Düsseldorf – Die Bilder, die vom Besuch der Bundeskanzlerin in Düsseldorf und Essen versendet werden, sind anders als die, die vor gut einem Monat in Bayern aufgenommen wurden. Mitte Juli hatte Angela Merkel den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder in Schloss Herrenchiemsee getroffen. Fotos von einer Kutschfahrt und einer gemeinsamen Bootstour vor dem Alpenpanorama fanden viel Beachtung. Ganz anders das Setting bei der NRW-Visite. „Hömma, schön dass Du das bist“, war auf einem Graffiti an der Zeche Zollverein zu lesen.
Prunk und Repräsentation steht für Bayern. Aber die Arbeit wird in NRW verrichtet. So lautete die Botschaft, die die NRW-Landesregierung beim Merkel-Besuch in Düsseldorf und Essen in Szene setzen wollte. Der Plan ist aufgegangen. „Ich kann mich über Kutschfahrten freuen“, sagte Merkel auf die Frage, ob sie sich in NRW auch gut willkommen geheißen fühle. Das gelte aber genauso für „Kabinettsitzungen an historischer Stelle“.
Merkel-Besuch: Braunkohlegegner mit Protesten
Weil die Düsseldorfer Staatskanzlei derzeit umgebaut wird, fand die Kabinettssitzung mit der Kanzlerin im Düsseldorfer Ständehaus statt. Das frühere Landtagsgebäude am Düsseldorfer Kaiserteich wird jetzt als Museum genutzt. Das historische Gebäude lieferte einen würdigen, aber bescheidenen Rahmen für das Arbeitstreffen. Düsseldorf zeigte sich ungeschminkt: Als Merkel eintraf, machten Braunkohlegegner, die sich am anderen Ende des Ufers postiert hatten, lautstark auf sich aufmerksam: „Hopp, hopp, hopp, Kohlestopp“, riefen die Demonstranten, als der Tross der Bundeskanzlerin am Ständehaus vorfuhr.
Laschet und Merkel begrüßen sich dem Ellenbogen. Umarmungen und Händeschütteln sind Corona-Zeiten tabu. Nur kurz verweilen die beiden draußen, dann wir die Bundeskanzlerin in den improvisierten Kabinettssaal geführt. Jeder Minister hat einen Tisch mit Kaltgetränken und eigener Kaffeekanne. Merkel überreicht NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart ein Präsent zum 60. Geburtstag, dann müssen die Journalisten den Saal verlassen. Die gemeinsame Sitzung mit der Bundeskanzlerin dauert nur eine Stunde. Schließlich will man noch weiter zur Zeche Zollverein.
Günstiger Zeitpunkt für Armin Laschet
Der Termin für den Merkel-Besuch war schon seit geraumer Zeit vereinbart. Der Strukturwandel im Ruhrgebiet ist ein Thema, das Merkel in ihrer Amtszeit immer wieder beschäftigt hat. Nach der Bayern-Visite im Juli sickerte bereits durch, dass die Kanzlerin bald auch in NRW erscheinen würde. Dies sei aber kein Reflex auf die Söder-Inszenierung, hieß es.
Der Besuch in Düsseldorf kommt für Laschet allerdings unverhofft zu einem günstigen Zeitpunkt. Die CDU-Landesverbände Berlin und Hamburg haben sich überraschend dafür ausgesprochen, Söder als Kanzlerkandidaten vorzuschlagen. Im Landesvorstand der CDU löste der Vorstoß Besorgnis aus. „Wenn sich gewichtige Landesverbände wie Baden-Württemberg oder Hessen dem Plan anschließen würden, wird es eng für Armin“, sagte ein Teilnehmer nach der Vorstandssitzung am Montagabend.
Angela Merkel mit Lob für Armin Laschet
Bislang hatte sich die Bundeskanzlerin nicht zu ihrer Nachfolge geäußert. Unter dem Eindruck der sich verbreitenden Pro-Söder-Stimmung in der CDU springt Merkel nun dem Bewerber aus NRW um den Parteivorsitz beiseite. Als Ministerpräsident von NRW bringe Laschet „viele Qualifikationen mit sich“. Wenn man das größte Bundesland der Bundesrepublik Deutschland in einer Koalition effizient regiere, dann sei das „zumindest ein Rüstzeug, das durchaus Gewicht“ habe, sagt Merkel auf die Frage, ob sie Laschet für kanzlertauglich halte.
In diesem Moment huscht ein süffisantes Lächeln über das Gesicht des NRW-Ministerpräsidenten. Laschet weiß, dass das Wort von Merkel in der CDU in der Corona-Krise wieder an Gewicht gewonnen hat. Sie wünscht sich, dass ihr Kurs der Mitte von einem Nachfolger fortgesetzt wird. Laschet scheint ihr für diese Mission am ehesten geeignet zu sein.
Merkel und Laschet bei Corona-Strategie einig
Friedrich Merz, der sich ebenfalls um den Parteivorsitz bewirbt, hatte eine Abkehr vom „Weiter-So“ angekündigt und das Ziel ausgegeben, die Hälfte der CDU-Wähler zurückgewinnen zu wollen. Merz und Außenexperte Norbert Röttgen, der sich ebenfalls um den CDU-Vorsitz bewirbt, konnten sich in der Corona-Krise allerdings nur wenig gehört verschaffen, weil sie – anders als Söder und Laschet – keine Regierungsämter bekleiden.
Der Umgang mit der Corona-Krise war ein wichtiges Thema bei den Gesprächen mit der Kanzlerin. Von den 225.000 gemeldeten Corona-Fällen kommen 55.000 aus NRW. Hier sind 307 Fälle je 100.000 Einwohner registriert. In Bayern sind es 407. Nur zwei der zehn am meisten betroffen Kreise in Deutschland liegen in NRW, alle anderen acht sind in Bayern. Bei einem Bevölkerungsanteil von 21,6 Prozent liegt die Zahl der Todesfälle in NRW bei 19,3 Prozent.
Bei der Corona-Strategie zeigten sich Laschet und Merkel einig. Weitere Lockerungen könne es nur geben, wenn die Fallzahlen sinken würden. Sollte es zu künftigen Einschränkungen kommen, dürften diese nicht zuerst Schulen und Kitas betreffen. Ausdrücklich lobte Merkel den Vorstoß von NRW, auch in den Schulen eine Maskenpflicht einzuführen. „Ich bin da sehr dankbar, wenn Bußgelder verhängt werden auch für das Nichttragen von Masken oder ähnlichem. Das sind nicht einfach so Bagatelldelikte, sondern das sind immer wieder auch Gefährdungen der Mitmenschen“, so die Bundeskanzlerin.
Kritik von der Opposition wegen Merkel-Besuch
Die Opposition im Düsseldorfer Landtag kritisierte den Besuch. „Nachdem Frau Merkel dem bayerischen Ministerpräsidenten märchenhafte Bilder beschert hat, kam Armin Laschet offenbar in Zugzwang. Für den innerparteilichen Wahlkampf hat er also die sogenannte Ruhr-Konferenz wieder aus der Versenkung geholt“, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty. Ohne eine Lösung des Altschulden-Problems werde das Revier aber nichts von der Visite haben.
Laschet rechnet indessen weiterhin damit, dass es im Ringen um den CDU-Vorsitz zu einer Kampfkandidatur auf dem Anfang Dezember geplanten Parteitag in Stuttgart kommt. „Dass ich immer für eine Teamlösung war, dass ein Team geschlossen in einen Wahlkampf gehen kann, ist offenkundig“, sagte der Ministerpräsident den Journalisten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sei bereit gewesen, in dieses Team hineinzugehen: „Im Moment gibt es keinen Anlass, zu glauben, dass sich das Team noch vergrößern könnte.“