Der Kölner Verleger Walther König erhält den Art-Cologne-Preis. Ein Interview über das Geschäft mit Künstlern und Künstlerbüchern.
Walther König„Ich hatte zwar keine Ahnung, sagte aber: Klar, machen wir“
Herr König, vor Jahren ist mal ein schöner Aufsatz über Sie erschienen, der nur einen Schönheitsfehler hatte. Der Titel lautete: „Der Buchhändler“. Dabei sind Sie doch eigentlich Verleger und werden genau dafür jetzt mit dem Art-Cologne-Preis geehrt.
Walther König: Diese Doppelung ist eine klassische Situation, große Verlage hatten früher oft auch eine Buchhandlung. Bei uns war das ähnlich, nur dass ich noch Angestellter der Kölner Bücherstube am Dom war, als mir 1968 mein Bruder Kasper aus New York schrieb, er habe den Künstler Franz Erhard Walther kennengelernt, dessen Arbeiten seien ganz toll und etwas völlig Neues und wir sollten über den unbedingt ein Buch machen und auch gleich einen Verlag gründen. Ich hatte zwar keine Ahnung, wie das gehen sollte, sagte aber: Klar, machen wir.
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Ich habe Ernst Brücher vom DuMont Buchverlag von der Idee erzählt und dass ich keine Ahnung vom Metier hätte. Er war begeistert und sagte: Kommen Sie mal einen Nachmittag zu mir und dann erkläre ich Ihnen alles. So war es dann auch. Brücher hat uns damals viele Türen geöffnet und, wie ich Jahre später feststellte, heimlich die Hälfte der Druckkosten für das Erhard-Buch übernommen.
War das Buch ein Erfolg?
Sie müssen sich vorstellen: Das war 1968, der Beginn der großen Kölner Zeit, als der Kunstmarkt gerade gegründet worden war und viele Galerien in die Stadt zogen. Über Finanzen haben wir gar nicht nachgedacht, so euphorisch waren wir. Egal, was Du mit Kunst machst, es muss einfach ein Erfolg sein. Wir glaubten, dass die Welt auf unsere Bücher wartet, und haben wahnsinnig hohe Auflagen produziert. Einige dieser Bücher waren 30 bis 35 Jahre lieferbar.
Welche Sorte Bücher haben Sie verlegt?
Unser allererstes Buch war „The House of Dust“ von Alison Knowles – das wird mittlerweile mehrmals im Jahr als Leihgabe für Ausstellungen angefragt. Es war das erste computergenerierte Buch überhaupt, ein Gedicht, das der Computer bis ins Unendliche variiert, ohne dass dabei der Sinn verloren geht. Auch dazu sagten wir: Klar, machen wir. Dann kam ein fünf Kilogramm schweres Magnetband, das nur von einer einzigen Maschine in Deutschland ausgelesen werden konnte. Die stand bei Siemens in München, und die Miete für eine Stunde kostete 20.000 Mark. Ich sagte: Das kommt nicht infrage, aber das Buch wird in die Geschichte der Buchkunst eingehen, und Sie können es als Sponsor finanzieren. Und das hat Siemens dann gemacht.
Kamen die Künstler zu Ihnen oder umgekehrt?
Damals kamen viele US-Künstler für einige Wochen ins Rheinland, um vor Ort für Galerien neue Kunstwerke zu produzieren. Das war billiger als Werke einzufliegen oder zu verschiffen. Irgendwann langweilten sich die Künstler, kamen in die Buchhandlung und brachten ihre Bücher mit. Es war die große Zeit der Konzeptkunst, für die Bücher das optimale Medium waren, um sie zu dokumentieren. Die Bücher blieben hier, abgerechnet wurde beim nächsten Besuch.
Das klingt nach kleinen Anfängen.
So richtig ging es erst 1969 mit Peter Ludwig los. Der hatte gehört, dass ich mich selbstständig gemacht hatte, und schrieb mir, ob ich nicht Lust hätte, seinen Ausstellungskatalog „Kunst der 60er Jahre“, damals noch im Wallraf-Richartz-Museum, zu verlegen. Das wurde ein legendäres Buch, obwohl es eigentlich unbrauchbar war. Ein dickes Ding mit Plexiglasrücken und Foliendruck, gestaltet von Wolf Vostell, im Grunde ein weiteres Ausstellungsstück. Die Bestellungen kamen aus aller Welt, plötzlich hatten wir überall Kontakte.
Mittlerweile haben Sie mehr als 4000 Künstlerbücher verlegt.
Die Zusammenarbeit mit Künstlern ist einer unserer Schwerpunkte. Als Verleger schauen wir den Künstlern bei der Arbeit über die Schulter, und im besseren Fall sitzen wir ihnen gegenüber. Die Gespräche helfen den Künstlern, eine Entscheidung zu finden. Das ist immer eine wunderbare Situation für einen Verleger. Manchmal ruft Gerhard Richter an und fragt, ob ich ihn nicht besuchen kommen mag: Ich habe auch eine Überraschung für Sie. Dann fahre ich hin, und Richter hat ein wunderbares Modell für ein Buch gebaut, weiß aber nicht, wie sich das technisch umsetzen lässt. Also muss ich mir was ausdenken, wie das funktionieren kann.
Wie buchaffin sind Künstler denn?
Für einen Teil sind Bücher ein Mittel, um ihre Sachen unter die Leute zu bringen. Aber für die meisten Künstler sind Bücher etwas ganz Besonderes. Sie nehmen sich dafür extrem viel Zeit, denken Sie nur an Picasso, der hat Bücher gemacht, die ihn drei Monate vom Malen abgehalten haben. Das ist heute immer noch so, und deswegen ist Verleger ein wunderbarer Beruf. Sie können mit Künstlern direkt zusammenarbeiten und kaufen und verkaufen nicht nur. Das ist mein großes Glück.
Wie wichtig war der Standort Köln dafür?
Einen besseren Ort hätte ich nicht finden können, auch wenn Köln jetzt ein bisschen abnippelt. Aber die damalige Stimmung war einmalig. Nehmen Sie einen Mann wie Wolf Vostell. Das war ein ganz großer Typograf und Büchermacher, seine Decollagen sind sensationell. Der hatte viele Leute von überall her zu Gast und rief dann an: Wollen Sie nicht vorbeikommen und den und den treffen? Später bei Kippenberger funktionierte das ganz ähnlich.
Wie ist es um die Zukunft des Künstlerbuchs bestellt?
Ich war gerade in Düsseldorf auf der Buchmesse Between Books. Da finden Sie junge Leute, die Wegweisendes leisten. Deren Bücher kosten vielleicht 20 Euro, sind aber hochintelligent gemacht. Ich bin da total optimistisch. Im Internet gibt es überall diese Angebote: Schicken Sie uns ihre Ferienbilder, wir machen daraus ein Buch. Klingt albern, die Technologie dahinter ist aber super. Wenn die jungen Leute das selber in die Hand nehmen, wird es plötzlich interessant.
Letztes Jahr gab es in Frankfurt eine große Ausstellung Ihrer Künstlerbücher. Wollte Köln das nicht machen oder wollten Sie nicht?
Die Frankfurter sind auf mich zugekommen, Köln war gar nicht im Gespräch. Die Ausstellung hatte einen chronologischen Teil und Schwerpunkte mit Künstlern, mit denen wir besonders viel gemacht haben. Wir haben uns immer bemüht, mit jungen Künstler und Künstlerinnen, die wir interessant finden, zusammenzuarbeiten, beinahe wie ein Literaturverlag. Von den ersten beiden Büchern von Isa Genzken haben wir vielleicht 120 Stück verkauft. Das war ein totaler Schlag ins Wasser. Aber sie dankte uns das später. Sonst hätten wir keine Chance, gegen die großen Verlag zu bestehen.
Außer dem Bücherstand auf der Art Cologne haben Sie dieses Jahr auch wieder einen Stand mit Editionen auf der Messe.
Wir sind ein klassischer Buchverlag, bitten die Künstler aber darum, uns Vorzugsausgaben zu machen. Die dienen dazu, die Normalausgaben zu finanzieren. Sie können davon ausgehen, dass Kunstbücher, wenn sie keine Ausstellungskataloge oder Bestseller wie von David Hockney sind, finanziert werden. Bei uns fließen 50 Prozent vom Erlös der Vorzugsausgabe in die Kalkulation der Normalausgabe ein. Würden wir das nicht machen, müssten die Bücher viel teurer sein. Das würde dann kein Mensch mehr kaufen.
Walther König (84) erhält an diesem Freitag den Art-Cologne-Preis der Koelnmesse und des Bundesverbands Deutscher Galerien und Kunsthändler. Der Kölner Verleger und Buchhändler wird für sein langjähriges Engagement in der Kunstvermittlung geehrt. Die Art Cologne beginnt am 16. November und läuft bis zum 19. November.