Horst Becker (l.) und Arndt Klocke sind Grünen-Abgeordnete im NRW-Landtag. Klocke ist dort verkehrspolitischer Sprecher, Becker ist Parlamentarischer Staatssekretär im Umweltministerium. Ein Gastbeitrag.
Am Mittwoch findet der 20. Tag gegen Lärm statt. Die negativen Wirkungen von Lärm werden immer noch weithin unterschätzt. Lärm stört, belästigt, ruft Schlafstörungen und Leistungsbeeinträchtigungen hervor, löst körperliche Stressreaktionen aus und schadet der Gesundheit. Zu möglichen Langzeitfolgen gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin zu Bluthochdruck, Schlaganfall und Herzinfarkten. Besonders beteiligt ist der Verkehrslärm: Straßenlärm, Bahnlärm, besonders von Güterzügen, und Fluglärm verlärmen ganze Landstriche. Besonders schädliche Folgen hat die Störung der Nachtruhe. Die Lärmbekämpfung im Verkehrssektor kommt nicht voran. Wenig Chancen zur Verbesserung haben die Kommunen. Sie müssen zwar Lärmaktionspläne aufstellen, haben aber kaum Durchsetzungsinstrumente. Für die Bekämpfung des Verkehrslärms sind auf Bundes- und Landesebene bezeichnenderweise in der Regel die Verkehrs- und nicht die Umweltminister verantwortlich – die Folgen sind bekannt.
Wie schwer wirksame Verbesserungen durchzusetzen sind, zeigt der Nachtflug am Flughafen Köln/ Bonn. 2008 verlängerte NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) die bis 2015 laufende Nachtfluggenehmigung bis 2030, ohne den Landtag zu beteiligen. Und obwohl es 2009 und 2010 auf Initiative der Grünen zu Landtagsbeschlüssen für ein Passagiernachtflugverbot kam, ist das bis heute nicht umgesetzt. Zwar gelang es mit den Landtagsbeschlüssen im Rücken in den Koalitionsvereinbarungen für die Minderheitsregierung aus Grünen und SPD gegen den Widerstand der Kölner SPD, für Köln/Bonn das Passagiernachtflugverbot als Ziel der Landesregierung festzuschreiben. Auf dieser Basis wurde auch nach umfangreichen rechtlichen Vorarbeiten und Anhörungsverfahren durch die Landesregierung 2012 beim Bund die Einführung des nächtlichen Passagierflugverbotes beantragt. Aber der damalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer lehnte Ende August 2012 den Antrag ab. Das war eine verpasste Chance, denn der damalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) aus dem Rhein-Sieg-Kreis, in dem auch die CDU für das nächtliche Passagierflugverbotes eintritt, hätte während des NRW Wahlkampfes 2012 als NRW-Spitzenkandidat mit für die rechtlich mögliche Genehmigung sorgen können.
Die Landesregierung unternahm dann nach der Bundestagswahl im Jahr 2014 einen weiteren Anlauf, auch der wurde von dem dann amtierenden Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) abgelehnt.
In der Zwischenzeit baute und baut der Flughafen seine nächtlichen Passagierflüge immer weiter aus. Die Fluggesellschaften können ohne Nachtflugverbot mehr Umläufe fliegen, zur Profitmaximierung Kosten drücken und so die Menschen mit Lärm belasten. Köln/Bonn setzt so auch Flughäfen wie Düsseldorf unter Druck, dort ebenfalls die Nachtruhe immer weiter auszuhöhlen. In Köln sind in den Sommerzeiten bereits über 40 Prozent der Nachtflüge Passagierflüge – 2016 mehr als 15000. Letztes Jahr haben diese Flüge um über 15 Prozent zugenommen. Wenn Eurowings in Köln/Bonn noch mehr Langstrecken-Ziele anbietet, wird diese Zahl weiter steigen. Und daran arbeitet Flughafenchef Garvens. Auch deswegen schlug er trotz Unwirtschaftlichkeit für die Bahn im März vor, wieder mehr ICE-Halte am Flughafen einzurichten, um sein Einzugsgebiet zu vergrößern.
Auch der Frachtbereich bleibt bei weitem zu laut. Dabei ist es ein besonderes Ärgernis, dass insbesondere UPS immer noch die Krachschläger MD-11 und B747 in der Nacht einsetzt, anstatt auf den deutlich weniger lauten Flugzeugtyp B777 zu setzen. Das zeigt, dass die Gebührenzuschläge für die Nachtflüge viel zu niedrig sind.
Und es geht weiter: Alle Insider wissen, dass der Flughafen bald wieder einen Antrag auf Laufzeitverlängerung bis 2050 für die jetzige Nachtflugregelung stellen wird. Die Ausgangslage für die nächste Wahlperiode ist klar: Weder SPD noch CDU oder FDP werden ein vollständiges Nachtflugverbot mitmachen. Deshalb haben wir Grüne in unserem Wahlprogramm die Festlegung getroffen: „Ohne zumindest die Durchsetzung des vom Landtag und der Landesregierung beschlossenen Nachtflugverbotes für Passagiermaschinen und eine verbindliche Lärmminderungsplanung, nach der schrittweise der Lärm auf die Vorsorgewerte der Weltgesundheitsorganisation gesenkt wird, werden wir keiner Verlängerung der Betriebsgenehmigung zustimmen.“
Würde die nächste Landesregierung darauf festgelegt, könnte die Einführung eines Nachtflugverbotes für Passagiermaschinen im Zusammenhang mit einer neuen Betriebsgenehmigung noch kommen, wie es ohne die Blockade des Bundes heute schon möglich wäre. Dann könnte die auch über die Planungen von 1998 hinausgehen, nach der nur zwischen 0 und 5 Uhr Passagierflüge unterbleiben sollten.