Am Wochenende trafen sich im Kölner Gürzenich tausende junge Frauen, um die Literatur zu feiern, die sie lieben.
Kölner Lyx-FestivalWie junge Frauen den Buchmarkt revolutionieren
Die Toilette ist „für alle Geschlechter“ steht auf einem rosafarbenen Schild, das mit Blümchen verziert ist. Dieser Hinweis ist eigentlich überflüssig, denn es sind ohnehin fast nur Frauen an diesem Wochenende ins Kölner Gürzenich gekommen. Sehr junge Frauen, die hier ihre Lieblingsschriftstellerinnen treffen wollen. Sich in langen Schlangen zum Signieren von Büchern anstellen. Oder – in anderen Schlangen – auf den Einlass zu Workshops und Gesprächen warten: „Wie werde ich Verlagsillustratorin?“ oder „Von der Buchbloggerin zur Social-Media-Managerin“.
Dem Kölner Verlag Lyx, der zu Bastei Lübbe gehört, ist gelungen, wovon viele auf dem Buchmarkt nur träumen: Eine sehr junge Zielgruppe zu begeistern. Und zwar nicht nur von den Büchern – die Marke selbst hat inzwischen so viel Strahlkraft, dass tausende junge Frauen nach Köln zum „Lyx Festival“ gekommen sind. Sie lassen sich vor riesigen Lyx-Buchstaben fotografieren oder kaufen hier Armbänder mit Lyx-Anhänger. Und schleppen natürlich kiloweise Bücher zur Kasse. Kein Wunder also, dass Bastei Lübbe immer neue Umsatzerfolge feiert.
Soziale Medien haben den Buchmarkt verändert
Die Bücher, die hier überall zwischen Blumen-Deko präsentiert werden, sind oft rosa oder lila und tragen englische Titel wie „Heartless“, „Proof of love“ oder „Deeper than love“. Als „romantisch, cool und supersexy“ bewirbt sich die Marke. Doch Liebesromane sind ja keine neue Erfindung. Wie also ist der Boom dieser Bücher zu erklären, die unter dem Label „New Adult“ verkauft werden und immer wieder die Bestsellerlisten anführen?
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„Lyx hat sich als Verlagsmarke schon sehr früh auf die Zielgruppe der New Adults spezialisiert und das Vertrauen in der Community gewinnen können. Wir wissen, welche Themen sie interessieren und welche Lebenswelten für sie wichtig sind“, erklärt Simon Decot, der im Vorstand von Bastei Lübbe zuständig für das Programm ist. Ohne Soziale Medien wäre eine so enge Vernetzung von Verlag und Leserinnen gar nicht möglich. Simon Decot sagt: „Wir machen zuverlässig die Bücher, die die Zielgruppe möchte, wir sind mit ihr im Austausch und sie kann sich darauf verlassen, dass wir hinhören auf das, was sie bewegt.“
Die Sozialen Medien ermöglichen eine ganz neue Kommunikation zwischen Buchverlagen und ihrer Zielgruppe. Und so weiß Lyx auch sehr genau, was die Leserinnen wollen – und das ist eben nicht immer das, was man nach Ansicht von Deutschlehrern oder Literaturkritikerinnen lesen sollte. Die mögen die Nase rümpfen – es liegt darin auch eine Selbstermächtigung junger Frauen darin, den Buchmarkt so zu beeinflussen, wie sie es wollen.
Tatsächlich sind Plattformen wie Instagram oder TikTok nicht daran schuld, dass insgesamt weniger gelesen wird. Höchstens daran, dass etwas anderes gelesen wird: Literatur wird hier als Lifestyle gefeiert und heftig beworben. Und um Verlage wie Lyx hat sich längst eine treue Community von Leserinnen versammelt, die bereit ist, für Bücher viel Geld auszugeben. Ohne die Sozialen Medien wäre dieses Phänomen also gar nicht denkbar.
„Wir sind sehr nah an der Community und kommunizieren in stetem Austausch mit unseren Social-Media-Aktivitäten und bei Live-Events mit den Leser:innen. Das macht unseren Erfolg aus – diese Kombination aus starken Inhalten, ansprechender Haptik, schöner Ausstattung, wie zum Beispiel aufwändigen Farbschnitten und kreativer Cover-Optik, die wir immer weiterentwickeln“, sagt Sandra Dittert (Vorständin Marketing) auf dem Festival. Und in einem Podiums-Gespräch über BookTok betont Lyx-Lektorin Sonja Petraitis: „Bei unserem Genre und unserer Zielgruppe müssen wir natürlich auf TikTok sein: Weil ihr da seid – und wir wollen da sein, wo ihr seid!“
Und nun ist es also sogar auch andersherum: Die Leserinnen wollen da sein, wo Lyx ist. Die Schwestern Anne (24) und Franziska (25) Hollauf sind extra aus Österreich nach Köln zum Festival gekommen, 23 Euro haben sie für das Ticket bezahlt. Anne freut sich über die Gemeinschaft von Gleichgesinnten, die sie hier erleben und über das „ganze Flair, die schöne Deko“. Vor allem aber über den Kontakt zu den Autorinnen: „Die sind so lieb und bodenständig, umarmen einen sogar!“
Hier liest eine neue Generation
Frauen wie Anne Hollauf beweisen, dass die Lyx-Leserinnen nicht nur männliche Helden anschmachten. „In vielen Büchern geht es darum, eine selbstbewusste Frau zu werden, an sich selber zu wachsen, das mag ich daran“. Die Inflation von Rosa und Blümchen muss also nicht zwangsläufig das Ende des Feminismus einläuten. Hier liest eine neue Generation mit neuen Wünschen, Einstellungen und Bedürfnissen. Und ganz alten: der Sehnsucht nach Liebe.
In der Halle, in der die Leserinnen zum Signieren anstehen, hat es Angel Dzackah endlich ganz nach vorne geschafft. Sichtlich bewegt spricht sie mit der US-amerikanischen Autorin Brittainy C. Cherry, die schließlich aufsteht und sie umarmt. Ein mitfühlendes „Ooooh“ ist aus den anderen Schlangen zu hören. Die 25-Jährige, die aus Würzburg gekommen ist, um ihre Lieblingsautorin zu erleben, kann es noch gar nicht fassen: „Es ist einfach ein Traum, der gerade in Erfüllung gegangen ist. Das war ein tolles Gespräch. Man ist irgendwie verbunden, obwohl man sich nicht kennt.“ Ihre Bücher hat Angel Dzackah mit unzähligen bunten Post-its bestückt. Für sie als schwarze jungen Frau sei es etwas Besonderes, Bücher einer anderen schwarzen jungen Frau wie Brittainy C. Cherry zu lesen – gerade im deutschsprachigen Raum.
In den einsamen Zeiten der Corona-Pandemie ist Literatur bei Tiktok unter dem Schlagwort BookTok groß geworden. In der digitalen Welt haben sich große Gemeinschaften gebildet, die jetzt danach drängen, sich auch im analogen Raum zu begegnen – dafür steht dieses Festival.
In einer Ecke des Gürzenich ist eine Art Kulisse rund um die Welt des Bestsellers „Save me“ aufgebaut – das Buch ist Vorlage für die Erfolgsserie „Maxton Hall“. Auf einem Tisch liegt ein Gästebuch, in das die Besucherinnen des Festivals Sätze wie diesen schreiben können: „Danke, dass ihr die Bücherwelten zum Leben erweckt habt.“