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Von wegen fünf Jahre WiederaufbauCorona-Krise verzögert Aufbau des Notre-Dame

Lesezeit 5 Minuten

Am 15. April 2019 brannte die Kathedrale.

  1. Ursprünglich hatte es geheißen, der Wiederaufbau der vor einem Jahr schwer beschädigten Kathedrale Notre-Dame in Paris könne in fünf Jahren erfolgen.
  2. Doch davon kann mittlerweile keine Rede mehr sein, denn die Probleme sind gewaltig. Und dann kommt noch die Coronakrise hinzu.
  3. Die Kölner Ex-Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner ist in die Aufbau-Arbeiten mit eingebunden. Sie erklärt, warum der Wiederaufbau so enorm schwierig ist und was derzeit die größten Herausforderungen sind.

Nach dem Feuer hat nun auch das Coronavirus Notre-Dame erwischt: seit Mitte März die Arbeiten an der Kathedrale im Zentrum von Paris. Vor genau einem Jahr, am 15. April 2019, war die weltberühmte gotische Kirche aus dem 12./13. Jahrhundert durch einen Großbrand schwer beschädigt worden. Am Osterwochenende hat Präsident Emmanuel Macron den Corona-Shutdown für ganz Frankreich noch einmal verlängert. Frühestens im Mai wird es also möglich sein, die Konservierung und Restaurierung von Notre-Dame fortzusetzen.

Dabei hatte Macron direkt nach dem verheerenden Brand, der nicht nur die Franzosen, sondern Kunstliebhaber in aller Welt schockierte, einen schnellen, vollständigen Wiederaufbau versprochen und dafür einen Zeitraum von fünf Jahren genannt. Das sei auf gar keinen Fall zu schaffen, sagt die Kölner Dombaumeisterin a. D. Barbara Schock-Werner. Allein für die Austrocknung der vom Löschwasser durchfeuchteten Wände müssten bis zu zehn Jahre angesetzt werden. „Hinzu kommt: Es wurde mit Wasser aus der Seine gelöscht. Der ganze Dreck aus dem Fluss sitzt also jetzt auf dem Mauerwerk und muss dort mühsam heruntergeholt werden.“

Allerdings sei der Begriff „Wiederaufbau“ auch eine Frage der Definition, erläutert Schock-Werner, die im Auftrag von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) mögliche deutsche Hilfen für Notre-Dame koordiniert. Chefarchitekt Philippe Villeneuve verfolge das erklärte Ziel, „den Menschen den Raum zurückzugeben“, sprich: die aus Sicherheitsgründen noch immer gesperrte Kirche für Gottesdienste und Besichtigungen wieder zugänglich zu machen. Das könnte gelingen, wenn sich die Mauern als standfest, die Gewölbe als einsturzsicher erweisen. Dann würden als Erstes die drei eingestürzten Gewölbe neu aufgemauert. „Mit etwas Glück ist das bis 2024 zu machen.“

Alles zum Thema Barbara Schock-Werner

So sieht Notre-Dame heute aus, ein Jahr nach dem verheerenden Brand.

Noch aber geht es in erster Linie darum, die Bausubstanz zu sichern. Da sei in den vergangenen Monaten schon sehr viel passiert, sagt Schock-Werner. Hunderte Tonnen heruntergestürzten Materials wurden aus dem Kirchenraum geschafft, die oberen Teile der Kirchenfester ausgebaut und gesichert. Industriekletterer holten die Reste Hunderter verkohlter Dachbalken von den Gewölben. Stahlträger im Inneren stützen die Statik von Pfeilern und Gewölben. „Durch die Zerstörung des hölzernen Dachstuhls ist die Auflast auf die Außenwände weggefallen. Damit diese vom gotischen Strebewerk nicht nach innen eingedrückt werden, mussten gewaltige Leimbinder-Konstruktionen auf die Mauern gelegt werden.“ Die obersten 30 Zentimeter des Außenmauerwerks, an dem der Dachstuhl angesetzt war, seien durch das Feuer vollkommen ausgeglüht. Im schlimmsten Fall müsse die gesamte Steinschicht ersetzt werden – eine „Generationenaufgabe“, so die ehemalige Kölner Dombaumeisterin.

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Statiker prüfen ständig die Stabilität des gesamten Baus, unter anderem mit Hilfe von Drohnen. Zum Abgleich hat der Bamberger Kunsthistoriker Stephan Albrecht dafür 3-D- Scans der Querhäuser in ihrem Zustand vor dem Brand zur Verfügung gestellt.

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Am meisten Probleme macht derzeit das Stahlgerüst, das zur Sanierung des hölzernen Dachreiters aufgestellt worden war. Dort lag wohl auch die nach wie vor ungeklärte Brandursache. Die Staatsanwaltschaft vermutet einen Kurzschluss oder Funkenflug beim Schweißen im Zuge der Dacharbeiten. Genaueren Aufschluss hält Schock-Werner aber für unwahrscheinlich. Durch den Brand deformiert und in seinen 35 000 Einzelteilen förmlich verschweißt, lastet das Gerüst mit seinen 500 Tonnen nun auf den Gewölben. „Das muss man Stück für Stück auseinanderflexen“, sagt Schock-Werner. Ein Bewegungsmelder registriert zudem jede Bewegung des demolierten Gerüsts und löst bei stärkeren Windböen Alarm aus, auf den hin die Arbeiten an und in der Kathedrale sofort eingestellt werden müssen. „Es könnten nach wie vor noch Teile des Gewölbes herunterkommen.“

Klar ist, dass das am frühen Abend des 15. April 2019 ausgebrochene Feuer, vom Frühlingswind angefacht, in großer Geschwindigkeit auf den gesamten Dachstuhl übergriff. Die Feuerwehr konnte in der Nacht verhindern, dass auch das Westwerk der Kathedrale mit den beiden Türmen und der Fassade ein Opfer der Flammen wurde.

In Mitleidenschaft gezogen wurden allerdings sämtliche Fenster mit ihren bis zu 750 Jahre alten Glasmalereien, unter anderem auch die berühmte blaue Rosette in der Westfassade. Die genaue Untersuchung, Säuberung und Konservierung sowie – wo nötig – die Reparatur von Hitzesprüngen insbesondere der Fenster aus der Barockzeit und aus dem 19. Jahrhundert könnten Teil der vom Bund und vom Land Nordrhein-Westfalen angebotenen deutschen Unterstützung sein. So verfügen die Dombauhütten in Köln, Erfurt und Naumburg mit eigenen Glaswerkstätten über jahrhundertealte Tradition und Expertise in der Technik der Glasmalerei.

Die Gesamtkosten des Wiederaufbaus sind unabsehbar, dürften aber in die Milliarden gehen. Knapp eine Milliarde Euro wurden bislang von 320 000 Spendern und Stiftungen bereitgestellt. Ein Fonds der Kathedrale hat 375 Millionen Euro gesammelt. Für die Rekonstruktion der zerstörten Gebäudeteile scheint sich als Maxime die möglichst große Treue zum Original durchzusetzen. Schon aus konstruktiven Gründen möchte Chef-Architekt Villeneuve zum Beispiel den Dachstuhl wieder aus Holzbalken erstellen. Der sehr viel leichtere Stahl hätte nicht das für die Auflast nötige Gewicht.

Auch der charakteristische Dachreiter soll wohl wieder so aussehen, wie ihn der Architekt Eugène Viollet-le-Duc im 19. Jahrhundert für Notre-Dame entworfen hat. Barbara Schock-Werner könnte sich hier eine an das Original angelehnte moderate Modernisierung vorstellen. „Eine etwas abstraktere Form wäre eine Art Mahnmal, ein Zeichen des Gedenkens an die Katastrophe von 2019.“ Wenig abgewinnen kann die langjährige Hüterin des Kölner Doms und seines Erbes manch anderen kühnen Ideen für den Wiederaufbau. Notre-Dame mit einem Dachreiter aus Edelstahl, Kristallglas oder Laserstrahlen? Eine Dachkonstruktion mit Palmengarten und Swimmingpool über den Gewölben? Nein, das sollen dann doch bloße Architekten-Fantastereien bleiben.