Henning Höne (35) wurde im Mai dieses Jahres einstimmig zum Vorsitzenden der FDP-Landtagsfraktion gewählt.
Er zog 2012 als damals jüngster Abgeordneter in den Landtag ein, ab 2017 war er Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion.
Im Interview spricht Höne über die Wahlniederlage der FDP, verpasste Chancen und Verwunderungen über den einstigen Koalitionspartner CDU.
Düsseldorf – Herr Höne, wie nehmen Sie die Stimmung an der FDP-Basis wahr?Die Stimmung ist natürlich angespannt. Die herbe Niederlage hat uns allen zugesetzt. Die Ursachenforschung beschäftigt auch die Parteibasis.
War es richtig, die FDP-Kampagne auf den vielleicht zu wenig bekannten Spitzenkandidaten Joachim Stamp zu fokussieren?Bei allen Parteien steht der Spitzenkandidat im Fokus. Der Bekanntheitsgrad von Joachim Stamp ist für sich genommen keine Begründung für das Wahlergebnis. Die Grüne Mona Neubaur hatte geringere Bekanntheitswerte – und trotzdem Erfolg. Ich glaube auch nicht, dass die Gestaltung von Wahlplakaten eine ernsthafte Rolle für das Wahlabschneiden spielt.
In der FDP gibt es auch den Hinweis, man hätte die Schulministerin beim Stabswechsel von Laschet zu Wüst geräuschlos austauschen sollen. Was sagen Sie dazu?Das ist kalter Kaffee. Die Schulpolitik wurde seit 2020 von Corona überlagert. Zuvor gab es viel Zustimmung, zum Beispiel für die Abschaffung von G8, die Einführung des Schulfachs Wirtschaft oder die Talentschulen. Deswegen hat die Partei Yvonne Gebauer ganz bewusst auf den zweiten Platz der Landesliste gewählt. Wir werden uns auch künftig um die beste Bildung kümmern. Das Thema Schulpolitik kommt nicht in den Giftschrank, es gehört zur liberalen DNA. Wir stehen für Chancen und Aufstieg durch Bildung.
Die Liste wurde schon im Juni 2021 aufgestellt – war das nicht viel zu früh?2017 lief das Aufstellungsverfahren zeitlich ganz genauso ab. Und damals hatten wir Erfolg.
Jetzt sind Sie dran: Was war denn der Hauptgrund für die böse Schlappe?Es gibt mehrere Gründe. Es ist uns in den vergangenen Jahren offenkundig nicht gelungen, die Wähler für die Alleinstellungsmerkmale der FDP zu begeistern. Wir hätten uns früher und gelegentlich stärker von der CDU abgrenzen sollen. Aber wir hatten nur eine Ein-Stimmen-Mehrheit. Wir wollten darum keinen offenen Streit. Wir haben zu spät angefangen, eigene Themen zu setzen. So haben wir es zum Beispiel versäumt, die geplante Senkung der Grunderwerbsteuer zu einem zentralen Wahlkampfthema zu machen.
Sie sind jetzt sei einer Woche neuer FDP-Fraktionschef. Warum war es notwendig ihren Vorgänger Christof Rasche, der unmittelbar nach der Landtagswahl im Amt bestätigt worden war, wieder abzulösen?Zunächst ging es darum, handlungsfähig zu bleiben. In den Tagen nach der Wahl wurde uns klar, dass der Fraktion eine neue Dynamik gut tun würde. Christof Rasche hat dann selbst angeboten, den Weg dafür freizumachen. Es gab keine Revolution, keinen Zwang und keine Verstimmung. Wir sind jetzt ein kleines Team. Die Arbeit funktioniert nur, wenn alle zusammenarbeiten.
In der zwölfköpfigen Fraktion sind vier frühere Regierungsmitglieder, vier weitere Politiker sind schon seit 2000 dabei. Wie soll da Aufbruchstimmung aufkommen?Die Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen, ist keine Frage des Alters oder der Parlamentszugehörigkeit. Die Menschen erwarten von allen Abgeordneten 100%-igen Einsatz. Diesen Einsatz werden wir in der Opposition zeigen.
Als die Grünen 2017 aus der Regierung geflogen sind, hat sich Spitzenfrau Sylvia Löhrmann zurückgezogen. Was wird aus Joachim Stamp?Die Aufarbeitung der Wahlniederlage ist für mich ergebnisoffen. Wichtig ist, dass wir vor der Kommunalwahl 2025 kampagnenfähig sind. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir die Partei besser einbinden und ob unsere Strukturen noch in die Zeit passen. Der Landesvorstand sollte künftig stärker inhaltlich arbeiten.
Wollen Sie perspektivisch auch den Parteivorsitz übernehmen?Ich habe großen Respekt vor meiner neuen Rolle als Fraktionsvorsitzender. Es ist immer gut, wenn Teams divers aufgestellt sind.
Welchen Blick haben Sie auf die Koalitionsverhandlungen von Schwarz-Grün?Über die CDU wundere ich mich. In Schleswig-Holstein könnte sie mit der FDP regieren, aber sie zieht ein Bündnis mit den Grünen vor, zu Lasten des eigenen Programms. In NRW wird die CDU einen hohen Preis für ein Bündnis mit den Grünen zahlen. Aber die CDU war schon immer bereit, inhaltliche Abstriche zu machen, wenn dadurch das Kanzleramt oder Staatskanzleien in den Ländern abgesichert werden konnten.
Sind Sie enttäuscht über den früheren Partner?Wettbewerb gehört zur Politik, darüber bin ich weder enttäuscht noch überrascht. Aber wahr ist auch: Wenn die CDU grüner wird, nützt das der FDP. Nicht alle Wähler wohnen in der Stadt oder sind bereit, eine Verkehrspolitik gegen das Auto mitzufinanzieren. Und eine solide Finanzpolitik, die früher ein Thema der CDU war, wird es mit den Grünen kaum geben.