Ein neuer Tarot-Band von Taschen bietet viele Zugänge zum Kartenlegen. Mit Wahrsagerei hat das nichts zu tun.
Tarot-Band im Kölner Taschen VerlagDer Tod ist auch nur eine von 78 Karten
Lassen Sie uns also über den Tod reden. Nicht über das Ende der lebenserhaltenden Funktionsabläufe, sondern über die 13. Trumpfkarte der Großen Arkana. Den Tod im Tarot. Den kennt man, selbst, wenn man sich noch nie die Karten gelegt hat, oder hat legen lassen. Als Schreckmoment und böses Omen, wenn das Blatt in Büchern und Filmen umgedreht wird. Als Klischeebild für die Macht des Schicksals. Als vorbeugenden Witz, den die meisten machen, die zum ersten Mal das Tarot befragen: „Die nächste Karte ist sicher der Tod.“
Dabei gibt es nichts zu fürchten. Dass der Tod im Spiel ist, schreibt Johannes Fiebig, Herausgeber des gerade im Taschen-Verlag erschienen Bandes „Das Tarot von A. E. Waite und P. Colman Smith“, liege schlicht daran, dass er zum Leben dazu gehört und als Tageskarte bedeute er lediglich, dass etwas zu Ende geht. Auch handele es sich nur um eine von 78 Karten, „und in der Reihe der Arkana ist sie keineswegs das letzte Stadium“.
Ob die Sonne auf- oder untergeht, ist eine Frage des Betrachters
Arkana bedeutet „Geheimnis“ und die letzte Karte der Großen Arkana ist der Narr. Der steht, laut Fiebig, für Offenheit und Unberechenbarkeit. Dafür, dass es närrisch ist, sich allzu viel Gedanken über zukünftige Konsequenzen unseres Handelns zu machen. Von wegen Wahrsagerei: die Karten werden immer neu gemischt.
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Und was sehen wir auf der 13. Karte im vom Arthur C. Waite entworfenen und von der Künstlerin Pamela Colman Smith ausgeführten Tarot? Einen schwarzen Totenkopf-Reiter, auf dessen Standarte eine Erntekrone prangt, denn der Sensenmann erntet die Früchte unseres Tuns. Außerdem eine Sonne, die entweder auf- oder untergeht, das liegt im Auge des Betrachters.
Das 1910 zum ersten Mal erschienene Waite-Tarot ist aus gutem Grund die bis heute beliebteste Variante des fast 600 Jahre alten Kartendecks, ohne die symbolreichen Bilder des Okkultisten und der Illustratorin wäre das Spiel wohl kaum im 20. Jahrhundert derart populär geworden. Sie sind Geheimnisträger, aber sie raunen nicht von dunklen Mächten, sondern erleichtern, schreibt Mary K. Greer im Taschen-Band, den Zugang zu tiefen Bedeutungen. Ihr Farbspektrum ist hell und freundlich, stilistisch schlagen sie einen Bogen von Englands Präraffaeliten über den Jugendstil bis hin zu den frühen, esoterisch aufgeladenen Abstraktionen der schwedischen Malerin Hilma af Klint.
Die Taschen-Kassette enthält ein Kartendeck, dazu ein Faksimile von Waites „The Key to the Tarot“ betitelten Kurzführer. Der üppig bebilderte große Band bietet gleich mehrere Einstiege ins Kartenlegen, mit Essays zur Geschichte des Tarots, zur Entwicklung der Waite-Version und zu ihren „verborgenen Wundern“. Rachel Pollack lobt insbesondere die Ausdruckslosigkeit in den Gesichtern der Bildfiguren. Die zeugen, eben nicht von emotionaler Leere, sondern von Offenheit für die Emotionen der sie Befragenden.
Man kann auch zur Mitte des Bandes vorblättern und sich Karte für Karte deren vielschichtige Bedeutungen erläutern lassen. Oder man probiert sofort verschiedene Legemuster aus und schlägt im „Quick-Check“ Kurzinterpretationen nach. Amüsant, aber wenig mehr als glorifiziertes Bleigießen.
Besser, man investiert mehr Zeit, lernt, um den Karten schließlich eigenen Sinn zu geben. Dann erst werden sie zu „magischen Spiegeln“, zu idealen Instrumenten der Selbstbefragung.
Johannes Fiebig (Hg.): „Das Tarot von A. E. Waite und P. Colman Smith“, Taschen Verlag, 444 Seiten,100 Euro
Der Kölner Taschen Store (Neumarkt 3) veranstaltet vom 31. 1.bis zum 3. 2. seinen New Year Sale mit Ausstellungs- und Mängelexemplaren zu reduzierten Preisen, Kaffee, Törtchen und Cocktails. Bianca Hauda moderiert am 31. 1. ab 18 Uhr einen Einblick in die Arbeit des Verlages.