Auf einem Spielplatz attackiert ein Mann Kleinkinder mit einem Messer und verletzt mehrere lebensgefährlich. Was trieb den Mann an?
Sechs Schwerverletzte in AnnecyAngriff auf Kleinkinder erschüttert Frankreich – Motiv unklar
Nach der Messerattacke eines Mannes auf vier Kinder und zwei Erwachsene auf einem Spielplatz im französischen Annecy dauert die Suche der Ermittler nach dem Motiv des Täters an. Der von Polizisten am Donnerstag überwältigte und festgenommene Angreifer war am Abend weiter vernommen worden, teilte Staatsanwältin Line Bonnet-Mathis mit.
Auf jeden Fall habe der Täter nicht unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen gestanden. „Wir versuchen, sein Motiv zu begreifen.“ Hinweise auf ein terroristisches Motiv gab es aber nach Angaben der Behörden nicht. Wie die Zeitung „Le Parisien“ berichtete, sollte der Mann am Freitag psychiatrisch untersucht werden. Im Polizeigewahrsam habe er einen schweren hysterischen Anfall erlitten. Zum Gesundheitszustand der schwer verletzten Opfer gab es zunächst keinen neuen Stand.
Die vier verletzten Kinder im Alter von 22 Monaten bis 3 Jahren waren in Kliniken nach Genf und Grenoble gebracht worden. Zwei von ihnen waren ein französisches Geschwisterpaar, die anderen waren auf einer Urlaubsreise und stammen aus Großbritannien und den Niederlanden.
Messerattacken in Frankreich: Premierministerin verurteilt von einer „feigen Tat“
Frankreichs Premierministerin Élisabeth Borne sprach von einer „feigen und abscheulichen Tat“. In dem Park hatten sich dramatische Szenen abgespielt, Menschen rannten um ihr Leben, andere halfen, um den Täter zu überwältigen – der Verdächtige wurde schließlich festgenommen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schreibt auf Twitter: „Die Nation steht unter Schock.“ Deutschlands Innenministerin Nancy Faeser (SPD) schrieb bei Twitter: „Was für eine unvorstellbar feige und verachtenswerte Tat. Wir sind in Gedanken bei den verletzten Kindern und ihren Familien. Wir hoffen sehr, dass sie wieder gesund werden.“
Bundeskanzler Olaf Scholz schrieb an Macron gerichtet: „Deutschland ist schockiert über diese unmenschliche und verachtenswerte Tat.“ Bundesaußenministerin Annalena Baerbock sagte während ihrer Lateinamerikareise in der kolumbianischen Stadt Cali: „Es gibt nichts feigeres, als wehrlose kleine Kinder anzugreifen.“
Frankreich: Mann soll mehrfach auf kleine Kinder losgegangen sein
Doch was genau sich am Donnerstagmorgen in der ostfranzösischen Stadt nahe der Schweizer Grenze ereignete, war zunächst unklar. Der Täter ging nach Videobildern, deren Echtheit die Zeitung „Le Parisien“ eigener Aussage zufolge überprüfte, mehrfach auf kleine Kinder los, die sich in Kinderwagen befanden. Eine Frau schrie und versuchte den Täter von den Kindern zurückzudrängen.
„Zwei Stadtangestellte haben versucht den Täter zu stoppen, als dieser seine Taten ausführte“, sagte der Bürgermeister von Annecy, François Astorg. Er lobte den Mut der Helfer, eine psychologische Betreuung sei eingerichtet worden.
Auch Ex-Profifußballer Anthony Le Tallec wurde Zeuge der Attacke. Beim Joggen am See habe er plötzlich Menschen auf sich zu rennen sehen. „Plötzlich sagte mir eine Mutter, rennen Sie, rennen Sie, da ist jemand, der alle nieder sticht.“ Dann habe er den Täter über die Wiese rennen sehen, der von Polizisten verfolgt wurde. Der Täter sei auf ein Rentnerpaar zugelaufen und habe den alten Mann angegriffen und zweimal auf ihn eingestochen. Schließlich habe die Polizei den Angreifer überwältigt. Weiter unten am See habe er dann die angegriffenen Kinder auf dem Boden liegen gesehen.
Motiv des Täters von Annecy noch unklar
Bekannt ist, dass der Täter sich erst seit wenigen Monaten in Frankreich aufgehalten hat. Zuvor habe der Syrer zehn Jahre lang in Schweden gelebt, hatte Premierministerin Élisabeth Borne gesagt. In Frankreich sei er ohne festen Wohnsitz gewesen. Für die europäischen Sicherheitsbehörden sei der Mann ein Unbekannter, es liege nichts zu ihm vor. Es gebe auch keine Hinweise auf eine psychiatrische Behandlung in der Vergangenheit.
Obwohl der Mann in Schweden als Asylbewerber anerkannt war, hatte er im vergangenen Jahr auch in Frankreich Asyl beantragt. Wie der Sender BFMTV berichtete, sei dieser Asylantrag vor vier Tagen abgewiesen worden. Ob dies etwas mit der Tat zu tun haben könnte, ist offen.
Die Tat sorgte in Frankreich für Erschütterung, wurde von Rechts und extrem Rechts aber prompt auch für die Forderung nach einer Begrenzung der Immigration instrumentalisiert. Angesichts angekündigter Kundgebungen unter rechtem Vorzeichen erließ der Präfekt für den Donnerstag in Annecy ein Demonstrationsverbot.
Angekündigte Kundgebungen unter dem von extrem Rechten propagierten Motto des „Francocide“, der Tötung von Franzosen durch Ausländer, könnten als Provokation gesehen werden, erklärte Präfekt Yves le Breton. Diese könnten zu Gegendemonstrationen und öffentlicher Gewalt führen.
Medienberichten zufolge soll der Angreifer in Schweden mit einer Frau verheiratet gewesen sein und eine dreijährige Tochter haben - seine Frau und er hätten sich kürzlich getrennt. Beide hätten eine Online-Ausbildung in der Krankenpflege absolviert. (dpa)