Wer in der letzten Woche vor Weihnachten noch ein Geschenk sucht, könnte mit einem der folgenden fünf Jazz-Alben fündig werden.
Schöne BescherungAußergewöhnliche Jazz-CDs für den Gabentisch
Um es vorwegzusagen: Die Musik, um die es hier geht, eignet sich wenig bis gar nicht als smoother Hintergrundklang zur Weihnachtsbescherung. Eigentlich greift noch nicht mal der Begriff „Jazz“, wird er hier doch eher weit gefasst und steht für eine Klangkunst, die Festliches und Erhabenes atmet und sich zwischen Komposition und Improvisation oft an der Stille ausrichtet. Doch da Stille bekanntlich die schönste Musik macht, eignen sich alle fünf Alben durchaus für den Gabentisch – am besten gleich im Paket.
Die Glocken des Kölner Doms zu Musik gemacht
Alltagslärm übertönt selbst das Vollgeläut des Kölner Doms, dabei gehört es doch zum liturgischen und kulturellen Leben in der Stadt. Der Trompeter Mathias Schriefl, den es einst aus dem Allgäu nach Köln verschlug, lauschte seit Corona-Beginn den Kirchenglocken über der Stadt und war von ihrem Klang tief berührt, „weil es so stark den spirituellen Zusammenhalt in der Gesellschaft charakterisiert“. Für sein Album „Geläut“ nahm er Glocken in Köln, aber auch in einer Wallfahrtskirche im Allgäu, im Wiener Stephansdom, im Konstanzer Münster und in Mexiko auf.
Zu ihrem Geläut musiziert sein Quartett mit Blechblasinstrumenten, Alphörnern, Celli und furiosem Gesang, mal unbändig, fröhlich und folkloristisch ausgelassen, mal sakral festlich. Das „heilige“ Geläut wird zum Seelenfaden einer Musik, die trotz der Zwänge einer komplizierten Aufnahmelogistik federleicht und sinnlich daherkommt. Herausragend: das Stück „Petersthal“, in dem eine geheimnisvolle Prozession durch das gleichnamige Oberallgäuer Dorf zu ziehen scheint.
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Matthias Schriefls neues Album wurde in einer Kölner Kirche eingespielt
Um die Geheimnisse des Universums zu ergründen, müsse man in Begriffen wie Energie, Frequenz und Schwingung denken, schrieb Nikola Tesla. Dies macht Matthias Schriefl mit „seinen“ Glocken ebenso wie Kontrabassist Stefan Schönegg mit seinem Ensemble Enso, mit dem er ständig neu in die offenen Weiten luzider Klangkunst aufbricht. Sein jüngstes Album „Strings & Percussion“, eingespielt in der Kölner Kirche St. Johannes XXIII., entfaltet in den langen Stücken „Canyons“ und „Valley“ eine fragile, atmosphärische Klangwelt, die besonders auch der Stille Platz einräumt.
Dabei geschieht doch eigentlich gar nichts: Kontrabass, Violine und Cello, Snare Drum und der Klangstein Lithophon fügen sich geduldig ein in den Fluss der Klänge, formen offene, melodische Muster und (ver-)führen in einen fragilen, sensorischen Klangraum, den man mit eigenen Assoziationen füllt, dem Wind in einer Schlucht, dem Tropfen kristallklaren Wassers oder, auch hier, dem langen Nachhall einer imaginären Glocke.
Jazz mit isländischer Musik gepaart
Wem der Zugang zu Ensos Klangwelt eher anstrengend erscheinen mag, der kann ihn sich auf inspirierende Weise dadurch erleichtern, dass er ihn mit vergleichsweise konkreterer Musik zum persönlichen Soundtrack kombiniert. Vorzüglich eignet sich dafür das grandiose Solo-Album „Thelonia“ des Pianisten Sebastian Sternal, der eine nicht minder fundamentale Klangforschung betreibt.
Hinter bildhaften Titeln wie „Arc“, „Traum“, „Prayer“ oder „Forest Rain“ erstrahlen prachtvolle Melodien in vielfältig facettierten Formen, wobei Sternals profunde Kenntnis des jazzigen und klassischen Materials ebenso begeistert wie seine virtuose Spielkunst, mit der er souverän durch seinen Klangkosmos navigiert. Von dort kann man dann übergangslos zur Erzählwelt von Saxofonist Stefan Karl Schmid und Pianist Lars Duppler wechseln: Auf ihrem Duo-Album „Hringferð“ vergewissern sich die beiden ihrer isländischen Wurzeln und tauchen tief ein in eine melodien- und stimmungsintesive Klang-Saga, der jedes Frostige fern ist. Mitunter magisch ergänzen sie sich in Melodieführung und virtuoser Improvisation und wärmen die Seele mit substanzieller Schönheit.
Wer dieser schönen Bescherung noch ein Glanzlicht aufsetzen möchte, der lausche dem Titel „Sun“, dem hymnischen Finalstück auf dem zweiten Album des Ensembles Re:Calamari. Tatsächlich sieht man vor dem inneren Auge Sonnenstrahlen, die sich ihren Weg durch einen wolkenverhangenen Winterhimmel bahnen und alle fulminanten Klänge der sensationell guten CD bündeln. Virtuos und stilsicher, lustvoll lautmalend, taumelnd und torkelnd führen Saxofonist Wanja Slavin, Pianist Pablo Held, Bassist Oliver Lutz und Schlagzeuger Andi Haberl durch eine „elektrische“, jazzrock-gesättigte und melodietrunkene Klangwelt. Mühelos überwindet die mitunter surrealistisch anmutende Musik die Schwerkraft. Auch dies: ein wunderbares Geschenk!
Diskografische Hinweise:
Oliver Lutz, Re:Calamari, 2. Klaeng Records
Matthias Schriefl, Geläut. Resonando/exando-music
Stefan Karl Schmid & Lars Duppler, Hringferð. Eigenlabel/MusicHub
Stefan Schönegg, Enso. Stream & Percussion. Impakt Records
Sebastian Sternal, Thelonia. Traumton Records