- Viele Sportvereine in Deutschland haben jahrelange mühsam Geld gesammelt, um sich einen Kunstrasenplatz leisten zu können – auch Sportvereine in Köln und Region.
- Nun prüft die EU ein Verbot von Plastikgranulat auf Kunstrasenplätzen. Wenn das Verbot käme, wäre das für viele Vereine absolut fatal: Tausende Plätze stünden bundesweit vor dem Aus – und damit auch die Vereine.
- Wie umweltschädlich ist das Granulat wirklich? Und welche Wege sind andere Vereine in der Region gegangen, um auf das Plastik-Granulat zu verzichten?
- Ein Bericht.
Köln – Es herrscht Unruhe in der Fußballnation Deutschland. Eine EU-Behörde prüft derzeit, ob das Plastikgranulat auf Kunstrasenplätzen umweltschädlich ist und ab dem Jahr 2022 per Richtlinie verboten werden soll. Obwohl das Thema schon seit Monaten zahlreiche Fachleute beschäftigt, hatte es die Öffentlichkeit bislang nicht erreicht. Bis Bundesinnenminister Horst Seehofer das mögliche Verbot am Wochenende in einem Interview aufgegriffen hat und dem Prüfvorgang ordentlich Schärfe verlieh.
Er wolle für die Vereine eine Übergangsfrist von sechs Jahren aushandeln und „für einen vernünftigen Ausgleich zwischen Umweltschutz und Interessen des Sports“ werben, kündigte er an. Ohne sein Einschreiten, so die Botschaft, stünden bundesweit etwa 6000 Kunstrasenplätze vor dem Aus und mit ihnen der gesamte Amateur-Ligabetrieb.
Am Montag jedoch beeilte sich das Bundesumweltministerium, das Thema wieder herunterzukochen. „Ob die EU-Kommission ein Verbot von Plastik-Einstreumaterial für Kunstrasensportplätze vorschlagen wird, steht noch längst nicht fest“, sagte ein Sprecher. Die Europäische Chemikalienagentur Echa sei „in einer frühen Phase der Meinungsbildung“. Auch die EU-Kommission versuchte über Social Media die Gemüter zu beruhigen.
Der DFB teilte am Montagnachmittag mit, der Verband werde sich sowohl für Übergangszeiten als auch für nachhaltige Lösungen einsetzen, betonte aber: „Wir gehen davon aus, dass sich die Belastungswerte für die Umwelt durch Kunstrasenplätze geringer darstellen, als das an mancher Stelle derzeit spekuliert wird“, so Erwin Bugar, zuständiger DFB-Vizepräsident für Sportstätten und Umweltfragen.
Auch der Fußballverband Mittelrhein reagierte verschnupft auf die Zuspitzung. „Wir benötigen eine Versachlichung der Diskussion und valide Zahlen, denn aktuell gibt es zu viele Spekulationen und unsachliche Beiträge zu dem Thema“, sagte Präsident Bernd Neuendorf. „Der DFB stellt einen Fragen-Antworten-Katalog zur Verfügung, der den Vereinen Sicherheit bieten soll.“
In der Tat sind die Zahlen ein Problem. Das Fraunhofer Institut für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik in Oberhausen hat errechnet, dass bis zu 11.000 Tonnen Mikroplastik im Jahr über Kunstrasenplätze in die Umwelt gelangten – durch Wind, Regen oder weil die Spieler mit Schuhen die klebrigen Kügelchen ungewollt auch außerhalb des Platzes verteilen. Das Institut ging in seinen Berechnungen von zwölf Kilogramm Granulat pro Quadratmeter aus, die als gelenkschonendes Dämpfungsmaterial auf den Plätzen ausgebracht werden müssten.
Das könnte Sie auch interessieren:
„Die Zahlen sind zu hoch gegriffen“, sagt Werner Jung-Stadié, Vorsitzender des Fußballkreises Köln. Erfahrungsgemäß seien es nur etwa vier Kilogramm. Das Fraunhofer-Institut musste sich inzwischen korrigieren. Die Experten räumten ein, mit Schätzungen und „nicht-absoluten Zahlen auch basierend auf Daten aus dem Ausland“ operiert zu haben. Im August sollen neue Daten vorgelegt werden.
Etwa 40 Kunstrasenplätze gibt es beispielsweise in Köln. Den Bau haben die Vereine teilweise in Eigenregie gestemmt, bis zu einer Million Euro wurden pro Platz ausgegeben. Fast alle sind mit einer Mischung aus Plastik-Granulat und Quarzsand verfüllt. Sollte das Verbot kommen, müssten die Plastik-Kügelchen beseitigt und ersetzt werden. „Auf die Klubs könnten erhebliche Kosten zukommen“, sagte Jung-Stadié.
Einige Kölner Vereine nutzen schon Alternativen zu Plastikgranulat
Manche Kölner Vereine sind bereits neue Wege gegangen. Der VfL Rheingold Poll nutzt schon seit Jahren organisches Korkgranulat und auch auf der Sportanlage am Salzburger Weg in der Nähe des Rheinenergie-Stadions habe man kürzlich auf Kork umgestellt, sagt Jung-Stadié. Doch auch Kork birgt Probleme. Der Rohstoff ist knapp, daher teuer und kann verklumpen. In Leverkusen gibt es laut Jung-Stadié auf den Plätzen ausschließlich Quarzsand und kein Plastik-Granulat.
Bereits Ende Mai besuchte Jung-Stadié ein Seminar zum Thema „Mikroplastik“, zu dem die International Association for Sports and Leisure Facilities (IAKS) mit Sitz in Köln eingeladen hatte. Mit dabei waren zahlreiche Hersteller von Kunstrasenplätzen, Wissenschaftler, Kommunen und ein Vertreter des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB). In der Sitzung habe man entschieden, einen „ökologischen Weg einzuschlagen“, sagte IAKS-Vorsitzender Robin Kähler dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Auch die IAKS setzt sich für eine Übergangsfrist von sechs Jahren ein. Allerdings müsse man der Forschung die Zeit geben, Alternativen zu entwickeln. Eine „unendliche Bestandsgarantie für Kunstrasenplätze mit Mikroplastik“ aber gebe es nicht.