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Shakespeare-Schau im Wallraf-Richartz-MuseumHier können Sie Kölns teuerstes Buch bestaunen

Lesezeit 3 Minuten
Der Kupferstich von Benjamin Smith nach George Romney von 1799 zeigt Shakespeare als Knaben, umsorgt von Mutter Natur und allegorischen Darstellungen der Leidenschaften. Das Bild ist schwarz-weiß.

Benjamin Smiths Kupferstich zeigt den Knaben Shakespeare, umsorgt von Leidenschaften.

Die kleine Ausstellung „Das ganze Drama“ im Wallraf-Richartz-Museum feiert den 400. Geburtstag der ersten Gesamtausgabe von Shakespeares Stücken. Und zeigt einen der größten Schätze Kölns.

425 000 DM, das war 1960 eine stolze Summe. Für diesen Betrag, erzählt Hubertus Neuhausen, Direktor der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, erwarb der damalige Kanzler der Kölner Uni, Wolfgang Wagner, von einem Stockholmer Antiquariat ein Konvolut der ersten, zweiten, dritten und vierten Folio-Ausgabe der Bühnenwerke William Shakespeares sowie der 1640er-Ausgabe seiner gesammelten Gedichte.

Aus heutiger Sicht ist der Kauf ein Schnäppchen: Eine vollständig erhaltene Ausgabe der First Folio wurde 2020 für knapp 10 Millionen Dollar ersteigert, der höchste Preis, der jemals für ein literarisches Werk erzielt wurde. Auf der ganzen Welt existieren nur noch 235 Exemplare des Prachtbandes, der schon bei seinem Erscheinen ein Luxusgut war, in Deutschland sind es drei, die Kölner Folio-Ausgabe gilt als eines der am besten erhaltenen.

Jetzt kann man in einer Kabinettsausstellung im Wallraf-Richartz-Museum (WRM) in der Aura des wertvollen Buches baden. „Das ganze Drama. Shakespeares First Folio von 1623“ feiert den 400. Geburtstag der ersten Gesamtausgabe von Shakespeares 36 Stücken, ohne sie wäre die Hälfte seines Werkes verloren gegangen: Kein „Sturm“, kein „Was ihr wollt“, kein „Macbeth“.

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Shakespeares Eierkopf blickt uns von der Titelseite entgegen

Aufgeschlagen ist die Kölner Folio auf der Titelseite, von der uns das bekannte Eierkopf-Porträt des Barden entgegenblickt. So kennt man seinen Shakespeare, die kahle Stirn, das halblange Haar, der schüttere Bart. Eine Ikone von fragwürdigem Wahrheitsgehalt: Der Kupferstecher Martin Droeshout, der das Blatt sieben Jahre nach Shakespeares Tod angefertigt hat, war dem Dichter wohl nie begegnet, es ist ein Bild nach Hörensagen. Und somit symptomatisch für das Widerspiel von An- und Abwesenheit, für das die legendäre Sammlung steht, sagt Peter W. Marx.

Der Professor für Theaterwissenschaft an der Uni Köln und Leiter der Theaterwissenschaftlichen Sammlung auf Schloss Wahn hat die Ausstellung angeregt und zusammen mit Anne Buschhoff, Leiterin der Graphischen Sammlung des WRM, kuratiert. Die First Folios seien einerseits unser direktester Zugang zu Shakespeare, andererseits, so Marx, „Zeugnisse einer im wahrsten Sinne des Wortes existenziellen Abwesenheit, denn der Autor hatte am Entstehen der Ausgabe keinen Anteil“.

Der hatte gar kein gesondertes Interesse daran, Abschriften seiner Stücke zu veröffentlichen: Wer sie erleben wollte, sollte ins Globe-Theater kommen, dessen Teilhaber er war. Der Shakespeare, der bis heute ungebrochen als nahezu gottgleicher Gigant der Weltliteratur verehrt wird, der findet seinen Ursprung in dieser posthumen Gesamtausgabe.

An den Wänden des Kabinetts im zweiten Stock des WRM kann man die Folgen begutachten. Links Stiche und Lithografien aus dem 18. und 19. Jahrhundert, die dem Genie-Kult huldigen, der bald nach Aufhebung des puritanischen Theaterbanns um Shakespeares Person aufbrandete: Ein Kupferstich von Benjamin Smith nach George Romney zeigt den Dichter im Krippenalter, zweifelhaft umsorgt von Mutter Natur und allegorischen Figuren der menschlichen Leidenschaften. Hellwach nimmt der gesegnete Knabe alles in sich auf, und bleibt doch maximal unbeeindruckt vom wirren Gewusel.

Rechts, in Salonhängung, drängt sich dem Betrachter bunt die Bilderwelt entgegen, die dem geöffneten Folio-Band zu entströmen scheint: Bühnen- und Kostümentwürfe für den „Sommernachtstraum“ oder „König Lear“, mal detailverliebt, mal abstrakt; berühmte Szenen aus „Romeo und Julia“ oder „Macbeth“, wild romantisch bei Joseph Anton Koch, von blau-durchtränkter Intensität bei Max Slevogt. Ein Shakespeare für jede Zeit, seit 400 Jahren.

Die Kölner Folio-Ausgabe wurde im Zuge des Jubiläums digitalisiert, man kann sie bald im Internet durchblättern. Die Ausstellung im WRM ist ab dem 3. März bis zum 11. Juni zu sehen. Der sehr lesenswerte Katalog kostet 13 Euro.