnte. Der Einwurf, auf Hochrechnungen doch keine Maßnahmen treffen zu können, wird aber nicht weitergespielt. Ein Lösungsvorschlag für dieses Weihnachtsproblem wird nicht diskutiert, thematisiert wird es dann wohl erst in einem knappen Jahr wieder.

Hart aber fair Symbolbild

Frank Plasberg im Studio von „Hart aber fair“

Thematisiert wird auch der etwas andere Umgang Großbritanniens mit der Pandemie. Während Medizinstudierende in Kliniken aushelfen müssen, feierten zum Beispiel erst kürzlich Tausende Darts-Fans bei der WM in einer engen Halle. Dieses „durchlaufen lassen“ fordert mehr oder weniger auch ein Zuschauer gegen Ende der Sendung, schon zu Beginn hatte Lauterbach dem aber eine klare Absage erteilt und eine solche Strategie als „unethische Wette“ bezeichnet. Mit einer Sterblichkeit wie in England wären in Deutschland doppelt so viele Menschen gestorben, sagt der Gesundheitsminister. Auch aufgrund der viel geringeren Impfquote der über 65-Jährigen hierzulande wäre dies keine tragbare Strategie. Man sei bislang „gut gefahren“.

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Diesem „gut gefahren“ stellt sich Kade in den Weg. Viele Menschen kämpften mit psychischen Folgen, auch viele Kinder. Lauterbach hält dem entgegen, dass auch Länder wie die USA mit solchen Problemen zu kämpfen hätten, trotz lascherer Regeln als hierzulande. „Ich glaube, dass die psychischen Probleme auch an der Pandemie liegen und nicht nur an den Regeln“, sagt er. Genau Gründe gäben Studien aber nicht her.

„Anerkennen, dass Menschen rechtsradikale Positionen teilen“

Gräben hinterlassen nicht nur psychische Folgen der Pandemie, sondern auch die politische Entzweiung inklusive der Entfremdung der Demokratie bei einigen Menschen. Proteste gegen Corona sollten nicht über einen Kamm geschert werden, betont Plasberg. Auffällig ist aber, dass die Proteste überall in der Republik, aber doch verstärkt in ostdeutschen Ländern immer radikaler werden.

Laut Antonie Rietzschel, freie Journalistin aus Leipzig, spielen dabei auch Erfahrungen aus der DDR eine Rolle. Nach dem Motto „Wir kennen die Zeit, in der man uns alles vorschreiben wollte.“ Die Debatte sei stark emotionalisiert und aufgeladen, mit rationalen Argumenten komme man nicht weit. Was sie erschreckt: „Beispielsweise Restaurantbesitzer, die früher nie auffällig geworden sind, tauchen plötzlich in Videos von Rechtsextremen auf. Und haben damit keine Probleme. Die haben kein Problem mit diesem Gedankengut.“ Man müsse anerkennen, „dass wir Menschen in dieser Gesellschaft haben, die diese Positionen teilen.“ Nicht nur die Omikron-Welle hält Deutschland in der Corona-Pandemie auf Trab.