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Kommentar

Kommentar zu „Nuhr im Zweiten“
Wenn Lachen wehtun soll

Ein Kommentar von
Lesezeit 4 Minuten
Jan Böhmermann zieht die Augenbraue hoch.

Jan Böhmermann

Jan Böhmermann hält (uns) mit seiner Persiflage nu(h)r den Spiegel vor.

Jan Böhmermann hat es wieder getan: Der ZDF-Chefsatiriker hat die erbitterten Gegner des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks mal wieder mit Kalkül aus der Reserve gelockt. Das ist zwar kein Novum, die Reaktionen auf die Persiflage „Nuhr im Zweiten“ fallen aber besonders schrill aus. Die „ZDF Magazin Royale“-Macher dürften damit ihr Ziel erreicht haben.

Und das war gar nicht kompliziert: Mit Dieter Nuhr pickte Böhmermann sich den Vertreter der reaktionären deutschen „Comedy“-Szene heraus – und ließ ihn von Sebastian Rüger hervorragend persiflieren. Ebenso erging es Lisa Eckhardt, deren Humor darauf gründet, die Entgleisung selbst nur anzudeuten – und sie dann von den Köpfen des Publikums vollenden zu lassen. Auch Luke Mockridge bekam sein Fett weg, ebenso das deutsche Comedy-Publikum.

Jan Böhmermanns „Nuhr im Zweiten“: Brillante Persiflage auf Lisa Eckhardt

„Die vornehmste Aufgabe der Satire ist es, den Menschen den Spiegel vorzuhalten“, erklärte der falsche Dieter Nuhr also zur Begrüßung – und das wurde dann auch geboten. Ob von Mockridge-Double Philipp Lind als „Falk MacAllister“, Abdelkarim-Verschnitt Younes Al-Amayra alias „Öztürk Özcan“ oder Sophie Berger, die als „Milli Probst“, eine brillante Eckhardt-Persiflage auf die Bühne brachte. Böhmermanns Spieglein lieferten.

Das Prinzip war simpel: Böhmermann ließ seine Fake-Comedians einfach Witze reißen, die problemlos auch von den Originalen stammen könnten – wenn nicht exakt genauso, dann zumindest in einer weniger brachialen Form. Das war zwar schwere, aber vom „ZDF Magazin Royale“ gut zubereitete Satirekost. Das offensichtlich instruierte Publikum spielte zudem mit – und lieferte Lacher an den unangenehmsten Stellen.

Jan Böhmermann sorgt mit „Nuhr im Zweiten“ für gelungene Satire

Die oft herablassenden, manchmal auch antisemitisch angehauchten, in jedem Fall aber Klimaaktivisten- und LGBTQI+-feindlichen Narrative der Persiflierten wurden so nur noch offensichtlicher als sie es bei den Originalen ohnehin bereits sind.

Dass Böhmermann diejenigen, die selbst gerne zur Übersteigerung neigen, mit den eigenen Waffen bloßgestellt hat, ist aber nur ein Grund, „Nuhr im Zweiten“ für gelungene Satire zu halten. Dass Böhmermanns notorische Kritiker zuverlässig auf diesen Köder ansprangen, ist der nächste.

Ja, auch für Dieter Nuhr werden Rundfunkgebühren gezahlt

Für „so etwas“ solle man also „GEZ“ bezahlen, empörten sich die Immergleichen also prompt – und tappten damit schnurstracks in die Falle. Der ewige Gebühren-Groll verpufft völlig: Nicht nur Dieter Nuhr dürfte schließlich einen Großteil seines Geldes mit Auftritten im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk verdienen, sondern auch Eckhardt und Mockridge kamen dort bereits zu Wort. Auch für „so etwas“ dürfen ÖRR-Gegner also Gebühren bezahlen.

Böhmermanns Nuhr-Persiflage zu finanzieren, scheint für diese Kritiker jedoch ungleich schlimmer zu sein, als Nuhr dafür zu bezahlen, dass er in der ARD wöchentlich den unangenehmen Boomer-Onkel auf der Familienfeier abliefert und sich dafür fast genauso oft „gecancelt“ fühlen darf. Natürlich nur, um dann wieder Sprüche über die vermeintliche Empfindsamkeit jüngerer Generationen zu reißen – weiterhin in der ARD wohlgemerkt.

„Nuhr im Zweiten“: Publikum als Teil der Inszenierung?

Böhmermanns Persiflage lässt aber nicht nur Schlüsse über die Comedians und ihre medialen Gefährten zu, sondern auch über das Publikum, das bei den vermeintlich „Gecancelten“ immer wieder einschaltet oder ihre Tickets kauft. Mit einem Blick in die sozialen Netzwerke wurde das am Freitag nur noch klarer. Bei gar nicht wenigen Zuschauerinnen und Zuschauern herrschte zunächst nämlich Verwirrung darüber, ob das Saalpublikum von „Nuhr im Zweiten“ nun zur Inszenierung gehört oder nicht.

Für manche stellten sich am Freitag also beklemmende Fragen: Haben die sich gerade echt über einen Judenwitz weggeschmissen? Haben die gerade wirklich nur über Ausländerwitze gelacht? Die Verwirrung zeigt: Undenkbar scheint das nicht zu sein.

Jan Böhmermann hält (uns) nu(h)r den Spiegel vor

Kein Wunder. Authentisches Gelächter bei solchen Gags hat es (leider) bereits gegeben, ganz ohne Regieanweisung. Nur eben nicht bei „Nuhr im Zweiten“, sondern in der WDR-Sendung „Mitternachtsspitzen“ bei Witzen von Eckhardt auf Kosten jüdischer Menschen oder bei einem Auftritt des Comedians Abdelkarim bei „Nuhr im Ersten“, als Witze über Ausländer beim Publikum deutlich beliebter waren als jene über Deutsche.

Dass diejenigen, die Nuhr, Eckhardt und Co. bei Fehltritten stets verteidigen, sich nun mehr über die Persiflage empören, als über die Gags der Originale, lässt die ZDF-Satire noch gelungener und Rügers einleitende Worte noch zutreffender erscheinen. Böhmermann hält (uns) nu(h)r den Spiegel vor.