Die Fakten, die bei der Aufklärung der Todesumstände von Mouhamed D. scheibchenweise ans Licht kommen, sind bedrückend. Wären die Umstände, die in der Erschießung des 16-jährigen Senegalesen durch die Dortmunder Polizei mündeten, in einem Krimi verfilmt, würde man den Stoff wahrscheinlich als wirklichkeitsfremd und überzogen kritisieren. Aber das Drama ist keine Fiktion.
Nach bisherigen Ermittlungen war es offenbar so, dass zwölf Polizisten nicht in der Lage waren, einen 1,61 Meter großen Jugendlichen, der drohte, sich mit einem Messer umzubringen, ohne Blutvergießen zu entwaffnen. Stattdessen wurde der Asylbewerber aus kurzem Abstand mit einer Maschinenpistole erschossen – nur drei Minuten, nachdem die erste Ansprache erfolgt war.
Zweifel an der Verhältnismäßigkeit äußert selbst der Staatsanwalt
Das dies eine angemessene Reaktion war, ist schwer zu glauben. Selbst die Staatsanwaltschaft, die sich bekanntermaßen stets mit Einschätzungen vor Abschluss der Ermittlungen zurückhält, diktiert den Journalisten bereits Zweifel an der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes in die Notizblöcke. Und NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) kündigt an, den Einsatz von MPs bei Standarteinsätzen auf den Prüfstand zu stellen.
Dass bei diesem Einsatz wohl so zu ziemlich alles falsch gelaufen ist, was falsch laufen kann, ist schlimm genug. Jetzt stellt sich auch noch heraus, dass der getötete Mouhamed einen Tag vor seiner Erschießung unter besonderen Umständen in die Dortmunder Jugendpsychiatrie gebracht worden war. Er wurde nämlich von einem Krankenwagen eingeliefert, der von der Polizei eskortiert wurde. Der 16-Jährige war auf einer Wache aufgetaucht und hatte seinen Selbstmord angekündigt. Die Beamten sahen offenbar akuten Handlungsbedarf.
Da waren die Mitarbeiter der LWL-Klinik, die in der Nacht Dienst taten, allerdings anderer Meinung. Immerhin zogen sie einen Dolmetscher hinzu, als sie Mouhamed D. zu seinen Suizidabsichten befragten. Der soll erklärt haben, er wolle sich gar nicht umbringen, sondern nur zurück in seine Heimat. Die Klinik weist jedes Fehlverhalten von sich. Mouhamed D. kann dazu nicht mehr befragt werden.
Kaum eine Chance bei mentalen Problemen für zeitnahe Behandlung
Ob die Ärzte sich falsch verhalten haben oder nicht, muss jetzt die Staatsanwaltschaft klären. Es steht im Raum, dass der 16-Jährige noch leben könnte, wenn die Klinik in stationär aufgenommen und nicht wieder nach Hause geschickt hätte.
Fachpolitiker berichten, dass Menschen mit mentalen Problemen kaum eine Chance haben, zeitnah angemessen behandelt zu werden. Betroffene würden im Zweifel oft abgewimmelt, weil stationäre Plätze fehlten. Menschen, die eine Suizidabsicht eindringlich äußern würden, fänden sich oft direkt auf der geschlossenen Station wieder – gemeinsam mit schweren Psychotikern – was meist auch nicht zur Genesung beiträgt.
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Der Tod von Mouhamed D. ist nicht mehr rückgängig zu machen. Neben der strafrechtlichen Aufklärung durch die Justiz, ob der Einsatz rechtmäßig war, muss NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) den Fall zum Anlass nehmen, um die Situation in den psychiatrischen Einrichtungen des Landes kritisch unter die Lupe zu nehmen. Die Zahl der Menschen mit mentalen Problemen, die zu lange auf Behandlung warten, steigt stetig an. Die Politik darf dabei nicht länger achselzuckend zusehen.