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„Ein schweres Vergehen“Kirchenrechtler zum Umgang mit Geld im Erzbistum Köln

Lesezeit 4 Minuten
Woelki (1)

Schwere Zeiten für das Erzbistum Köln unter Kardinal Rainer Woelki

  1. Bistumsverwalter Rolf Steinhäuser hat Vermögensrat und Domkapitel von „Hinweisen“ auf Unregelmäßigkeiten bei den Auftragsvergaben im Zusammenhang mit der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals berichtet.
  2. Die Aufsichtsgremien seien „nicht dem Kirchenrecht entsprechend einbezogen“ worden.
  3. Kirchenrechtler Thomas Schüller erklärt im Interview, was schiefgelaufen ist und wie es jetzt weitergehen könnte.

Herr Professor Schüller, welche Unregelmäßigkeiten bei der Auftragsvergabe im Zusammenhang mit den Kölner Missbrauchsgutachten sind für Sie erkennbar?

Thomas Schüller: Kardinal Woelki und sein Generalvikar hätten bei der Vergabe von Beraterverträgen zwingend das Domkapitel und den Wirtschaftsrat als kirchenrechtlich zuständige Gremien einbeziehen müssen. Es handelte sich hier um „Vermögensakte außerordentlicher Art“. Für alle deutschen Bistümer gilt seit 2002 als Rechtsnorm, dass solche Ausgaben ab einer Grenze von 500.000 Euro zur Genehmigung vorgelegt werden müssen. Das ist zumindest bei den PR-Kosten in jetzt ausgewiesener Höhe von 800.000 Euro nachweislich nicht geschehen. Das ist ein schweres Vergehen.

Anfangs war vielleicht nicht absehbar, dass der Kardinal so viel Kommunikationsberatung brauchen würde.Tut nichts zur Sache. Es ist immer das gesamte Rechtsgeschäft zu beachten. Man kannte die Stundensätze der PR-Berater von 460 Euro netto und konnte damit den Bedarf erahnen.

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Kirchenrechtler Thomas Schüller

Das Mindeste wäre ein Vorratsbeschluss beider Aufsichtsgremien gewesen. Und spätestens in dem Moment, in dem die kumulierten Kosten die 500.000-Euro-Grenze überschritten, hätte der Bistumsökonom den Kardinal und den Generalvikar und diese die Gremien informieren und um Zustimmung bitten müssen. Der Ökonom hat deshalb hat gut getan, jetzt in Rom Selbstanzeige zu erstatten. Und auch Bistumsverwalter Rolf Steinhäuser hat die einzig richtige Entscheidung getroffen: Ab damit nach Rom!

Wer ist denn nun der Schuldige?

Der Vorwurf der Amtspflichtverletzung trifft alle drei Bistumsfunktionäre: den Ökonom, den Generalvikar und den Erzbischof persönlich. Und wir reden hier von Straftaten nach kirchlichem Recht: Wer mit dem ihm anvertrauten Vermögen nicht sachgerecht und nach den Bestimmungen umgeht, kann mit Strafen bis zum Verlust des Amtes belegt werden und muss – zivilrechtlich – den entstandenen Schaden wiedergutmachen. Dies galt schon seit 1983 mit Kanon 128 des kirchlichen Gesetzbuchs CIC und der dort erstmalig aufgenommenen Amtshaftung, ist aber just am gestrigen Tag, dem 8. Dezember, im modifizierten Strafrecht noch einmal konkretisiert und verschärft worden.

Damit gilt sie nicht rückwirkend.

Gleichlautende Bestimmungen hat Papst Franziskus aber bereits 2016 in einem sogenannten Motuproprio erlassen. Auch das hatte Rechtskraft.

Die Gesamtkosten für Gutachten, rechtliche Prüfungen, Kommunikation und Pressearbeit wurden einem bischöflichen Sondervermögen entnommen. „Für besondere Bedürfnisse“ ist der Titel dieses Fonds, in dem sich 2020 noch 16,8 Millionen Euro befanden. Ein Jahr zuvor waren es 26,3 Millionen. Ist die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals kein „besonderes Bedürfnis“?

Die bisherigen Angaben des Erzbistums zu diesem Fonds sind hier verdächtig unspezifisch. Eine Zweckbestimmung wie „kirchliche Belange“ klingt nach Trickserei, Verschleierung und unzulässiger Überdehnung. Vermögen darf laut Kirchenrecht überhaupt nur gebildet werden für den Gottesdienst, den Unterhalt des Klerus und für „Werke des Apostolats und der Caritas“. Die Aufsichtsgremien sollten sich jetzt exakt darlegen lassen, was die ursprünglichen Geldgeber im Sinn hatten. Der Stifterwille ist heilig. Das wäre dann auch heute zwingend zu beachten.

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Dann könnte man mit diesem Geld aber auch keine Missbrauchsopfer entschädigen. Denn das hat garantiert kein Stifter im Sinn.

Solche Zahlungen ließen sich zumindest als „karitatives Handeln“ an den Opfern verstehen. Bestimmt aber keine Krisen-PR. Die hat allein dem Kardinal genützt.

Also doch ein besonderes Bedürfnis.

Mit dieser Einschätzung hätte er zum Kirchensteuerrat gehen und sich das Geld aus Kirchensteuermitteln genehmigen lassen müssen. Bischöfliches Vermögen gehört nicht dem Kardinal persönlich. Er kann sich daraus nicht wie aus einer privaten Schatulle nach Gutdünken bedienen. Vielmehr gelten hier genauso die strengen Bestimmungen des kirchlichen Vermögensverwaltungsrechts.

Und da kennt Rom kein Pardon?

Je nach Fall. Es wurden schon Bischöfe wegen Veruntreuung amtsenthoben.

Wie Franz-Peter Tebartz-van Elst in Limburg.

Einerseits trifft das Beispiel: Der Bischof hat im Zuge des millionenschweren Neubaus des Bischofshauses sein Amt verloren, ja. Aber die zivilrechtliche Verfolgung eines Anspruchs des Bistums Limburg auf Schadenersatz hat der Vatikan kassiert, obwohl die Klage fix und fertig vorlag. Das wird nach politischen Usancen mal so, mal so gehandbabt. Das klassische katholische Willkür-Regiment.

Was heißt das für Köln?

Natürlich weiß man in Rom, dass diese Sache der letzte Sargnagel für Kardinal Woelki sein könnte. Der zuständige Präfekt der Bischofskongregation, Kardinal Marc Ouellet, wird sich jetzt zeitnah einen Bericht geben lassen und damit zum Papst gehen.

Und dann?

Objektiv betrachtet, hat sich die Bistumsleitung ein weiteres Mal als unseriös und nicht vertrauenswürdig erwiesen. Der Vertrauensverlust wird nach dem Umgang mit dem Missbrauchsskandal nun auch noch durch das Finanzgebaren weiter verschlimmert. Ich würde sagen: unwiederbringlich verschlimmert. Ich halte es für unvorstellbar, dass die Verantwortlichen im Amt bleiben. Aber: Köln ist reich, der Kardinal ist mächtig, und erst recht das hinter ihm stehende Opus Dei. Man wird sehen, ob er damit am Ende den Kopf über Wasser behält.