Berlin – Die Ampel-Koalition im Bund hält trotz der Misserfolge von SPD und FDP bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen an ihrer politischen Linie fest.
Er habe im NRW-Wahlkampf „ganz tief gespürt”, dass der Kurs der Bundesregierung „von einer großen Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unterstützt wird”, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montagabend in der Sendung „RTL Direkt”. „Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Frage des Ukraine-Krieges.” Zuvor hatten schon die Spitzen von SPD und FDP einen Kurswechsel abgelehnt. Die Grünen als dritter Partner und einer der NRW-Wahlgewinner machten deutlich, dass sie die Arbeit in der Ampel nicht für belastet halten.
Die CDU sieht sich nach ihrem NRW-Triumph, dem am Sonntag zuvor schon ein großen Erfolg in Schleswig-Holstein vorangegangen war, auch bundesweit wieder in der Erfolgsspur. „Seit dem gestrigen Tag ist die CDU wieder zurück auf Platz eins unter den deutschen Parteien”, sagte Parteichef Friedrich Merz. Er wies darauf hin, dass rund jeder fünfte Wähler bundesweit im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW lebe. Wer dort Wahlen gewinnen könne, könne das auch in ganz Deutschland.
Keine Neuausrichtung geplant
Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil räumte am Montag zwar ein, dass die SPD ihre Politik künftig besser kommunizieren müsse. Zur Frage einer Neuausrichtung in der derzeit dominierenden Ukraine-Politik sagte er aber: „Ganz klar: Nein.” Bei der Frage nach weiteren Entlastungen der Bürger angesichts steigender Preise wies er darauf hin, dass die Regierung viele Maßnahmen auf den Weg gebracht habe, die nun nach und nach in Kraft träten. „Erstmal geht es darum, dass wir das, was wir Gutes tun, auch stärker kommunizieren”, betonte Klingbeil. „Das ist für mich die Lehre.”
FDP-Chef Christian Lindner sagte: „Die Ampel ist gut für das Land, denn es gibt auch keine handlungsfähige stabile Alternative.” Die FDP müsse zwar ihre Probleme aufarbeiten. Im Zentrum stehe aber das Regierungshandeln. „Wir haben gegenwärtig keine Zeit und keinen Raum, uns vertieft mit uns selbst zu beschäftigen, solange es Krise und Krieg gibt”, sagte Lindner. „Im Zentrum steht jetzt das Land und nicht kleine oder größere Geländegewinne für die FDP.” Die Ampel sei zwar nie der „politische Wunschtraum” der FDP gewesen. Die Liberalen seien aber „vertragstreu”.
Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour nannte die Ampel eine „Koalition der staatspolitischen Verantwortung”. Ihre Aufgaben seien mit dem russischen Angriff auf die Ukraine noch einmal gewachsen. Es seien in der Koalition „alles Profis” - „dementsprechend habe ich da keinerlei Sorgen”.
Merz sieht Wahlergebnis als Antwort auf die Ampel-Politik
CDU-Chef Merz erklärte, es handele sich vor allem um einen Wahlsieg von Ministerpräsident Hendrik Wüst und der nordrhein-westfälischen CDU. Natürlich habe aber auch die Bundespolitik eine Rolle gespielt - „bei der SPD ausgesprochen negativ”. Diese habe flächendeckend auf Plakaten mit Scholz geworben, der auch viele Wahlkampftermine absolviert habe. Herausgekommen sei das schlechteste SPD-Ergebnis in Nordrhein-Westfalen nach dem Zweiten Weltkrieg, sagte Merz. „Das Wahlergebnis ist eine ganz klare Antwort auch an die Bundesregierung und insbesondere an den Bundeskanzler.”
Bei der NRW-Wahl gewann nach dem vorläufigen amtlichen Ergebnis die CDU 35,7 Prozent der Stimmen (2017: 33,0). Zweiter großer Wahlsieger sind die Grünen, die ihr Ergebnis fast verdreifachten und auf 18,2 Prozent (6,4) kamen. Die SPD sackte auf ihren historischen Tiefstand in NRW von 26,7 Prozent (31,2). Die bisherige Regierungspartei FDP verlor so viel wie noch nie in NRW und landete bei schwachen 5,9 Prozent (12,6). Die AfD konnte sich mit 5,4 Prozent knapp im Landtag halten (7,4). Die Linke bleibt mit 2,1 Prozent (4,9) draußen. Die Wahlbeteiligung fiel auf ein Tief von 55,5 Prozent.
Kommt jetzt Schwarz-Grün?
Nach der Abwahl der schwarz-gelben Koalition deutet nun viel auf eine schwarz-grüne Landesregierung hin. Eine Mehrheit gibt es aber auch für eine Ampel und für eine große Koalition. Regierungschef Wüst betonte, er habe einen klaren Regierungsauftrag erhalten. Er werde allen demokratischen Parteien ein Gesprächsangebot machen. „Wir wollen mit Respekt und Vertrauen ein modernes Zukunftsbündnis schmieden, das Antworten auf die großen Fragen unserer Zeit gibt.” Größte Herausforderung sei „die Versöhnung von Klimaschutz und Industrieland”.
Die Grünen sind sich ihrer Spitzenkandidatin Mona Neubaur zufolge ihrer Verantwortung bewusst und auch bereit für „Konstellationen, wo es weite Wege zu gehen gäbe”. Gleichzeitig betonte Neubaur: „Für uns gibt es auch mit diesem Wahlergebnis keine Automatismen und keine Ausschlüsse von Koalitionen unter demokratischen Parteien.”
FDP-Spitzenkandidat Joachim Stamp prognostizierte: „Wir werden jetzt in Nordrhein-Westfalen eine schwarz-grüne Koalition bekommen. Es ist klar erkennbar, dass die CDU bereit sein wird, auch für die Wahl des Ministerpräsidenten viele Inhalte zu opfern.”
SPD hofft weiter auf Ampel-Regierung
SPD-Spitzenkandidat Thomas Kutschaty gab trotz der Wahlpleite die Hoffnung auf eine Ampel-Regierung unter seiner Führung noch nicht auf. Das „Erstvorschlagsrecht” für Koalitionsgespräche liege zwar beim Wahlgewinner. „Aber auch wir stehen bereit, auch wir bieten den Grünen und FDP Gespräche an, um über eine Regierung zu reden.”
Unterstützung erhielt Kutschaty vom Bundeskanzler. Die SPD habe es zwar nicht geschafft, von Platz zwei auf Platz eins zu kommen und Wüst vom Wahlergebnis her unmittelbar abzulösen, sagte Scholz dem Sender RTL. Aber: Jetzt werde noch mal geschaut, welche Möglichkeiten zur Regierungsbildung es gebe. „Das ist ja auch der Fall: Die Parteien, die in Berlin, hier in Deutschland die Bundesregierung stellen, haben eine Mehrheit im Landtag. Vielleicht ergibt sich daraus ja auch was.”
In der AfD wächst der Druck auf Parteichef Tino Chrupalla. Vorstandsmitglied Joana Cotar sprach sich dagegen aus, dass er im Juni noch einmal für den Posten antritt. „Mit Tino Chrupalla endete die Erfolgsgeschichte der AfD. Er bildet weder die gesamte Partei ab noch überzeugt er bei den Wählern. Darum darf er als Bundessprecher nicht noch einmal antreten”, sagte Cotar.
Bei der Linken hält die Vorsitzende Janine Wissler trotz des dritten Wahldebakels in diesem Jahr einen Neuanfang für möglich. Die Krise der Partei sei existenzbedrohend, sagte sie. Aber: „Wir haben es selber in der Hand, uns jetzt auch aus dieser Situation zu befreien.”
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