- Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ist – nach derzeitigem Ermittlungsstand – der erste politische Mord an einem Politiker durch einen Rechtsterroristen in der Bundesrepublik.
- Nun läuft eine Debatte, wie Kommunalpolitiker besser geschützt und unterstützt werden können. Sie ist überfällig.
- Wo Sprache und Umgangsformen verrohen, ist der Weg zum politischen Attentat nicht weit. Ein Kommentar.
Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke ist – nach derzeitigem Ermittlungsstand – der erste politische Mord an einem Politiker durch einen Rechtsterroristen in der Bundesrepublik. Möglicherweise, weil Lübcke sich für Flüchtlinge eingesetzt und sich gegen Beschimpfungen zur Wehr gesetzt hatte. Indem er Gegnern in einer Diskussion empfahl, es stehe ihnen frei, das Land zu verlassen.
Das Entsetzen über die widerwärtige Tat ist groß. Es wurde in den folgenden Tagen noch größer. Aus dem rechtsradikalen Spektrum gingen weitere Morddrohungen ein: gegen Kölns parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker und den wegen seines Engagements für Flüchtlinge bekannten CDU-Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein. Sowohl Reker als auch Hollstein waren in den vergangenen Jahren schon einmal von Attentätern angegriffen und schwer verletzt worden.
Verfolgung politisch motivierter Taten muss intensiviert werden
Nun läuft eine Debatte, wie Kommunalpolitiker besser geschützt und unterstützt werden können. Sie ist überfällig. Hetze und Einschüchterung bis hin zu tätlichen Angriffen haben ein drastisches Ausmaß erreicht. Das Innenministerium registrierte im vorigen Jahr 1256 politisch motivierte Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger, davon 43 Gewalttaten. 2017 waren es sogar 1527 Straftaten, davon 65 Gewaltdelikte.
Schon länger klagen Politiker in Städten und Gemeinden, dass das Vorgehen der Sicherheitsbehörden gegen solche Bedrohungen zu lasch sei. Sie haben leider Recht. Die Verfolgung solcher Taten muss deutlich intensiviert werden. Es sind infame Versuche der Einschüchterung nicht nur gegen die Mandatsträger, sondern letztlich auch gegen die Bürger, die sie repräsentieren. Es geht um eine Stimmung der Angst und um die weitere Spaltung unserer Gesellschaft. Insbesondere Lokalpolitiker werden für alle Missstände vor Ort verantwortlich gemacht und immer öfter öffentlich angefeindet.
Der Mord an Walter Lübcke und die Drohungen gegen Henriette Reker und Andreas Hollstein zeigen, dass es im Kampf gegen die rechtsextreme Szene in den vergangenen Jahren massive Versäumnisse gegeben hat. Der braune Sumpf von Reichsbürgern, Identitären und anderen rechtsextremen Organisationen ist eben nicht trockengelegt worden. Er ist stattdessen größer und undurchsichtiger geworden.
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Mit der Folge, dass diejenigen Politiker, die sich vor Ort sichtbar für die Demokratie und gegen rechte Gewalt einsetzen, zu Zielscheiben von dieser werden. Der Mordfall Lübcke und die früheren Angriffe gegen Reker und Hollstein zeigen auch: Wo Sprache und Umgangsformen verrohen, ist auch der Weg zum politischen Attentat nicht mehr so weit.
Jeder Bürger kann etwas tun
Die Sicherheitsbehörden müssen den Kampf gegen rechtsextreme Aktivisten deutlich verstärken. Zu lange wurde offenbar unterschätzt, dass sich unter der Oberfläche neue rechtsradikale Netzwerke gebildet haben. Egal, ob die nun „NSU 2.0“, „Nationalsozialistische Offensive“ oder „Staatsstreichorchester“ heißen: Es ist erschreckend und verstörend, dass sich solche Gruppierungen nach dem rechten NSU-Terror in Deutschland formieren konnten.
Sie und ihre Unkommunikation des Hasses müssen mit aller Härte und Konsequenz bekämpft werden. Ein erster Schritt könnte es sein, die Zentralstelle für Cyberkriminalität der Staatsanwaltschaft in Köln besser auszustatten.
Es gibt aber auch etwas, was jeder Bürger, jede Bürgerin tun kann: mit verächtlichem Gerede aufhören und ihm aktiv entgegentreten. Die Demokratie ist das Beste, was wir haben. Sie wertzuschätzen, ist auch ein Stück Beistand für unsere Politiker vor Ort.