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Was steht im neuen Braunkohlenplan?Strukturwandel im Tagebau Hambach: Umweltverbände fühlen sich übergangen

Lesezeit 4 Minuten
Niederzier: Wildpferde entdecken nach ihrer Auswilderung ihren neuen Lebensraum auf der durch Tagebauabraum entstandene Sophienhöhe am Tagebau Hambach. Die Pferde werden in einem abgesteckten Bereich gehalten, das Grasland beweiden und Artenvielfalt in der Rekultivierung des Tagebaus Hambach weiter erhöhen.

Seit einer Woche entdecken Wildpferde nach der Auswilderung ihren neuen Lebensraum auf der durch Tagebau-Abraum entstandenen Sophienhöhe am Tagebau Hambach. Sie sollen das Grasland beweiden.

Eine Koordinierungsgruppe soll die Projekte im Strukturwandel der Region um den Tagebau Hambach begleiten und kontrollieren. Die Umweltverbände sind nicht vertreten.

Der vorzeitige Ausstieg des größten deutschen Tagebaus aus der Braunkohleförderung Ende 2029 ist jetzt auch formal besiegelt. Der Braunkohlenausschuss der Bezirksregierung Köln hat in der vergangenen Woche den neuen Braunkohlenplan Hambach bei Enthaltung der Grünen verabschiedet. Die NRW-Umweltverbände lehnen ihn ab. Für den Tagebau Garzweiler II steht die Änderung des Braunkohlenplans noch aus. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Was wird in einem Braunkohlenplan geregelt?

In ihm werden die Rahmenbedingungen für den Abbau von Braunkohle in einer Region festgelegt, unter anderem die Größe des Abbaugebiets, die Dauer der Kohleförderung. Überdies geht es um die Frage, wer für die negativen Auswirkungen auf die Umwelt, die Umsiedlung von Ortschaften und die Verlegung von Straßen und Bahnlinien aufkommen muss.

Welche Folgen hat der um acht Jahre vorgezogene Kohleausstieg für den Tagebau Hambach?

Der neue Braunkohlenplan sieht eine deutliche Verkleinerung des Abbaugebiets von rund 8700 auf etwa 6700 Hektar vor. Das hat zur Folge, dass die Ortschaft Morschenich-Alt und der Hambacher Forst erhalten bleiben. In der Manheimer Bucht wurde die Sicherheitslinie zum Tagebaurand so verändert, dass auch die ehemalige Kirche in Manheim-Alt nicht mehr abgerissen werden muss. Die Neuland Hambach GmbH, die von den Anrainerkommunen Elsdorf, Jülich, Kerpen, Merzenich, Niederzier und Titz ins Leben gerufen wurde und sich um die Restrukturierung des Tagebaugebiets kümmert, hat ein umfassendes Leitbild zur Entwicklung der Tagebaulandschaft erarbeitet. Dessen Herzstück soll der Hambach See sein. Aus diesem Leitbild ist der Rahmenplan Hambach entstanden.

Eine Visualisierung zeigt den geplanten Hambach See, im Hintergrund ist ein Kohlebagger zu sehen.

So soll die Zukunft des Tagebaus Hambach aussehen. Der Kohlebagger am neuen Hambach See erinnert an das Zeitalter fossiler Brennstoffe.

Wie verbindlich ist diese Planung?

Immerhin so verbindlich, dass etliche darin enthaltene Vorschläge wie die möglichst schnelle Nutzung des Hambach Sees in den neuen Braunkohlenplan übernommen wurden. Aus Sicht von Boris Linden, Geschäftsführer der Neuland GmbH, ist das ein großer Erfolg. „Ein Planverfahren kann normalerweise zehn Jahre oder länger dauern. Dass wir jetzt innerhalb von nur drei Jahren einen neuen Braunkohlenplan vorlegen konnten, zeigt, dass alle Akteure vor Ort sehr ernsthaft den vorgezogenen Kohleausstieg ermöglicht haben. Viele unserer im Rahmenplan Hambach beschriebenen Ziele wurden nahezu wörtlich übernommen.“

Diese Euphorie teilen nicht alle. Umwelt- und Naturschutzverbände sehen den neuen Braunkohlenplan sehr kritisch und haben nicht zugestimmt. Warum?

Sie kritisieren, dass „der Fokus überwiegend auf wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeiten“ liege, heißt es in einer gemeinsamen Stellungnahme des BUND-Landesverbands, der Landesgemeinschaft Naturschutz und Umwelt sowie des NABU. Weder seien ausreichend Flächen für einen Biotopverbund reserviert noch sei zu erkennen, „dass die von der Landesregierung angestrebte Waldvernetzung und der Ökosystemverbund“ sichergestellt sind.

Die von der RWE Power AG geschaffenen Artenschutzflächen müssten erhalten bleiben. Stattdessen sehe der Braunkohlenplan vor, sie zum Teil in landwirtschaftliche Flächen umzuwandeln. Auch den geplanten Tagebausee sehen die Umweltverbände kritisch. Die geplante jahrzehntelange Befüllung mit Wasser aus dem Rhein ist aus ihrer Sicht nicht auf die Folgen für die Umwelt überprüft worden. Auch gebe es keine klaren Qualitätsvorgaben für das Rheinwasser. Ihr Fazit ist ernüchternd: „Das Ziel, nach Tagebauende dauerhaft ökologisch stabile Räume zur Anpassung an die unvermeidbaren Folgen des Klimawandels zu schaffen, wird mit diesem Braunkohlenplan verfehlt.“

Wie lässt sich dieser Interessenkonflikt lösen?

Der Braunkohlenausschuss hat beschlossen, eine Koordinierungsgruppe einzurichten, um die Umsetzung der im Braunkohlenplan und im Rahmenplan der Neuland Hambach GmbH angelegten Projekte in den weiteren Plan- und Zulassungsverfahren zu begleiten und deren Fortschritt zu überwachen. Der Braunkohlenplan sei gut durchdacht, so Andreas Heller, Bürgermeister der Stadt Elsdorf und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Neuland GmbH. „Die jetzt beschlossene Einrichtung eines Koordinierungsgremiums aus Vertretern aller beteiligten Akteure gibt uns den notwendigen Rückhalt für die nächsten Planungsschritte und zeigt den Willen zur Zusammenarbeit aller Beteiligten.“

Dann sitzen die Umweltverbände ja mit am Tisch und können Einfluss nehmen, oder?

Nein. Die Gruppe besteht aus Vertretern der Bezirksregierungen Köln und Arnsberg. Letztere ist für alle Bergbaufragen in ganz NRW zuständig. Hinzu kommt das NRW-Wirtschaftsministerium, die Neuland Hambach GmbH, der Energiekonzern RWE Power und der Vorsitzende des Arbeitskreises Hambach. Die Umweltverbände sind nicht vertreten.

„Von einer Koordinierungsgruppe weiß ich nichts“, sagt Jutta Schnütgen-Weber, Vertreterin der Naturschutzverbände im Braunkohlenausschuss. „Wir haben vorher nichts von der Einrichtung eines solchen Gremiums erfahren und sind dort auch nicht vertreten. Das kritisiere ich ausdrücklich.“

Was ist eigentlich mit dem Tagebau Garzweiler II? Für den gilt doch auch das Ausstiegsdatum 2030?

Ja. In der Einigung des Landes NRW, des Bundes und der RWE AG vom 4. Oktober 2022 über den vorzeitigen Ausstieg 2030 und der folgenden fünften Leitentscheidung der Landesregierung zur Braunkohle vom September 2023 ist festgeschrieben, dass die noch zu gewinnende Kohlemenge auf 280 Millionen Tonnen halbiert wird. Die Dörfer Kuckum, Keyenberg, Ober- und Unterwestrich sowie Berverath bleiben erhalten. Die Änderung des Braunkohlenplans für Garzweiler II steht jedoch noch aus.