Das Museum Morsbroich in Leverkusen zeigt meditative „Momentaufnahmen“ von Jef Verheyen und Johanna von Monkiewitsch.
Ausstellung im Museum MorsbroichDer Himmel gehört wieder uns allen
Yves Klein war nicht nur der Hexenmeister der einfarbigen Malerei und der Mann, der die Flucht der Kunst in die Abstraktion mit einer Ausstellung leerer Wände an ihr natürliches Ende führte. Als 19-Jähriger erklärte er den Himmel zu seinem Eigentum, signierte ihn mit Strichen in die Luft und wachte eifersüchtig über seinen neu erworbenen Besitz. Am liebsten, gestand er, hätte er die Vögel vom Himmel geschossen, weil sie sein Meisterwerk, das wolkenlose Blau über dem Mittelmeer, zerstörten.
Vermutlich hätte der belgische Maler Jef Verheyen mit seinem Leben gespielt, als er 1965 einen leeren Stahlrahmen gegen den grauen Antwerpener Himmel hielt und dessen Unendlichkeit wieder zum Allgemeingut erklärte. Aber Yves Klein war bereits gestorben und sein Erbe wartete darauf, unter den monochromen Malern verteilt zu werden. Wie Klein ging es Verheyen darum, die sichtbare Welt auf das für ihn Wesentliche, eine Energie, die in den Farben pulsiert, zu reduzieren. Allerdings suchte er diese nicht in einem patentierten Blau aus dem Chemiekasten, sondern in sämtlichen Farben der Natur.
In seiner belgischen Heimat erinnerten dieses Jahr zwei große Werkschauen an Jef Verheyen
In seiner belgischen Heimat erinnerten dieses Jahr zwei große Werkschauen an Verheyen, der auch eine Leverkusener Vergangenheit hat. Im Museum Morsbroich gehörte er 1960 zu den Teilnehmern der bahnbrechenden Ausstellung „Monochrome Malerei“, im folgenden Jahr stellte er hier mit Francesco Lo Savio und Ad Rheinhardt, dem Schöpfer schwarzer „Meditationstafeln“, aus, und verkaufte dem Museum zwei seiner Hauptwerke. Diese sind jetzt auch in der aktuellen Verheyen-Ausstellung in Morsbroich zu sehen, die Kuratorin Thekla Zell einen Ableger der belgischen Schauen nennt. Wie 1961 gibt es wieder nicht Verheyen pur, sondern ein Künstlertreffen – in diesem Fall über die Jahrzehnte hinweg.
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Verheyens aktuelles Gegenüber, die Kölner Video- und Objektkünstlerin Johanna von Monkiewitsch, wurde 1979 geboren, zu einer Zeit, als die monochrome Malerei längst historisch und in den Augen der meisten Betrachter ein wenig langweilig geworden war. Anders als die abstrakten Einfarbmaler mischt Monkiewitsch keine Farbklänge an, sondern fängt den Sonnenschein. Sie filmt das durch ein Fenster auf eine Wand fallende Licht, um den künstlichen Lichtschein nun als „echten“ auf eine Wand im Museum Morsbroich zu projizieren. Oder sie fotografiert den Schatten, den ein Bilderrahmen auf ein weißes Bild wirft, um den Schattenwurf auf weißes Papier zu drucken und dieses Bild wiederum zu rahmen. Was wir für ein natürliches Spiel des Lichts halten, wird bei Monkiewitsch zur planvoll hergestellten Illusion. Wie Verheyen geht es ihr um eine Leere, in der man mit den Augen versinken kann.
Johanna von Monkiewitsch hält vom Licht gemalte Momente filmisch fest
Mit Monkiewitschs Hilfe möchte Thekla Zell zeigen, dass uns Verheyens meditative Leinwände weiterhin etwas geben können – und der befreite Himmel weiterhin allen gehört. Das gelingt ihr auch deswegen so überzeugend, weil die monochrome Malerei (die bei Verheyen niemals wirklich einfarbig war) eine Antwort auf das gab, was wir nicht erst seit heute „Reizüberflutung“ nennen. Auch die Menschen der 1960er Jahre beklagten die optische Umweltverschmutzung der Konsum- und Reklamewelt und sehnten sich nach Einfachheit. Die Monochromen gehörten zu einem allgemeinen Säuberungskommando, das seine Leinwände mit farbsattem Pathos auflud.
Bei Jef Verheyen findet man bereits das angelegt, was mittlerweile als Allheilmittel der Kunstwelt gilt: immersives Erleben. Er erreichte dieses Eintauchen ins Bild noch mit analogen Mitteln, einfach, indem er seine Leinwände „lasierte“, also so bestrich, dass die einzelnen Pinselstriche in der glatten Oberfläche untergehen. Auf einem Bild wie „Blauer Lichtstrom“ sieht man immer mehr, je länger man es betrachtet: Verheyens Blau ist niemals nur blau, sondern flimmert in Blautönen, was der Leinwand eine geradezu himmlische Tiefe verleiht. Demselben Prinzip folgen ein „Schwarzer Raum“, die rötlichen Nuancen beim „Morgen der Zauberer“ oder „Licht an einem Mittwoch im September 1959“, das die Stimmung eines Tages in erdigen Farbtönen festhält.
Diese gemalte „Momentaufnahme“ wirkt wie ein Vorbild für Monkiewitschs gesamtes Schaffen – nur dass sie den vom Licht erzeugten Moment vor allem filmisch festhält. Immer wieder steht man vor einem projizierten Lichtschein, der einem vorgaukelt, ein Vorhang bewege sich im Wind oder eine spiegelnde Wasseroberfläche verflüssige eine Wand. Manchmal dehnt Monkiewitsch den Moment aber auch auf Wochen aus. Während der Ausstellung wartet eine auf einem Museumsbalkon drapierte (und vor Regen geschützte) Leinwand darauf, vom Sonnenlicht teilweise ausgeblichen und in eine abstrakte Farbfeldmalerei „nach der Natur“ verwandelt zu werden. Wie Verheyen sucht sie den Nullpunkt der Malerei, an dem Farben und Formen keine vertrauten Gegenstände mehr umreißen, sondern ein träumerisches Eigenleben zu führen scheinen.
„Gegen den Himmel. Jef Verheyen, Johanna von Monkiewitsch“, Museum Morsbroich, Gustav-Heinemann-Str. 80, Leverkusen, Di.-Sa. 11-17 Uhr, bis 23. Februar 2025