AboAbonnieren

Erzbistum KölnPriester trotz Missbrauchsvorwurf mit Leitungsamt betraut

Lesezeit 3 Minuten
Neuer Inhalt (2)

Kardinal Rainer Woelki an Ostersonntag im Kölner Dom.

Köln – Auch nach der Vorlage des Rechtsgutachtens zum Umgang mit sexuellem Missbrauch im Erzbistum Köln werden neue Vorwürfe gegen die Bistumsleitung unter Kardinal Rainer Woelki laut. Obwohl der Erzbischof Missbrauchsvorwürfe gegen den Düsseldorfer Pfarrer aus der Vergangenheit kannte, ernannte er ihn 2017 zum stellvertretenden Stadtdechanten.

Konkret geht es um Sex mit einem 17 Jahre alten Strichjungen im Jahr 2001. Der Fall war auch den staatlichen Ermittlungsbehörden bekannt, weil D. Anzeige wegen versuchter Erpressung erstattete.

Vorwürfe bis in die 1990er-Jahre zurück

Weiter stehen Vorwürfe sexueller Handlungen mit Jugendlichen und Erwachsenen im Raum, unsittliche Berührungen sowie das gemeinsame Anschauen von Pornofilmen. Die Vorwürfe gehen teils bis in die 1990er Jahre zurück. Sie ergeben sich sowohl aus dem Gutachten des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke, der den Fall als „Aktenvorgang 82“ führt, als auch aus dem von Kardinal Woelki 2020 für untauglich erklärten und nicht publizierten Gutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW).

D.s Anwalt Peter Schnatenberg wies den Vorwurf, sein Mandant habe 2001 Sex mit einem Stricher gehabt, als ebenso „unwahr“ zurück wie die übrigen Beschuldigungen . Allerdings ergibt sich aus den Akten, dass D. den sexuellen Kontakt in einer Vernehmung durch die Polizei zugegeben haben soll. Die Polizei habe hernach ausdrücklich angeregt, D. künftig von Kindern und Jugendlichen – zum Beispiel Messdienern – fernzuhalten.

Verwarnung durch das Erzbistum

Das Erzbistum beließ es nach einer psychiatrischen Unbedenklichkeitserklärung bei einer „kanonischen Verwarnung“ und setzte D. wieder in der Seelsorge ein. Weitere Beschuldigungen in den Jahren 2010 und 2015 – teils anonym und von D. ebenfalls allesamt bestritten – führten dazu, dass der Geistliche sich 2015 aus der Jugendarbeit zurückzog. Aus den Akten sollen sich keine erkennbaren Reaktionen der Bistumsleitung auf die gravierenden Vorwürfe ergeben haben.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wie das Erzbistum mitteilte und damit einen Bericht der „Bild“-Zeitung in ihrer Online-Ausgabe bestätigte, erfolgte die Berufung von D. in sein neues Leitungsamt 2017 auf ausdrückliche Empfehlung des damaligen Stadtdechanten, gegen den allerdings ebenfalls Missbrauchsvorwürfe im Raum standen. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus Bistumskreisen erfuhr, habe es „intensive Diskussionen“ um die Personalie gegeben. Am Ende, so der Anschein, habe Woelki „sich breitschlagen lassen“. Das Erzbistum betont, es sei „lediglich ein nicht strafbarer Vorfall aus dem Jahr 2001 eindeutig belegt gewesen“.

Meldung nach Rom erst im Jahr 2018

Die gegen D. erhobenen Vorwürfe aus den 2010er Jahren führten auf Betreiben der Interventionsstelle nach 2015 zu einer erneuten Untersuchung. Dabei fiel laut Gercke-Gutachten auf, dass die Meldung des Verdachts aus dem Jahr 2001 nach Rom unterblieben war. Die Weiterleitung erfolgte 2018.

Außerdem habe das Erzbistum Ende 2020 „neue Erkenntnisse“ zu Vorwürfen aus den 1990er Jahren erlangt. Mit den Aussagen eines Betroffenen hierzu sei der Vorgang Anfang 2021 der Staatsanwaltschaft übergeben worden. Die Vorwürfe können als verjährt betrachtet werden. Das Erzbistum versichert, die kirchenrechtliche Untersuchung werde nach Rückmeldung der Behörde fortgesetzt. Der Pfarrer ist bis zur Klärung beurlaubt.

Während das WSW-Gutachten den Fall als exemplarisch für unzulängliches oder pflichtwidriges Verhalten der Bistumsleitung darstellt, attestiert das Gercke-Gutachten den Verantwortlichen, sie hätten korrekt gehandelt. Es begründet dies mit Blick auf den Vorwurf aus dem Jahr 2001 unter anderem damit, dass die damals geltenden römischen Normen den Prostituierten als volljährig eingestuft hätten. Überdies sei der Mann in der Obdachlosenszene für das Erzbistum unauffindbar gewesen.