Berlin – Die scheidende Kanzlerin Angela Merkel hat sich nach mehr als 30 Jahren im Bundestag von der Unionsfraktion verabschiedet. Sie werde ja nicht verschwinden, sondern ziehe in „Margot Honeckers Büro“ in der Straße Unter den Linden ein - wo auch Helmut Kohls Büro als Altkanzler gewesen sei, berichtete Merkel nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Teilnehmerkreisen am Dienstag in einer Videoschalte der Unionsfraktion, zu der sie dazu geschaltet war.
Das bekannte Bild von Konrad Adenauer sei schon aus ihrem Büro ausgezogen. Die Ehefrau des damaligen DDR-Staats- und Parteichefs Erich Honecker hatte in der DDR Unter den Linden residiert.
Angela Merkel richtet Appell an CDU und betont Klimaschutz
Merkel, die seit 1990 Bundestagsabgeordnete war, wurde mit den Worten zitiert: „Ich habe mir die Krisen nicht ausgedacht und in die Fraktion mitgebracht.“ Die Krisen würden auch bleiben, „wenn ich nicht mehr Kanzlerin bin“. Die CDU müsse sich weiterhin um die großen Zukunftsaufgaben wie den Klimaschutz kümmern.
Sie werde für Fragen zur Verfügung stehen, aber öffentlich keinen Rat geben. „Seid klug“, sagte Merkel demnach mit einem optimistischen Blick auf die Oppositionsarbeit zu den Abgeordneten von CDU und CSU. Sie freue sich, wenn man sich im Frühjahr sehe und den Abschied feiern könne.
Neben dem Adenauer-Bild sei auch eine „Dame“-Schachfigur aus ihrem Büro im Kanzleramt bereits ins „Honecker-Büro“ umgezogen, berichtete Merkel nach diesen Angaben weiter. Merkel hatte in ihrem Kanzlerinnenbüro große Schachfiguren aus Holz stehen - das seien Geschenke vom Verband der Waldbesitzer gewesen, die jedes Jahr eine neue Figur mitgebracht hätten, sagte sie. Die anderen Schachfiguren würden eingelagert.
Ralph Brinkhaus: „Angela Merkel hat eine Epoche geprägt“
Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) hatte Merkel vor der Sitzung auch öffentlich für ihre 16 Jahre als Regierungschefin gewürdigt. Merkel „hat eine Epoche geprägt. Sie steht damit in einer Reihe mit Konrad Adenauer und Helmut Kohl“, sagte er.
Es sei zwar die letzte offizielle Fraktionssitzung der Kanzlerin gewesen - nicht aber der Abschied. Der werde im Frühjahr ausgiebig nachgeholt, wenn man nicht wie jetzt wegen der Corona-Pandemie Masken tragen müsse.
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Merkel habe einen weltweit höchst anerkannten Stil geprägt, der nicht darauf angelegt gewesen sei, dass es Sieger und Verlierer gebe, sondern darauf, dass beide Seiten aufrecht aus den Verhandlungen gehen könnten, sagte Brinkhaus. Dieses Verbindende habe der Welt und insbesondere Europa in den vergangenen 16 Jahren gut getan.
Abschied für Peter Altmaier und Dank an Merkel
Brinkhaus verabschiedete auch den geschäftsführenden Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Dieser sei zwar an der einen oder anderen Stelle kritisiert worden, habe aber in vielen Funktionen und insbesondere als Chef des Kanzleramts Unglaubliches geleistet. Der Saarländer sei ein unglaublich beliebter und kollegialer Kollege gewesen. Altmaier hatte zugunsten eines jüngeren Parlamentariers auf sein Mandat verzichtet.
Der Start der Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP an diesem Mittwoch sei ein Neuanfang, sagte Brinkhaus. „Wir wünschen der neuen Bundesregierung wirklich von Herzen alles Gute. Wir wünschen, dass sie erfolgreich und gut für das Land ist.“ Es gehe darum, dass Politik gut für das Land sei und nicht darum, wer es mache. Die Unionsfraktion werde die Regierung kritisch begleiten, aber nicht das Haar in der Suppe suchen.
Fußball-Weltmeister von 2014 verabschieden Merkel
Am letzten Arbeitstag von Angela Merkel nimmt auch die Welt des Sports Abschied von der langjährigen Bundeskanzlerin. Allen voran die Weltmeister von 2014 erinnern sich an gemeinsame Zeiten mit der CDU-Politikerin. „Ich vermute, dass wir Sie noch sehr vermissen könnten“, schreibt Bastian Schweinsteiger an Merkel in der Bild-Zeitung.
Die zweimalige Eiskunstlauf-Olympiasiegerin Katarina Witt zollt Merkel ihre „ehrliche Hochachtung für alles, was Sie für unser Land leisteten“. Die Kanzlerin sei stets ein „verlässlicher Fels in der weltpolitischen Brandung“ gewesen, „fleißig und unermüdlich“.
Via Instagram bedankten sich in Sami Khedira und Jerome Boateng weitere Rio-Champions. „Wir konnten immer auf Ihre Unterstützung zählen“, schreibt Khedira, Merkel sei den Fußballprofis „immer auf Augenhöhe begegnet“.
Ihr Kabinenbesuch nach dem WM-Finale sei „unvergessen“, ergänzt Boateng und lobt, Merkel sei immer für ihre „Werte eingestanden. Menschlichkeit spielte dabei eine große Rolle.“Alle hoffen, dass der Kontakt zur Politik-„Rentnerin“ erhalten bleibt. „Vielleicht“, schreibt Schweinsteiger, „sehen wir uns im nächsten Jahr wieder auf einen Ingwertee in Berlin.“ (dpa/sid/mab)