MissbrauchEvangelische Aufarbeitung mit Fehlstart

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Brustkreuz auf der Robe eines evangelischen Würdenträgers

Brustkreuz auf der Robe eines evangelischen Würdenträgers (Symbolbild)

Die evangelischen Landeskirchen und die Diakonie in NRW setzen eine Unabhängige Kommission zur Aufarbeitung von Missbrauch ein.

Gesetzt den Fall, eine Bank wollte einen Korruptionsskandal in den eigenen Reihen von externen Sachverständigen aufarbeiten lassen. Dazu richtet sie eine Kommission ein, deren Geschäftsführer vom Bankdirektor eingestellt wird, in der Zentrale des Geldinstituts sein Büro hat und dem Bankdirektor arbeitsrechtlich unterstellt ist. Es bedarf keiner besonderen Fantasie, um sich vorzustellen, für wie unabhängig die Arbeit der Kommission als Ganzes gehalten würde.

Schwerer schon fällt die Vorstellung, wie die Bank auf die Idee einer solchen Konstruktion kommen könnte, wenn ihr doch – nach eigenem Beteuern – an nichts so sehr gelegen ist wie an der Unabhängigkeit.

Wieder einmal fasst man sich an den Kopf

In dem scheinbar fiktiven Szenario muss man nur das Wort „Korruption“ durch „Missbrauch“ ersetzen sowie „Bank“ durch die evangelischen Landeskirchen und die Diakonie in Nordrhein-Westfalen, und schon ist man bei der höchst realen Konstruktion der geplanten „Unabhängigen Regionalen Aufarbeitungskommission“ angelangt.

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Wieder einmal fasst man sich an den Kopf angesichts einer solchen – ja, was eigentlich? Ist es die Unbedarftheit der Verantwortlichen? Die Selbstgewissheit, es doch nur gut zu meinen und ohne jeden Zweifel – gottgegeben, sozusagen – auf der guten Seite der Macht zu stehen? Oder ist die schon mehrfach demonstrierte Unfähigkeit der evangelischen Kirche, aus den Fehlern zu lernen, die auf katholischer Seite begangen wurden?

Jeder Verdacht von Verflechtung schadet der Glaubwürdigkeit

Alles, was auch nur den Verdacht von Verflechtung und Einflussmöglichkeiten seitens der Organisation erweckt, aus der die Täter und die Vertuscher von Missbrauch kamen, schadet der Reputation und der Glaubwürdigkeit, ohne die Aufarbeitung kaum etwas wert ist. Vor allem aber müssen die Missbrauchsopfer das größtmögliche Vertrauen haben, dass ein angeblich in ihrem Interesse geschaffenes Gremium auch wirklich ihre Belange wahrnimmt.

Was andernfalls passiert, dafür ist das bis heute nicht behobene Scheitern der Unabhängigen Aufarbeitungskommission im Erzbistum Köln ein unschönes Lehrstück.

Das alles liegt so sehr auf der Hand, dass die Erklärung von Diakonie-Chefin Kirsten Schwenke, die Kommissionsgeschäftsführung sei doch bloß eine Orga-Einheit, mehr Fragen aufwirft als beantwortet. Und statt eines überzeugenden Antritts legt die evangelische Kirche in NRW einen Fehlstart hin.

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