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Forsa-Chef zur NRW-Wahl„Thomas Kutschaty ist ein unbeschriebenes Blatt“

Lesezeit 5 Minuten
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Manfred Güllner, Forsa-Chef

  1. Forsa-Chef Manfred Güllner ordnet die Befunde des „NRW Check“ ein.

Herr Professor Güllner, wie deuten Sie die Aussagen der Bürgerinnen und Bürger Nordrhein-Westfalens über die Parteien und die Spitzenpolitiker im Land?

Manfred Güllner: Corona beherrscht den Alltag der Menschen auch in Nordrhein-Westfalen. Eine weit, weit überwiegende Mehrheit erwartet von der Politik, alles zu tun, was der Bekämpfung der Pandemie dient. Diejenigen, die das anders sehen und die Maßnahmen schon jetzt für zu streng halten, stellen nur eine verschwindende Minderheit da. Der Unmut über eine mangelnde Vorausschau oder ein Übermaß an Zuversicht, die sich im Beschluss zur Beendigung der pandemischen Notlage geäußert hat, schlägt auf die Beurteilung der Parteien und ihrer Kompetenz insgesamt, aber auch auf die Bewertung der Landesregierung durch.

Lesen Sie hier unseren großen „NRW-Check“:

Die ist aber nur in Teilen für die Corona-Politik zuständig.

Die Haltung der Menschen in NRW unterscheidet sich da wenig von den Bundesbürgern insgesamt: Sie trauen es mehrheitlich keiner Partei zu, die großen Probleme zu lösen. Das hängt mit der als unklar empfundenen Corona-Politik zusammen.

Zwei Drittel sagen, sie würden derzeit weder für Hendrik Wüst von der CDU noch für Thomas Kutschaty von der SPD stimmen, wenn sie den Ministerpräsidenten direkt wählen könnten.

In der kurzen Zeit seit seiner Amtsübernahme konnte Hendrik Wüst in der Nachfolge von Armin Laschet noch keine klaren Konturen gewinnen. Das Profil als Ministerpräsident muss er sich erst noch erarbeiten. Ein Glücksfall aus seiner Sicht ist es, dass er derzeit den Vorsitz in der Ministerpräsidenten-Konferenz hat und dadurch auch überregional ständig in der Öffentlichkeit präsent ist. Das wird ihm wesentlich dabei helfen, sich bekannter zu machen.

Und Kutschaty?

Thomas Kutschaty ist ein unbeschriebenes Blatt. Den Menschen in NRW ist er als Spitzenpolitiker so gut wie gar nicht geläufig. Das ist auch aus demoskopischer Sicht schon ein sehr auffallender Befund. Hier setzt sich aber ein Dauerproblem der SPD in Nordrhein-Westfalen fort: Sie hat auf Landesebene niemanden, den die Menschen als Repräsentanten der Partei kennen. Noch nicht einmal die eigene Anhängerschaft nimmt ihn richtig war. Wenn 50 Prozent dieser Klientel sagen, sie würden den eigenen Mann nicht als Ministerpräsident wählen, dann ist das eine Riesenschwäche – und natürlich im Umkehrschluss eine Chance für den amtierenden Ministerpräsidenten Wüst. Dessen Rückhalt in der eigenen Anhängerschaft ist – gerade im direkten Vergleich mit seinem Herausforderer - durchaus beachtlich, aber sicher auch noch ausbaufähig.

Der NRW-Check

Die Aktion

Der „NRW Check“ ist eine Aktion der westfälischen Tageszeitungen. In deren Auftrag führt das Meinungsforschungsinstitut forsa im Vorfeld der Landtagswahl am 15. Mai 2022 vier repräsentative Umfragen durch. Nach der ersten Erhebung, deren Ergebnisse wir hier präsentieren, folgen im Januar/Februar, März und April/Mai drei weitere Befragungswellen. Neben der „Sonntagsfrage“ und der Zufriedenheit mit der Landesregierung geht es dabei auch um die Meinung der Menschen zu den wichtigsten landes- und bundespolitischen Themen.

Für die erste Welle befragte forsa in der Zeit vom 26. November bis zum 7. Dezember 2009 wahlberechtigte Bürgerinnen und Bürger aus Nordrhein-Westfalen.

Die am „NRW Check“ beteiligten 38 Zeitungstitel, unter ihnen der „Kölner Stadt-Anzeiger“, haben eine tägliche gedruckte Auflage von rund zwei Millionen Exemplaren und eine durchschnittliche wöchentliche Gesamtreichweite in gedruckten wie digitalen Angeboten von rund 9,8 Millionen Leserinnen und Lesern (b4p-Studie I/2021). (jf)

Die Teilnehmer

Folgende Titel sind beteiligt: Aachener Nachrichten | Aachener Zeitung | Neue Westfälische | Haller Kreisblatt

Lippische Landes-Zeitung | Mindener Tageblatt | Westfalen-Blatt | Ruhr Nachrichten | Hellweger Anzeiger | Recklinghäuser Zeitung | Rheinische Post | Siegener Zeitung | Bocholter Borkener Volksblatt |

Neue Ruhr/Rhein Zeitung | Westfälische Rundschau | Westdeutsche Allgemeine Zeitung | Westfalenpost | Iserlohner Kreisanzeiger | Westfälischer Anzeiger | Der Patriot | Soester Anzeiger | Märkischer Zeitungsverlag

Kölner Stadt-Anzeiger | EXPRESS | Kölnische Rundschau | Westfälische Nachrichten | Ahlener Zeitung | Münstersche Zeitung |Tageblatt für den Kreis Steinfurt | Borkener Zeitung | Allgemeine Zeitung |

Dülmener Zeitung | Ibbenbürener Volkszeitung | Münsterländische Volkszeitung | Emsdettener Volkszeitung |

Westdeutsche Zeitung | Remscheider General-Anzeiger | Solinger Tageblatt

Wir sind fünf Monate vor der Wahl. Der Termin ist weithin unbekannt.

Das ist ein völlig normaler Befund und kein Grund für die Wahlkampf-Strategen, nervös zu werden. Die Bürgerinnen und Bürger beschäftigen sich ja nur zum geringsten Teil tagein, tagaus mit Politik. Der Wahlkampf ist dann nicht zuletzt dafür da, den Termin in die Köpfe der Leute zu bekommen und klar zu machen, dass es an diesem 15. Mai um etwas geht im Land – und zwar von den politischen Inhalten her wie auch vom politischen Personal.

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Der Gleichstand zwischen CDU und SPD einerseits, den Zweierbündnissen Schwarz-Gelb und Rot-Grün andererseits lässt ebenfalls sehr viel offen.

Das derzeitige Patt zwischen den beiden großen Parteien spiegelt eine Besonderheit der Verhältnisse in Nordrhein-Westfalen sehr schön wider. Politisch gesehen, ist das Land heterogen. Es gibt traditionell SPD-Hochburgen und angestammte CDU-Regionen. Historisch betrachtet, hatte das zur Folge, dass die bisherigen Wahlen jeweils zur Hälfte zugunsten der CDU beziehungsweise zugunsten der SPD ausgingen. Derzeit hat die SPD einen gewissen Bundesbonus, die CDU einen gewissen Landesbonus. Man erkennt umgekehrt noch den Schatten des Bundestagswahlergebnisses mit der Schwäche der CDU und dem relativen Höhenflug der Scholz-SPD. Wie es aussieht, erfahren wir erst im Mai, auf welcher Seite sich die politische Waagschale in NRW dieses Mal nach unten senkt. Das macht die Zeit bis zur Wahl spannend. Die Zahlen zeigen aber bereits fünf Monate vor der Wahl etwas grundsätzlich Erfreuliches.

Nämlich?

Trotz des überall in Deutschland gleichen Mega-Problems Corona werfen die Menschen die Politik auf der Ebene von Bund, Ländern und Kommunen nicht völlig in einen Topf, sondern sie wissen sehr wohl zu unterscheiden. Die derzeitige politische Stimmung in NRW und die damit verbundenen Wahlabsichten sind eben kein bloßer Reflex der Großwetterlage in Berlin. Vielmehr haben die Menschen die NRW-Parteien mit ihrem inhaltlichen und personellen Angebot im Blick.