AboAbonnieren

Fehlendes Vakzin in NRWLandesregierung stoppt Impfkampagne in Kliniken

Lesezeit 5 Minuten
Arzt_IMpfung

Ärzte sollen während der Ausbildung mehr Wissen über den Missbrauch der Medizin während des Nationalsozialismus vermittelt bekommen.

Düsseldorf – Der Termin zum Start der Impfkampagne in den Kliniken ist gut vorbereitet. Montag, 18. Januar, 14 Uhr: Im Impfzentrum der Essener Uniklinik informiert sich NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) gemeinsam mit Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen beim Ärztlichen Direktor Professor Jochen A. Werner über den Impfstart für zunächst 90.000 Beschäftigte aus besonders von Corona betroffenen Krankenhausbereichen. Sie gehören nach den Menschen in den Pflegeheimen zu den ersten, die vor Covid-19 geschützt werden sollen.

Der Minister bringt überdies noch eine gute Botschaft mit. Für die über 80-Jährigen, die nicht mehr mobil sind, werde es beim Start der Impfungen in den 53 Impfzentren des Landes am 1. Februar eine Alternative geben. Sie können sich von einem Hausarzt in ihren eigenen vier Wänden impfen lassen.

„Es ist besser, wenn der Doktor zu den alten Menschen kommt, als die alten Menschen zum Doktor.“ Derzeit werde mit den kassenärztlichen Vereinigungen ein Konzept erarbeitet, das bis Dienstag vorliegen soll.

Impfstopp in allen Kliniken

Am Dienstagabend ist dieser Zeitplan Makulatur. Wegen Lieferengpässen beim Hersteller Biontech/Pfizer wirft das Gesundheitsministerium alle Pläne über den Haufen und verhängt einen sofortigen Impfstopp in allen Klinken, die mit diesem Vakzin arbeiten. Auch der Impfstart in den 53 Zentren des Landes und für die über 80-Jährigen, denen Laumann noch am Montag einen Besuch ihres Hausarztes versprochen hatte, wird verschoben. Sie sollen nun eine Woche später den Betrieb aufnehmen.

Im Gesundheitsausschuss des Landtags stellt der Minister am Mittwochnachmittag die Unterbrechung von zehn Tagen als alternativlos dar. Die Situation betreffe ganz Europa. „Wir haben schlicht und ergreifend für zehn Tage 100.000 Impfdosen weniger“, sagt Laumann. Die Dosen würden von der EU an die Mitgliedsstaaten und vom Bund dann an die Bundesländer streng nach Einwohnerschlüssel verteilt.

In NRW sei es bisher gelungen, den zugeteilten Impfstoff immer am Tag der Lieferung oder am darauffolgenden zu verimpfen. Die Zweitimpfungen liefen wie geplant weiter, weil man die Dosen zurückgelegt habe. Auch der Start der Vergabe von Terminen für die 53 Impfzentren werde nicht verändert. „Wir schalten das System am 25. Januar frei, können aber erst ab 8. Februar mit der Impfung beginnen“, sagt Laumann.

Bis auf 300 Altenheime alle durch

In der ersten Februar-Woche werde man mit den letzten Impfungen der über 80-Jährigen in den Altenheimen und mit dem Klinik-Personal fortfahren. Insgesamt sind in NRW bis Mittwoch 378.000 Erstimpfungen vorgenommen worden. „Bis auf 300 Altenheime sind alle durch“, so Laumann „80 bis 85 Prozent der Bewohner und Mitarbeiter haben sich impfen lassen.“

Das sei eine erfreulich hohe Quote. Die Koordinierungsstellen der Impfzentren in den Kreisen und Kommunen waren bereits am Dienstagabend von der Verschiebung informiert worden. „Die von Biontech aktuell mitgeteilten geänderten Liefermengen machen zwingend eine Änderung der Impfplanung erforderlich“, heißt es in der Mail des Ministeriums.

„Die bereits für den 20. und 21. Januar bestellten Impfstoffe für Krankenhäuser können nicht mehr ausgeliefert werden“. Zudem könnten „ab sofort keine Bestellungen für Erstimpfungen in Krankenhäusern und Pflegeheimen veranlasst werden“. Alle bereits getätigten Erstimpfungsbestellungen für den 22. Januar und die folgenden Tage würden vom Land storniert.

Wer bereits eine erste Impfung bekommen habe, könne in der kommenden Woche aber, wie geplant, die zweite erhalten. In Alten- und Pflegeheimen seien bis zu diesem Donnerstag einschließlich auch noch vereinzelt Erstimpfungen möglich.

Hat die Landesregierung die Warnungen von Biontech/Pfizer, es könne im Januar vorübergehend zu Lieferengpässen kommen, unterschätzt? „Unser Werk in Puurs, Belgien, wird eine vorübergehende Reduzierung in der Anzahl von Dosen in der kommenden Woche erfahren“, hatte Biontech am vergangenen Freitag mitgeteilt. Grund sei der Umbau der Produktionsanlagen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Deshalb werde kurzzeitig weniger Impfstoff ausgeliefert. Die Ausfälle sollten aber so schnell wie möglich kompensiert werden. In der Woche vom 25. Januar werde man dann wieder „zum ursprünglichen Lieferplan zurückkehren“.

Der Umbau sei erforderlich, um künftig die Liefermengen kräftig erhöhen zu können. „Ich habe immer gesagt, dass die Verfügbarkeit des Impfstoffs das Tempo der Impfungen bestimmt“, sagt Laumann am Mittwoch.

SPD sieht Vertrauen gefährdet

Die SPD-Opposition im Landtag übt heftige Kritik am Landesgesundheitsminister. Laumann gefährde das Vertrauen in die Impfstrategie des Landes. „Wieso macht der Minister solche Ankündigungen, wenn er hätte wissen können, dass der Impfstart nicht wie geplant beginnen kann? Er muss jetzt aufklären, welche Informationen er zu welchem Zeitpunkt vorliegen hatte“, sagt Josef Neumann, gesundheitspolitischer Sprecher der Landtagsfraktion.

Nicht betroffen von dem Impfstopp waren am Mittwoch laut Ministerium die Uni-Kliniken im Land, die mit Moderna-Impfstoff beliefert werden. An der Düsseldorfer Uniklinik seien seit dem Impfstart am Montag bereits rund 900 Beschäftigte ohne Probleme geimpft worden, sagte ein Klinik-Sprecher.

Impfstoff-Nachschub sei zugesichert, aber es gebe noch keinen konkreten Liefertermin für die zweite Lieferung. Ob es die wirklich geben wird, ist unklar. So werden nach Ministeriumsangaben zwar die Dosen für die nach vier Wochen fällige zweite Impfung zurückgehalten.

Falls es bei dem Impfstoff-Engpass bleibe oder er sich verschärfe, werde die nächste Tranche des Moderna-Impfstoffs möglicherweise aber auch woanders als in den Uni-Kliniken eingesetzt, erklärt ein Sprecher am Mittwochvormittag.

Davon gehe er derzeit aber nicht aus, so Laumann später im Ausschuss. Man erwarte in der kommenden Woche weitere 19.000 Impfdosen von Moderna für die Uni-Kliniken. (mit dpa)