Lionel Bringuier war in der Philharmonie kurzfristig für den erkrankten Andrew Davis eingesprungen und dirigierte das WDR-Sinfonieorchester.
WDR-Sinfonieorchester in der PhilharmonieTechnische Leichtigkeit und perlende Eleganz

Das WDR-Sinfonieorchester
Copyright: WDR/Thomas Kost
Die beiden Sinfonien von Edward Elgar erfreuen sich im kontinentalen Europa keiner großen Beliebtheit. Das royale Pathos der „Pomp and Circumstance“-Märsche, die herbstliche Schönheit des Cellokonzerts, den hintergründigen Humor der „Enigma“-Variationen sucht man hier vergebens: Es ist Musik von monumentaler Umständlichkeit, komplex in den Themen, weitschweifig in ihrer Verarbeitung.
Daran konnte auch Lionel Bringuier nichts ändern, der beim WDR-Abokonzert in der Philharmonie die 1908 entstandene „Erste“ zur Debatte stellte. Aber der französische Dirigent schaffte es doch, sehr viel vom populären Elgar in den unpopulären zu transferieren, wobei das in jeder Hinsicht exzellente und einsatzfreudige Spiel des WDR Sinfonieorchesters großen Anteil hatte.
Die kaum überschaubare Großform des fast einstündigen Werkes trat dabei in den Hintergrund. Der Maestro geleitete seine Musiker wie das ausgesprochen applausfreudige Publikum durch eine Folge erfüllter Momente und klanglich luxurierender Passagen.
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Lionel Bringuier war kurzfristig für den erkrankten Andrew Davis eingesprungen
Die vier Sätze durchzog ein beständig an- und abschwellender emotionaler Strom, den der Franzose mit sicherem Gespür für Spannung und Timing lenkte. Besondere Wirkung entfaltete dabei das hochdramatische Marsch-Scherzo, das die WDR-Streicher mit brennendem Bogen in frappierende Mahler-Nähe rückten.
Lionel Bringuier war kurzfristig für den erkrankten Andrew Davis eingesprungen; im Gegenzug schwenkte der Solist Francesco Piemontesi von Mozarts d-Moll-Konzert auf das Klavierkonzert von Robert Schumann um. Der Schweizer Pianist hatte erst im vergangenen Jahr beim Gürzenich-Orchester gastiert; auch diesmal freute man sich wieder an der technischen Leichtigkeit und perlenden Eleganz seines Spiels, an der stets singenden, fein herausmodellierten Oberstimme.
Offenbar gehorchte diese Interpretation einem sehr bewusst angelegten Gesamtkonzept, das sich an der Idee eines metrisch befreiten romantischen Fantasierens orientierte. Große Zäsuren, breit ausgeführte Übergänge und Verzögerungsstrategien erzeugten ein beständiges Stop-and-Go, dessen demonstrative Absicht sich aber allzu deutlich vermittelte.
Dazu dimmte der Dirigent das Orchester immer wieder auf einen Säuselklang herunter, der unvermeidlich an die Substanz ging. Für den Beifall bedankte sich der Solist (wie schon im letzten Jahr bei Gürzenichs) mit Schuberts Ges-Dur-Impromptu op. 90/3, das er in den Dämmerschein flaumweicher Candlelight-Romantik tauchte.