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Kommentar

Unionsanträge
Mit AfD-Stimmen – Der Preis ist zu hoch für die Demokratie

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Members of the far-right Alternative for Germany (AfD) party including AfD co-leaders Alice Weidel (2ndR) and Tino Chrupalla (2ndL) take a group picture with a mobile phone as they celebrate after a vote during a session at the Bundestag, lower house of parliament, on January 29, 2025 in Berlin. (Photo by John MACDOUGALL / AFP)

Die AfD-Fraktion feiert im Bundestag, nachdem der Unionsantrag zur Migration mit ihren Stimmen erfolgreich war.

Es gibt keinen Grund, gegen Friedrich Merz die Nazi-Keule zu schwingen. Aber das Vorgehen der Union war falsch.

Es hätte für die Union eine Reihe von Möglichkeiten gegeben, beim Thema Migration ein klares Zeichen zu setzen. Nur eigene, in Teilen juristisch umstrittene, Maßnahmen auf die Tagesordnung zu setzen, ohne Bereitschaft zum Gespräch oder zum Kompromiss - das funktioniert nicht in einer parlamentarischen Demokratie. Das sollte eine Partei wissen, die den Kanzler stellen möchte.

Aus den Anträgen werden keine Verbesserungen in der Praxis folgen

Erschwerend kommt hinzu, dass den Anträgen der Union an diesem Mittwoch und der Gesetzeseinbringung am Freitag keine unmittelbaren Änderungen geschweige denn Verbesserungen in der Praxis folgen werden. Die Anträge mit oder ohne Mehrheit bleiben ohnehin in der Praxis wirkungslos. Das Zustrombegrenzungsgesetz, das die Union am Freitag im Bundestag abstimmen lassen will, braucht auch die Zustimmung des Bundesrats, die wegen der Regierungsbeteiligungen von SPD und Grünen in den Ländern nicht in Sicht ist.

Die Anträge der Union dienen also vor allem dazu, das eigene Profil zu schärfen. Dafür ist der Preis zu hoch, dass man einen Schulterschluss mit der AfD in Kauf nimmt. Für die Bewältigung der tatsächlichen Probleme ist nichts gewonnen, während die AfD einen politischen Sieg und einen Schritt hin zur Normalisierung in der politischen Landschaft feiern kann. Freilich ohne dabei „normal“ im Sinne von demokratisch verlässlich zu werden. Sollte die AfD in Deutschland eines Tages an die Macht kommen, wird man sich an diesen Januartag 2025 erinnern und sagen: Da hat es angefangen.

Das Verhalten von Friedrich Merz ist verstörend

Friedrich Merz ist ein konservativer Demokrat, dem man glauben kann, dass er mit der AfD nichts zu tun haben möchte. Es gibt trotz seines Vorgehens in dieser Woche keinen Grund, gegen ihn die Nazi-Keule zu schwingen. Aber: Er ist auch der Kanzlerkandidat, der im November im Bundestag noch vollmundig versprochen hat, auch keine Zufallsmehrheiten mit der AfD provozieren zu wollen und im Januar das Gegenteil tut. Das ist verstörend und kostet die Union Vertrauen. Zu denken geben sollte der Union, dass auch die beiden großen Kirchen aus guten Gründen ausdrücklich vor jeglicher Zusammenarbeit mit der extremen Rechten warnen – auch vor gemeinsamen Mehrheiten, die ohne direkte Zusammenarbeit zustande kommen.

SPD und Grüne haben sich im Bundestag nachvollziehbar über das Vorgehen der Union empört. Kanzler Olaf Scholz legte in seiner Regierungserklärung den Finger für die Union schmerzhaft in die Wunde. Merz konterte emotional, er könne die Zahl der tödlichen Attacken in Deutschland nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren und grenzte sich erneut in scharfen Worten von der AfD ab.

Während SPD und Grüne mit dem Finger auf die Union zeigen, unterschlagen sie, dass sie selbst insbesondere beim Thema Migration das Vertrauen der Bevölkerung verloren haben. Der Druck, der sich an diesem Mittwoch in der Debatte und in den chaotischen Versuchen der Mehrheitsbildung im Parlament entlädt, kommt direkt aus der Bevölkerung.

Es ist zu lange zu wenig geschehen, um die ungeregelte Zuwanderung und ihre in Teilen dramatischen Folgen zu begrenzen. Wobei in den hitzigen Auseinandersetzungen des Wahlkampfs um neue Gesetze vergessen wird, dass wir in Deutschland vor allem ein Defizit beim Vollzug der geltenden Regeln haben – in Bund, Ländern und Kommunen.