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Nach Messer-AngriffDuisburg: Attackierte Schulkinder außer Lebensgefahr – Motiv bleibt unklar

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Duisburg: Der Tatort ohne Kerzen oder Blumen, nur noch die gelben Markierungen der Polizei erinnern an den Messerangriff auf zwei Kinder am Vortag. Zwei neun und zehn Jahre alte Schulkinder waren am Mittwoch in Duisburg nach Angaben der Ermittler schwer verletzt worden - das Motiv des mutmaßlichen Täters blieb zunächst rätselhaft.

Der Tatort in Duisburg: Gelbe Markierungen der Polizei erinnern an den Messerangriff auf zwei Kinder am Mittwoch. Zwei neun und zehn Jahre alte Schulkinder waren schwer verletzt worden.

Junge Täter, junge Opfer – wieder ereignete sich eine schreckliche Attacke, diesmal auf zwei Schulkinder. Was bisher zum Messerangriff in Duisburg-Marxloh bekannt ist.

Die schlechten Nachrichten überschlagen sich in jüngster Zeit in Nordrhein-Westfalen. Furchtbare Taten von jungen Menschen treffen jugendliche Gewaltopfer, sogar Kinder. In Oberhausen erstach ein 15-jähriger deutsch-türkischer Intensivtäter vor knapp drei Wochen zwei Basketball-Talente aus der Ukraine. In Wuppertal traktierte ein psychisch auffälliger Gymnasiast Mitschüler in seiner Schule mit einem Klappmesser. In der Nacht zum Sonntag, dem 25. Februar, wurden in Erkrath zwei 17 Jahre alte Mädchen durch zwei bisher unbekannte Täter niedergestochen.

Nun haben die Ermittlungen neue Erkenntnisse in dem Fall in Duisburg-Marxloh erbracht. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus Polizeikreisen erfuhr, soll sich die Tat eines 21-Jährigen folgendermaßen abgespielt haben: Der Tatverdächtige verließ mit einem Hammer und einem Messer die Wohnung seines Vaters. Auf der Straße traf er auf ein neunjähriges Mädchen und ihren zehnjährigen Cousin. Mit Messer und Hammer soll er zuerst die Grundschülerin attackiert haben. Das Mädchen wurde am Hals schwer verletzt. Danach soll sich der Angreifer dem Jungen zugewandt haben und setzte das Messer gegen dessen Kopf ein. Das Kind habe versucht, sich mit den Händen zu schützen, hieß es, erlitt aber Schnitt- und Stichverletzungen.

Ein Passant schrie den mutmaßlichen Täter an, von den Kindern abzulassen; doch dieser reagierte nicht. Daraufhin kehrte der Zeuge mit einer Taschenlampe zurück und warf sie nach dem Angreifer, der nun in Rage auf ihn losgehen wollte. Der so Attackierte flüchtete sich in ein Nachbarhaus. Daraufhin soll der Täter wieder auf den zehnjährigen Jungen eingestochen haben und ließ wohl erst von seinem Opfer ab, als sein Vater eingriff, ihn von dem Kind wegzog und ihm Hammer und Messer abnahm. Er hielt den mutmaßlichen Täter so lange fest, bis die Polizei eintraf.

Alles zum Thema Herbert Reul

Gibt ein Chatverlauf auf dem Handy des Tatverdächtigen Aufschluss über das Motiv?

Die beiden Opfer retteten sich in der Zeit in die nahegelegene Grundschule. Eine Lehrerin nahm sich ihrer an, setzte einen Notruf ab. Nach einer medizinischen Erstversorgung kamen sie ins Krankenhaus. Bei einem der Kinder seien die Verletzungen nach Einschätzung der Ärzte zwar schwer, aber nicht lebensgefährlich, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Zum Gesundheitszustand des zweiten Kindes gebe es noch keine genauen Angaben. Beide seien aber außer Lebensgefahr.

In seiner Vernehmung soll der Vater den Einsatzkräften berichtet haben, dass sein Sohn vor der Tat auf einen Chatverlauf in seinem Handy hingewiesen habe, der seine Tat erklären würde. Erkenntnisse zu diesem Hinweis stehen noch aus.

Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat gegen den Messerstecher einen Haftbefehl wegen zweifachen versuchten Mordes erwirkt. Zum Tatmotiv äußerten sich die Strafverfolger nicht – ebenfalls nicht zum Inhalt des Chatverlaufs.

Deutschlandweit 23.000 Messerattacken im vergangenen Jahr

Zwar sank die Zahl der Messerattacken an Rhein und Ruhr mit 5800 vor der Pandemie 2019 auf rund 4200 im Jahr 2022. Es starben 26 Menschen. 22 Prozent der Täter sind Kinder und Jugendliche. Für 2023 liegt noch keine neue Statistik vor.

Dennoch erklärt NRW-Innenminister Herbert Reul immer wieder, dass die Zahl der Messangriffe „viel zu hoch ist“. Bei der neuen Analyse will der CDU-Politiker nicht nur die Tat-Quote auflisten, sondern auch die Hintergründe. Wer sticht warum zu? Aus welchem Milieu kommen die Täter, was ist der Auslöser für eine Messer-Attacke?

Herbert Reul (CDU), Innenminister von Nordrhein-Westfalen, spricht im Plenum des Düsseldorfer Landtags.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) betonte wiederholt, die Zahl der Messangriffe in NRW sei „viel zu hoch“. Bei der neuen Analyse will er nicht nur Quote auflisten, sondern auch die Hintergründe.

Das Bundeskriminalamt (BKA) hat 2023 insgesamt 23.000 Messerattacken festgestellt. Zudem listeten die Analytiker bundesweit einen Zuwachs unter ausländischen Kindern und Jugendlichen bei Gewaltdelikten um 37 Prozent auf.

Unterdessen stehen die Todesermittler in NRW bei der Motivsuche in etlichen Fällen noch am Anfang. Der Überfall durch eine Jugendbande in Oberhausen sollte offenbar nur dazu dienen, die beiden ukrainischen Basketballer abzuziehen. Dann aber rastete Mehmet S. (Name geändert) aus und stach wie von Sinnen auf seine Opfer ein, wie die Ermittlungen ergaben. Dabei verletzte er auch einen seiner beiden syrischen Begleiter. Neben dem mutmaßlichen Haupttäter kamen drei weitere Bekannte in Untersuchungshaft. Alle vier weisen Dutzende kriminalpolizeiliche Einträge auf. Bis heute hat die Justiz noch nicht über ihr weiteres Vorgehen informiert.

Rätselhaft bleibt bisher auch der Messerangriff im Gymnasium in Wuppertal-Elberfeld. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass der 17-jährige Tatverdächtige unter massiven psychischen Problemen litt. Diesen Schluss lässt zumindest sein Bekennerschreiben zu; zudem soll er geplant haben, sich durch die Polizei erschießen zu lassen. Wie diese Zeitung weiter erfuhr, wollen sich weder der inhaftierte Beschuldigte durch einen psychiatrischen Gutachter auf seine Schuldfähigkeit untersuchen lassen, noch seine Eltern sich durch die Polizei vernehmen lassen. Sie machen von ihrem Aussageweigerungsrecht Gebrauch.

Den Ermittlungen zufolge soll die Direktorin direkt nach der Tat eine Mitteilung an die Eltern geschickt haben, in der sie sich zum psychischen Zustand des Jungen äußerte und Vermutungen über einen Zusammenhang zur Tat äußerte. Bis heute hat die Schulleiterin den Ermittlern aber wohl nicht erklären können, woher sie von der psychischen Erkrankung wusste.

Besonders mysteriös wirkt zudem der Überfall auf zwei 17-jährige Mädchen, die am vergangenen Wochenende auf dem Rückweg von einer Feier in einer Schutzhütte im Naherholungsgebiet in Erkrath von einem Mann abgepasst wurden. Während sich sein Komplize im Hintergrund hielt, gab sich der Fremde als Polizist aus und verlangte nach den Handtaschen der Jugendlichen. Als diese sich weigerten, griff er zum Messer und verletzte seine Opfer schwer. Dann verschwand er mit seiner Beute. Eine Großfahndung blieb erfolglos.