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Leserbriefe zur Taurus-EntscheidungChaos oder klare Kante?

Lesezeit 6 Minuten
Olaf Scholz während seiner Bundestagsrede am 13. März, in der er die Nichtentsendung von Taurus-Marschflugkörpern verteidigte. Er steht vor einem Mikrofon, den linken Arm und die geöffnete linke Hand in einer erklärenden Geste von sich gestreckt. Sein Gesichtsausdruck ist ruhig und gefasst.

Kanzler Olaf Scholz bekräftigte im Parlament seine Entscheidung gegen die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine.

Auch nachdem Kanzler Olaf Scholz entschieden hat, keine Taurus-Marschflugkörper in die Ukraine zu entsenden, reißt die Diskussion nicht ab.

Der Autoritätsverlust des Kanzlers schreitet voran – Kommentar von Markus Decker zur Taurus-Entscheidung (14.3.)

Der Kanzler zeigt endlich klare Kante

Für mich gewinnt der Kanzler an Autorität, da er dem massiven Druck der Opposition – auch innerhalb der Ampelkoalition – und des Medienmainstreams nicht nachgibt. Der Mann zeigt endlich mal klare Kante! Und ich hoffe, das bleibt auch so. Immerhin steht die Mehrheit der Deutschen in diesem Punkt hinter ihm. Die Menschen sorgen sich zu Recht um eine zunehmende Verstrickung in den Krieg. Weiter so, Olaf Scholz! Monika Lungmus Köln

Argumentationschaos bei Taurus-Entscheidung

Man würde unserem Kanzler gern zugestehen, dass es ihm bei der Nicht-Lieferung des Taurus-Systems um das Wohl der Deutschen und um die aus seinem Amtseid ableitbare Verantwortung für sein Land geht. Wäre da vor einem Jahr nicht das gleiche Taktieren mit den Leopard-Panzern gewesen, welches fast wie eine Blaupause für sein heutiges Argumentationschaos erscheint.

Alles zum Thema Olaf Scholz

Damals wie heute hat er dabei erhebliches außenpolitisches Porzellan zerschlagen: Scholz forderte den amerikanischen Präsidenten ultimativ auf, selbst Panzer in die Ukraine zu liefern, ansonsten gäbe es auch keine Leos. Biden war, wie es hieß, „not amused“. Und jetzt? Durch seine Offenlegung der Präsenz englischer und französischer Soldaten in der Ukraine hat er auch unsere europäischen Verbündeten mehr als verärgert.

Es entsteht der Verdacht, dass Scholz und seine SPD nicht staatstragend, sondern parteipolitisch handeln und sich aus wahltaktischen Gründen als Friedenspartei gerieren. Wenn, wie Herr Mützenich vorschlug, es gilt, den Krieg „einzufrieren“, käme das einer Kapitulation der Ukraine gleich. Ein Einsatz von Taurus-Marschflugkörpern könnte es der Ukraine zumindest erleichtern, mit Putin auf Augenhöhe über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Gottfried Adam Neunkirchen-Seelscheid

Taurus für Ukraine nicht kriegsentscheidend

Den Aussagen im Leitartikel von Herrn Decker möchte ich entschieden widersprechen. Die Taurus-Raketen sind kein Gamechanger und Deutschland ist die europäische Nation, die die Ukraine am meisten unterstützt. Die Ukraine kann nicht wegen Deutschland nicht gewinnen, sondern weil die USA und die übrigen europäischen Länder nicht genug Waffen liefern. Was passiert eigentlich, wenn die Taurus-Systeme nicht den gewünschten Erfolg bringen? Kommen dann Bodentruppen?

Auch die Aussage „die Argumentation von Scholz sackt in sich zusammen“ halte ich für falsch. Scholz will das Risiko für einen Kriegseintritt Deutschlands ausschließen. Das ginge aber nur, wenn das komplexe Taurus-System professionell bedient wird. Die Ukrainer sind aber teilweise noch in der Ausbildung bei der Bedienung von Waffensystemen und Flugzeugen.

Deshalb sagt Scholz, das komplexe Taurus-System sollte nur von deutschen Experten bedient werden. Das aber wäre der deutsche Kriegseintritt. Aus meiner Sicht völlig richtig. Ansonsten sollte man sich nicht vom Gedröhne der Merz-CDU beeindrucken lassen; denen geht es weniger um den Taurus, sondern darum, der Ampel zu schaden. Dr. Ulrich Holzhauer Köln

Taurus-Entscheidung des Kanzlers richtig

Wenn die Ukraine mit dem Rücken zur Wand steht und in der Lage ist, die Taurus-Marschflugkörper autonom zu managen und entsprechende Ziele zu programmieren, dann wird sie nicht zögern, diese Marschflugkörper auch tief in russischem Gebiet einzusetzen. Wir tragen eine historische Schuld Russland gegenüber, die deutsches Kriegsgerät dort in diesem Maße verbietet.

Ich bezweifle auch die militärische Effektivität von nur einigen Taurus-Marschflugkörpern. Was der Ukraine viel wirkungsvoller helfen würde, sind ausreichende Munitionsvorräte für die Verteidigung ihres Landes. „Frieden“ ist in Deutschland inzwischen ein Schimpfwort geworden. Nicht Ausgleich, Kompromiss, Diplomatie, die den Namen verdient, und Verhandlung, sondern „Krieg“ heißt die neue Devise. Werner Bauer Stuttgart

Hickhack um Taurus-Entscheidung beschämend

Man kann durchaus unterschiedlicher Auffassung zu Bundeskanzler Scholz und seiner Begründung der Nicht-Lieferung des Taurus sein – ich bin es auch –, aber er hat nun mal kraft seines Amtes entschieden. Anstatt das nun zu akzeptieren und wiewohl alle Argumente pro und contra rauf und runter gebetet worden sind, geht die seit Monaten laufende Debatte quer durch die Reihen im Bundestag und außerhalb des Parlaments äußerst kontrovers weiter.

Einschließlich der Absurdität, dass am Donnerstag Abgeordnete von FDP und Grünen den Kanzler kräftig kritisiert und sich öffentlich klar für die Taurus-Lieferung ausgesprochen haben, aber dann aus Gründen der Koalitionsdisziplin gegen den Antrag der CDU/CSU-Fraktion stimmten. All das ist geeignet, die ohnehin geringe Autorität des Regierungschefs zu untergraben und das eh schon ramponierte Ansehen der Koalition noch mehr zu beschädigen. Wir machen uns solchermaßen zum Gespött von Freund und Feind!

Und wem nützt dies letztlich, wer reibt sich angesichts dieses unsäglichen Hickhacks in der deutschen Innenpolitik die Hände? Genau, der Präsident der Russischen Föderation, der einen völkerrechtswidrigen, verbrecherischen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt. Es wäre daher generell angeraten, in Bezug auf Waffen- und Munitionslieferungen ausladende Debatten zu vermeiden, den Kreml im Ungewissen zu lassen und – konsequent zu handeln! Roland Schweizer Leverkusen

Taurus-Entscheidung: Scholz in der Falle?

Offenkundig sitzt Olaf Scholz in der Falle. Auf der einen Seite der Wille zur Verteidigung der Ukraine, wobei dieser seit seiner „Zeitenwende“-Rede schon deutlich nachgelassen hat, und auf der anderen Seite die Linke in der SPD, welche den Krieg lieber heute als morgen beendet sehen möchte. Und zwar ohne Rücksicht auf die Belange der Ukraine.

Ralf Stegner und Rolf Mützenich, als Vertreter des linken Flügels in der SPD, geben hier klar den Ton an und treiben Olaf Scholz vor sich her, wie weiland der linke Flügel Helmut Schmidt in der Frage des Doppelbeschlusses.

So werden wir den Krieg in der Ukraine auch noch viele Jahre erleben dürfen, es sei denn, wir stehen endlich zu unserem Wort und zum festen Willen, die Demokratie, die Rechtsstaatlichkeit und die Freiheit des Westens zu verteidigen. Dies geht jedoch nur ganz oder gar nicht. Ein bisschen Verteidigung geht genauso wenig wie ein bisschen schwanger. Uwe Bröking Köln

Scholz' Taurus-Entscheidung verhindert Eskalation

Der Leitartikel von Markus Decker wirft Scholz Kurzsichtigkeit vor, da die Ukraine wegen fehlender Taurus-Lieferung womöglich den Krieg verliere. Die Wahrheit ist: Die Ukraine braucht keine Taurus-Marschflugkörper, um den Krieg zu gewinnen, sondern Artilleriemunition an der Frontlinie, Drohnen und Raketenabwehrsysteme, um ihre Infrastruktur und die Bevölkerung zu schützen. Von der Mehrzweckwaffe Taurus hat die Bundeswehr 600 Stück, und damit Deutschland nicht ohne Verteidigung dasteht, sind nur etwa 100 für die Ukraine gedacht.

Deutschland ist nach den USA mit 26 Milliarden Euro der größte Unterstützer der Ukraine. Auch das ist ein Verdienst von Scholz. Wenn alle in Europa den versprochenen Beitrag leisten, kann die Ukraine den Krieg gewinnen. Besonnenheit ist notwendig, und nicht Kurzsichtigkeit. Eine Eskalation muss verhindert werden. Peter Bert Mechernich

Taurus-Abstimmung: „Kleinkariertes Geplänkel“

Das Ergebnis der Abstimmung im Bundestag war vorab jedem klar. Die Kernfrage des Kanzlers war, wer stellt die Geodaten am Taurus ein – die Bundeswehr oder ukrainische Experten? Die Kernfrage der Opposition war: Wie treiben wir den Kanzler und die Ampel weiter vor uns her, ohne dass bemerkt wird, dass wir es auch nicht besser wissen?

Geht es denn noch kleinkarierter im Bundestag? Die Welt brennt um uns herum kriegerisch und politisch, wirtschaftlich-finanziell und sozial, nur Autokraten und Diktatoren versprechen schnelle Lösungen, sei es durch Unterdrückung und Krieg.

Aber im Bundestag und in der Bundesregierung scheint niemand willens oder in der Lage, zur aktuellen Situation eine ernsthafte Bundestagsdebatte zu initiieren, die nicht nur zu „kleinkariertem Geplänkel“ führte. Vermutlich wären die meisten Menschen und Wähler in der Bundesrepublik dafür dankbar. Prof. Dr. Heinz Mechling Köln