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Rundfunkbeitrag„Die Art, wie bisher Gebühren erhöht wurden, geht nicht mehr“

Lesezeit 5 Minuten
Gerhart Baum

Gerhart Baum gilt als „Urgestein“ der FDP

Herr Baum, Sie und 20 andere Mitglieder des Rundfunkrats haben eine Sondersitzung des Gremiums initiiert, die an diesem Dienstag stattfinden wird. Wie kam es dazu?Gerhart Baum: Ausgangspunkt war die Diskussion über Änderungen im Kulturprogramm durch WDR-Programmdirektorin Wissen und Kultur Valerie Weber. Dazu hat es inzwischen Diskussionen gegeben, auch über den Kulturbegriff, den Frau Weber neu definieren wollte. Wir werden jetzt das Programm weiter beobachten. Der öffentliche Rundfunk befindet sich in einer Umbruchphase. Sie ist bestimmt durch die Herausforderungen der Digitalisierung, durch die neue Konkurrenz privater Anbieter, durch einen Sparzwang und nicht zuletzt durch die politische Diskussion über seine Existenzberechtigung in der bisherigen Form. Darüber wird zurzeit heftig diskutiert. An dieser Diskussion wollen wir teilnehmen und dafür sorgen, dass die Kernaufgaben, also auch die Kultur, nicht geschwächt, sondern gestärkt werden.

Warum ist das gerade jetzt wichtig?

Zurzeit erarbeiten die Bundesländer einen neuen Medienstaatsvertrag. Auch neue Programmrichtlinien für die ARD werden in Kürze zu behandeln sein. Die Politik setzt einen Rahmen. Dadurch will sie der neuen Situation Rechnung tragen. Die Politiker spüren, dass der Rundfunk in eine argumentative Defensive geraten ist – nicht nur in einigen Parteiprogrammen zur Bundestagswahl, sondern auch durch Tendenzen in der Bevölkerung. Es gibt Parteien, die bemerkt haben, dass man mit Aussagen gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk Stimmen gewinnen kann. Der Rundfunk braucht eine neue überzeugende Rechtfertigung. Er ist für unsere gesellschaftliche und demokratische Entwicklung unverzichtbar.

Und Sie wollen als Rundfunkräte stärker sichtbar werden?

Im Grundgesetz ist die Rundfunkfreiheit festgelegt, also die Staatsferne. Die Rundfunkräte sind Ausdruck der Rundfunkfreiheit. Entscheidend ist jetzt der künftige Programmauftrag. Seine Grundsätze müssen von den Räten festgelegt werden in Kooperation mit dem Intendanten. Der WDR-Intendant nimmt an dieser Diskussion aktiv teil, natürlich auch an der Sondersitzung. Seine Äußerungen sind Teil der Diskussion. Aus meiner Sicht ist der Rundfunkrat selbstbewusster geworden und auf dem Wege, seine Verantwortung für das gesamte Programmgeschehen noch deutlicher wahrzunehmen.

Dazu ist diese Sondersitzung der erste Schritt?

Ja, der Rundfunkrat war bisher nicht untätig, aber die Situation erfordert eine neue Aktivität. Und wir haben diese Sitzung auch beantragt, weil sie öffentlich ist. Wir wollen die Öffentlichkeit in diesen Diskurs einbeziehen. Wir haben übrigens die Initiative ergriffen, alle Mitglieder der Rundfunkräte der Republik, die von der Kultur entsandt worden sind, zusammenzuführen. Wir vernetzten uns, hatten eine erste Konferenz. Es bewegt sich etwas.

Was genau wollen Sie denn dort diskutieren?

Der Kern der Diskussion ist der künftige Programmauftrag, also das öffentlich-rechtliche Angebotsprofil. Es ist der Markenkern, der ihn von anderen Anbietern unterscheidet. Das sind die Bereiche Information, Kultur, Bildung, Wissen, aber auch eine am Auftrag orientierte Unterhaltung. Ein in seinem Auftrag amputierter Rundfunk, der wäre nicht lebensfähig und auch nicht verfassungskonform. Auf den Inhalt kommt es an und auf die Programmqualität. Interessant ist, dass die Länder überlegen, dass die Sender zu bestimmten Sendezeiten, etwa beim Fernsehen in der Primetime und auf den Startseiten ihrer Internet-Angebote Inhalte anbieten sollen, die das besondere öffentlich-rechtliche Angebotsprofil zeigen. Das geht in die richtige Richtung – weg vom Quotendenken. Der Programmauftrag muss jetzt auch für den digitalen Bereich gelten. Da dürfen keine Abstriche gemacht werden.

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Sie sprechen den Markenkern der Sender an. Wo sehen Sie die größten Baustellen?

Es müssen einige Dinge deutlicher herausgearbeitet werden: die Gemeinwohl-Orientierung, die Bedeutung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks für den Diskurs in der Gesellschaft und für die Demokratie in diesen Zeiten der Unsicherheit, Das haben sie während der Pandemie gut gemacht. Der Blick auf die Welt wird immer wichtiger durch die Auslandsberichterstattung, auch der Blick auf die ländlichen Räume durch die Regionalberichterstattung – auch zur Förderung der lokalen Kultur.

Gerade über die Kulturberichterstattung des WDR wird gestritten. Auch Sie haben nicht mit Kritik gespart.

Wir haben kritisiert, dass es Tendenzen gibt, Hörer und Zuschauer durch Qualitätsminderung zu binden. Es kommt nicht allein darauf an, was die Adressaten des Programms hören wollen, sondern auch darauf, was sie wissen und erfahren sollten. Die Sender haben einen Bildungsauftrag. Dies zu fordern ist keine elitäre Arroganz. Neue Musik kennt kein Mensch, wenn sie nicht gesendet wird. Die Orchester und der Chor spielen für den Programmauftrag eine unverzichtbare Rolle. Bei aller Kritik haben wir aber immer anerkannt, dass unser Sender gute Kulturprogramme macht. Unser Anliegen ist es, dass die Kultur stärker wird und dem Sparen nicht zum Opfer fällt. Sie ist unentbehrlich für die Entwicklung unserer Demokratie. Nur der Rundfunk nimmt den Kulturauftrag wahr, nicht die privaten Anbieter.

Aber es lässt sich ja nicht leugnen, dass gespart werden muss.

Es gibt natürlich Rationalisierungsvorschläge, die vernünftig sind. Aber es muss geschaut werden, wo gespart wird. Wir wollen beteiligt werden, damit nicht an der falschen Stelle gespart wird. Dabei ist eines ganz wichtig: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk besticht auch durch seine Vielfalt. Man könnte ja sagen, wir machen eine Einheitssendung und besprechen ein Theaterstück einmal oder ein Wahlprogramm. Doch die Demokratie lebt von Meinungsvielfalt, vertreten durch unabhängige Journalistinnen.

Wäre es nicht sinnvoll, manches einfach ganz den Privaten zu überlassen?

Darüber gibt es ja schon lange Diskussionen, etwa über den Sport und die Unterhaltung. Aber für ein reines Kultur- und Informationsprogramm kann man keinen Rundfunkbeitrag verlangen. Man muss den Sport und die Unterhaltung mitnehmen – die Frage ist, in welcher Dimension und Qualität. Die unersättlichen Sportveranstalter müssen immer wieder in die Schranken gewiesen werden.

Sondersitzung

Gerhart Baum (88) ist Vorsitzender des Kulturrats NRW und stellvertretendes Mitglied des Rundfunkrats.

Der Rundfunkrat trifft sich zu der außerordentlichen Sitzung am 29. Juni, 11 Uhr, in der Koelnmesse.

www1.wdr.de/unternehmen/

rundfunkrat

Hat der Streit über die Erhöhung des Beitrags zu der Erkenntnis geführt, dass ein „weiter wie bisher“ nicht mehr möglich ist?

Ja, wir sind an dem Punkt, an dem wir erkennen müssen, dass die Art, wie bisher Gebühren erhöht wurden, nicht mehr geht. Es wird schwieriger werden. Es ist mit der Zustimmung der Landtage ja schon ein Problem. Das ist eine Einsicht, die uns motiviert, an neuen Strukturen mitzuwirken, die Akzeptanz finden.