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Grüne Ex-Spitzenfrau fordertUnabhängiger Experte soll Schulminister werden

Lesezeit 5 Minuten
löhrmann

Ex-NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann

Frau Löhrmann, in NRW stehen die Weichen auf Schwarz-Grün. Sie haben sich schon als Oppositionsführerin der Grünen (2005-2010) mit dem damaligen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers von der CDU getroffen. Wie kam es dazu? Sylvia Löhrmann: Aus meiner Sicht vor allem aus dem Verständnis, dass es gut ist, wenn demokratische Parteien untereinander guten Kontakt pflegen. Übrigens gab es sehr informelle Treffen auch schon vorher, und das hat seinerzeit beim Koalitionspartner SPD mächtig Wirbel ausgelöst.

Hätten die gemeinsamen Schnittmengen mit der CDU wohl schon damals für ein schwarz-grünes Bündnis gereicht?

Das ist müßig, und um Bündnisse ging es nicht. Aber die Integrationsoffensive von 2001 zum Beispiel wäre sonst sicher nicht möglich gewesen. Deren Kernelemente haben Regierungen unterschiedlicher Farben bis heute beherzigt, beispielsweise dass auf dem Rücken von Minderheiten kein Wahlkampf betrieben wird, oder auch die Einführung des islamischen Religionsunterrichts.

Warum fanden die Treffen mit Rüttgers im Verborgenen statt?

(Lacht) Um die Aufregung in Grenzen zu halten! Aber im Ernst: So geheim war es doch gar nicht, sonst wär’s ja nicht öffentlich geworden.

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Hendrik Wüst und Mona Neubaur zu Beginn der Sondierungen im Mai

Kann man sagen, dass Sie und Rüttgers die Pioniere von Schwarz-Grün in NRW waren?

Das ist mir zu hoch gegriffen. Es waren sinnvolle Lockerungsübungen. Insofern haben wir sicher dazu beigetragen, den Hang zur Ausschließeritis abzubauen.

Hat sich die NRW-CDU seit der Rüttgers-Zeit verändert?

Auf jeden Fall – wie übrigens zum Glück alle Parteien: Dazulernen – erst recht, wenn sich die Zeiten so dramatisch ändern, ist doch kein Makel, sondern notwendig. Zwei Beispiele: Die CDU hat inzwischen ihren Frieden mit den Gesamtschulen geschlossen; Windräder sollen nicht mehr kaputtgemacht werden!

Sie kennen Hendrik Wüst ja noch gut aus seiner Zeit als General der NRW-CDU. Hatten Sie die Befürchtung, dass es mit dem Wechsel von Armin Laschet zu Wüst zu einem konservativen Roll-Back kommen könnte?

Nein, und in manchen Fragen fand ich Armin Laschet gar nicht so progressiv. In der Umweltpolitik hat er die NRW-CDU nicht nur hinter Norbert Röttgen, sondern sogar hinter Jürgen Rüttgers zurück geführt.

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Die Grünen-Politikerin Sylvia Löhrmann.

Würden Sie den Grünen raten, nach dem Schulressort zu greifen?

Die Frage war ja zu erwarten, und ich habe sehr, sehr lange darüber nachgedacht. Keinen Rat an niemanden, aber einen Impuls für alle: Das muss jemand machen, der für die Sache des guten Lernens der Kinder brennt, der um die Komplexität von innerer und äußerer Schulentwicklung weiß, möglichst aus eigener Verantwortung. Jemand, der die Expertise und Loyalität des Ministeriums zu schätzen und zu nutzen weiß. Das darf doch nicht als Last gesehen werden, sondern als große wichtige Gestaltungsaufgabe; übrigens mit zentraler Bedeutung für soziale Gerechtigkeit und die Gestaltung der Zukunft unserer gesamten Gesellschaft! Denken Sie nur an die Zukunft der Arbeit oder unserer Demokratie und unser Zusammenleben.

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Sowohl den Grünen als auch der FDP hat das Schulressort kein Glück gebracht. Ist es eine Hypothek in NRW, Verantwortung für die Schulpolitik zu übernehmen?

Das gilt dann auch für SPD und CDU. Aber es geht doch nicht um „Glück“, sondern um ein Schlüsselressort auf Landesebene. Da darf sich die Angst nicht festsetzen. Und wenn sich da erkennbar niemand aufdrängt, müssen die Verantwortlichen einen Schritt zur Seite gehen und die Besetzung anders angehen. Zum Beispiel, indem das Ressort vor die Klammer gezogen und gemeinsam eine renommierte Persönlichkeit gewonnen wird.

Das Amt und die Aufgabe brauchen die Unterstützung der gesamten Regierung. Es muss raus aus dem Parteiengezänk und der Kurzatmigkeit von Wahlterminen. Darum war der Schulkonsens von 2011 so wichtig, und es freut mich, dass CDU und Grüne ihn fortschreiben wollen. Am besten wieder mit einem breit getragenen zivilgesellschaftlichen Beteiligungsprozess und wissenschaftlicher Begleitung.

Sylvia Löhrmann (m.) 2017 mit dem damaligen Landesvorsitzenden Sven Lehmann (l.), sowie NRW-Umweltminister Johannes Remmel (r.) bei einem Statement zur Lage der Grünen.

Hätte Schwarz-Grün die Chance, besser zu harmonieren als SPD und Grüne in ihrer Regierungszeit?

Es gab ja unterschiedliche Phasen mit „ups and downs“. An die Demütigungsversuche der Anfänge und das Machogehabe mancher Sozis mag ich gar nicht mehr denken; am besten war das Klima in der Zeit der Minderheitsregierung.

Haben Sie eigentlich noch einen engen Draht zu Mona Neubaur?

Na klar - vor allem einen guten! Getragen von gegenseitiger Anerkennung und Wertschätzung. Wir haben Freud und Leid geteilt.

Sie haben 2010 und 2012 Koalitionsverträge für die Grünen verhandelt. Worauf kommt es an, wenn man nicht über den Tisch gezogen werden will?

Es geht um die gemeinsame Verantwortung für die Zukunft von Nordrhein-Westfalen. Am besten ist es, wenn in dem Prozess die entwickelten Ergebnisse und Kompromisse von beiden Seiten als gut empfunden werden. Und es muss Vertrauen zwischen den handelnden Personen entstehen.

Wird am Ende genau aufgerechnet, wer sich wie oft durchsetzen konnte?

Ach was! – Mit der Logik, „hier hab ich gewonnen und du verloren, und hier umgekehrt“, kann nichts Gutes entstehen. Politik darf nicht als Nullsummenspiel verstanden werden. Das Gesamtergebnis und die Balance müssen stimmen.

Was würden Sie von einer Ampel halten, die ja rechnerisch auch möglich ist?

Mir hat schon vor dem Wahltermin die Phantasie gefehlt, wie das mit der NRW-FDP gehen soll. Deutlicher kann man doch wohl nicht abgewählt werden. Haben Sie da was gehört im Sinne von „Wir haben verstanden!“?

Gut, dass das Wahlergebnis so eindeutig den Weg weist, wer Verantwortung übernehmen soll.

Zur Person: Sylvia Löhrmann war von 2010 bis 2017 in der Regierungszeit von SPD und Grünen Vize-Ministerpräsidentin und Schulministerin von NRW.