25 Beamte mit „gezogener Waffe“ hätten das Zimmer der bekannten Aktivistin Carla Hinrichs gestürmt, berichtet die „Letzte Generation“
Stellungnahme veröffentlichtBundesweite Razzia gegen „Letzte Generation“ – Generalstaatsanwaltschaft München räumt Fehler ein
In sieben Bundesländern haben Polizisten am Mittwochvormittag Wohnungen von Mitgliedern der „Letzten Generation“ durchsucht. Zuvor hatte bereits der „Spiegel“ darüber berichtet. Festnahmen habe es zunächst nicht gegeben, die Webseite der Aktivisten wurde unterdessen beschlagnahmt und abgeschaltet.
Nancy Faeser: „Rechtsstaat lässt sich nicht auf der Nase herumtanzen“
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verteidigte die Razzia gegen die Klimaschutzgruppe am Mittwochnachmittag. „Die heutigen Maßnahmen zeigen, dass der Rechtsstaat sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt. Polizei und Justiz nehmen Straftaten nicht hin, sondern handeln – so wie es ihre Pflicht ist“, sagte Faeser am Mittwoch der Funke-Mediengruppe.
Legitimer Protest ende immer da, wo Straftaten begangen und andere Menschen in ihren Rechten verletzt würden. „Wenn diese rote Linie überschritten ist, dann muss die Polizei handeln“, sagte die SPD-Politikerin.
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„Letzte Generation“: Hausdurchsuchungen bei Klimaaktivisten
Die Razzien stehen im Kontext eines Ermittlungsverfahrens in Bayern, das die Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München führt.
Die Staatsanwaltschaft geht dem Vorwurf nach, dass insgesamt sieben Beschuldigte im Alter von 22 bis 38 Jahren eine kriminelle Vereinigung im Sinne des Paragrafen 129 StGB gebildet und unterstützt haben sollen. Die Ermittlungen liegen beim bayrischen Landeskriminalamt.
Fehler der Generalstaatsanwaltschaft München: Nur Anfangsverdacht für eine kriminelle Vereinigung
Ein entsprechender Hinweis wurde auch auf der Webseite der Letzten Generation angezeigt: „Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB dar!“ Das bayrische Landeskriminalamt hatte eine Umleitung auf eine Webseite der Polizei Bayern eingerichtet.
Diese Formulierung ist so allerdings nicht richtig, denn es besteht nur der Anfangsverdacht, dass die Klimaschutzgruppe eine kriminelle Vereinigung sein könnte. Diesen Fehler räumte auch die Generalstaatsanwaltschaft München ein, wie „NDR Recherche“ auf Twitter berichtet.
Ähnlich äußerte sich auch Maximilian Kall, Sprecher des Bundesinnenministeriums, auf der Bundespressekonferenz am Mittwoch auf Nachfrage des Journalisten Tilo Jung (Jung & Naiv): „Die Frage, ob eine Vereinigung eine kriminelle Vereinigung ist, […] treffen Gerichte“. Die Ermittlungsverfahren werden lediglich von den Staatsanwaltschaften geführt, die Polizeibehörden führt die von ihnen angeordneten Maßnahmen nur aus – die juristische Bewertung obliegt den Gerichten, so Kall.
Razzia gegen „Letzte Generation“: Beamte durchsuchen 15 Objekte
Beamte durchsuchten am Mittwoch insgesamt 15 Objekte, keines davon in Nordrhein-Westfalen. In Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein kam es den Angaben zufolge aber zu Durchsuchungen.
Die Ermittler legen den Beschuldigten offenbar zur Last, über eine Spendenkampagne insgesamt 1,4 Millionen Euro eingetrieben zu haben. Diese habe die „Letzte Generation“ überwiegend zum Begehen von Straftaten und zum Bezahlen von Geldstrafen verwendet, hießt es.
„Letzte Generation“: 1,4 Millionen Euro eingetrieben – und für Straftaten verwendet?
Es sind nicht die einzigen Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft gegenüber den Aktivisten erhebt. Zwei Beschuldigte sollen laut „Spiegel“ versucht haben, die Öl-Pipeline zwischen Triest und Ingolstadt zu sabotieren, die als kritische Infrastruktur gilt.
Ziel der Razzien sei es gewesen, Erkenntnisse über die Struktur und die Finanzierung der „Letzten Generation“ zu gewinnen, heißt es beim Hamburger Nachrichtenmagazin.
„Letzte Generation“ kommentiert Razzia: „Völlig bekloppt“
Die Klimaaktivisten äußerten sich am Mittwoch zunächst lediglich auf Twitter. „Lobbystrukturen durchsuchen und fossile Gelder der Regierung beschlagnahmen – Wann?“, fragte die „Letzte Generation“ in einem Tweet. Die bundesweite Razzia sei „völlig bekloppt“, hängten die Aktivisten an und nutzten damit ein Zitat von Olaf Scholz (SPD). Der Bundeskanzler hatte die Proteste der Gruppe zu Wochenbeginn als „völlig bekloppt“ bezeichnet.
Am Nachmittag verschickten die Aktivisten schließlich eine ausführliche Stellungnahme zu den Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft in Bayern. Angesichts der Hausdurchsuchungen zeigte man sich „getroffen“.
Bei der bekannten Aktivistin Carla Hinrichs sei laut Angaben der „Letzten Generation“ am Morgen die Wohnungstür von über 25 Polizisten aufgebrochen worden. Die Beamten seien „mit gezogener Waffe“ in das Zimmer Hinrichs gestürmt, die zu diesem Zeitpunkt noch im Bett gelegen habe.
„Letzte Generation“ schildert Durchsuchungen: „Mit gezogener Waffe“
„Das alles macht uns Angst“, erklärten die Aktivisten. „Aber wir können es uns nicht erlauben, in dieser Angst zu verharren“, hieß es weiter. Die Bundesregierung führe „uns in eine Klimahölle“, schrieben sie außerdem in ihrer Stellungnahme. „Deshalb werden wir den Protest auf das ganze Land ausweiten“, kündigte die Gruppe an.
Außerdem rufen die Aktivisten zu einem Protestmarsch am nächsten Mittwoch auf – „in einer Stadt in ihrer Nähe“. Bereits um 17 Uhr finde heute eine Protestaktion in Berlin statt, erklärte die „Letzte Generation“ zudem. Am Dienstag hatten Aktivisten der Gruppe bereits das Willy-Brandt-Haus in Berlin mit Farbe beschmiert.
Seit Wochen gibt es Blockade-Aktionen in der Bundeshauptstadt, immer wieder haben sich Klimaaktivisten dabei auf die Fahrbahn oder an Autos geklebt und so den Verkehr in Berlin erheblich beeinträchtigt.
Die Razzien vom Mittwoch können unterdessen im Kontext der Debatten betrachtet werden, die in einigen Bundesländern zuletzt geführt wurden. In Berlin lässt die neue Justizsenatorin Felor Badenberg (parteilos) derzeit prüfen, ob es sich bei den Klimaaktivisten um eine kriminelle Vereinigung handele. Wenige Tage zuvor hatte die Berliner Staatsanwaltschaft allerdings mitgeteilt, dafür gebe es keine Anhaltspunkte.