Der Besuch von Angela Merkel in Düsseldorf und Essen hat hohe politische Wellen geschlagen. Das Lob der Kanzlerin für ihren Parteifreund, NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), wurde von Beobachtern als „Ritterschlag“ für die Kanzlerschaft interpretiert. Welche Bedeutung hat Merkels Positionierung für das Rennen um den Chefsessel im Kanzleramt? Was bedeutet die Ausrufung von Olaf Scholz als Kanzlerkandidat der SPD für Laschet? Und wie stehen derweil die Chancen von CSU-Chef Markus Söder?
Politikwissenschaftler sehen Laschet derzeit als Favoriten im Wettkampf um die Merkel-Nachfolge. „Merkel hat bei ihrem NRW-Besuch sehr deutlich gemacht, dass sie Laschet am liebsten als ihren Nachfolger sehen würde“, sagt Oskar Niedermeyer, Parteienforscher an der FU Berlin, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Diese Präferenz sei zwar parteiintern nichts Neues. „Sie hilft Laschet aber insofern, als die innerparteiliche Kritik an Merkel in der Corona-Krise so gut wie verstummt ist und Merkels Wort wieder mehr Gewicht hat.“ Das Lob der Chefin sei wichtig für Laschet.
Söder und Merz parteiintern die besseren Kandidaten?
Dieser sei immer noch in einer schwierigen Lage, weil Söder – trotz der Probleme mit Corona-Tests in Bayern – und auch Mitbewerber Friedrich Merz in der Bevölkerung insgesamt und unter den CDU-Anhängern immer noch als die besseren Kandidaten angesehen würden, sagt Niedermeyer.
Thomas Jäger, Inhaber des Lehrstuhls für Internationale Politik und Außenpolitik an der Universität zu Köln, sieht Laschets Ausgangslage ähnlich. „In der CDU hilft Lob von Merkel immer. Was die Kanzlerkandidatur angeht, so scheint der Durchmarsch von Markus Söder zumindest zeitweise abgelenkt zu sein“, sagt der Politologe. Merz und Norbert Röttgen, die sich ebenfalls um den CDU-Vorsitz bewerben, seien in der Corona-Krise abgemeldet gewesen. „Die wirtschaftliche und epidemische Lage stabilisiert die Exekutive. Da kämpfen die beiden anderen Kandidaten auf verlorenem Posten.“
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Wie schwer der Wahlkampf für die Union werde, hänge davon ab, welches Image von SPD-Kandidat Olaf Scholz sich durchsetzen werde. Die G20-Krawalle in Hamburg und die Wirecard-Insolvenz böten eine breite Angriffsfläche. Sollte sich Scholz aber als ein legitimer Nachfolger Helmut Schmidts darstellen können, dessen staatsmännischer Habitus auch vielen Unionsanhängern gefiel, dann werde es für die CDU/CSU „knifflig“.
Der Bonner Politologe Volker Kronenberg hält Laschet für den „Mann der Stunde“ in der CDU. „Er führt das größte Bundesland ziemlich erfolgreich durch die historische Krise, auch wenn Bilder von schief aufgesetzten Masken zum Teil einen anderen Eindruck vermitteln sollen“, so der Professor. Laschet stehe dafür, dass Merkels Kurs der Mitte fortgesetzt werde. Das Lob Merkels, mit dem sie Laschet für kanzlertauglich erklärte, „war ein Signal an die Partei. Merkel weiß genau, dass ihr Wort immer Gewicht hat. Da passieren keine Zufälle.“
Scholz’ Kandidatur könnte zum Problem werden
Allerdings könne Scholz’ Kandidatur zum Problem werden, findet auch Kronenberg. Der Hamburger sei der denkbar unangenehmste Gegner für Laschet. „Beide wollen die Wahlen in der Mitte gewinnen und sind anschlussfähig für mögliche Partner. Ich gehe davon aus, dass FDP-Chef Christian Lindner zu einer Koalition mit Scholz bereit wäre“, erklärt Kronenberg. Es liege jedoch „in der DNA der SPD, ihre Kanzlerkandidaten in quälenden Flügeldebatten zu verschleißen“. Kronenberg ist sich sicher, dass die CDU-Delegierten bei der Wahl ihres neuen Parteichefs abwägen werden, wer die besten Chancen hat, auch Kanzler zu werden. Mit Merz stünde ein polarisierender Wahlkampf bevor. Es wäre für die CDU fatal, wenn sich Merkel-Wähler in der Mitte der Gesellschaft eher hinter Scholz sammelten, analysiert Kronenberg.
Es könnte aber auch alles ganz anders kommen, gibt Martin Florack von der Uni Duisburg-Essen zu bedenken: Noch sei ja gar nicht sicher, ob der CDU-Parteitag im Dezember überhaupt stattfinden könne. Dann käme Noch-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer wohl „die entscheidende Rolle als Königsmacherin zu“, glaubt Florack. Angesichts ihrer guten Umfragewerte werde AKK sich ärgern, dass sie die Flinte „vorzeitig ins Korn geworfen“ habe. Fiele der Parteitag aus, könnten die Kanzlerkandidatur doch noch auf Söder zulaufen.