Der Landtag habe mit seinem Foto „Greenwashing“ betreiben wollen, sagte der zweifache Großvater vor Gericht.
Vorfall im Düsseldorfer LandtagKlimaaktivist steht wegen Kartoffelbrei-Attacke auf sein eigenes Foto vor Gericht
Es ist ein kurioser Prozess, den Richter Timo Gehrling am Mittwochmorgen im Amtsgericht Düsseldorf zu führen hat: Der Klima-Aktivist Winfried Bernhard (58) ist wegen Sachbeschädigung angeklagt. Er soll ein Foto im Düsseldorfer Landtag mit besagtem Kartoffelbrei beschmiert haben.
Ob das Bild dadurch tatsächlich beschädigt wurde, kann am ersten Verhandlungstag noch nicht geklärt werden. Aber: Der Rechtsstaat lernt einen Mann kennen, der eine späte Berufung gefunden hat – den Kampf gegen die Erderwärmung.
Winfried Bernhard hat ein abgegriffenes Protestplakat mit ins Gericht gebracht. Es zeigt das Foto aus dem Landtag, das wiederum ihn selbst zeigt: Wie er im Tagebau Garzweiler vor einem riesigen Braunkohlebagger kniet und die Arme ausbreitet, als wolle er den Stahlgiganten beschwören. Eine Krefelder Fotografin hielt die Szene fest, gewann den Wettbewerb „Pressefoto des Jahres“. So landete das Bild im Landtags-Foyer.
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Staatsanwaltschaft fordert Zahlung von 200 Euro an BUND
Bernhard – gerade aus dem geräumten Lützerath zurück – passte das gar nicht. „Greenwashing“ habe der Landtag mit dem Foto betreiben wollen, so der Aktivist vor Gericht. Tatsächlich sei die Politik doch schuld am Klimawandel. Daher habe er die Kartoffelbrei-Attacke als Kunstaktion gestartet („wie Hundertwasser, Beuys oder Banksy“). Die Rechte am Foto lägen bei ihm, das Foto habe er wieder sauber gemacht und beschädigt worden sei es eh nicht.
Laut Anklage war der Druck aber „wellig“ geworden, der Landtag habe ein neues Foto produziert – für 61,76 Euro. Das Gericht hat zwei Zeugen geladen: Einen jungen Klima-Aktivisten, der die Aktion für Bernhard gefilmt hatte und eine Sicherheitsfrau. Die Aussagen sind konträr. Bernhard, der sich selbst vertritt und teilweise weit ausholt, muss vom Richter mehrfach ermahnt werden: „Haben Sie noch Fragen? Das sind die Dinger mit dem Fragezeichen…“
Als sehr harmlos empfindet der Richter nach eigenen Worten den Protest, er schlägt vor, die Sache ohne Auflagen einzustellen. Der junge Staatsanwalt bleibt hart: Bernhard solle 200 Euro an den Naturschutzverein BUND spenden. Das will der Aktivist aber nicht. Der Prozess wird in eine zweite Runde gehen. Das Entscheidende: Richter Gehrling will das Foto („wurde das asserviert?“) selbst sehen. Ist es wellig, „wäre das nicht so gut“, erklärt er Bernhard. Ist am Foto nichts dran, wäre der Kartoffelbrei-Mann fein raus. Ende November geht es weiter.
Bernhard hat diverse Verfahren am Laufen
Dass jetzt schon mal anderthalb Stunden in einem deutschen Gerichtssaal über die Konsistenz von Kartoffelbrei (Bernhard: „sehr fest, kaum breiig“) debattiert wurde und im Saal diverse Presseleute saßen, ist für den Aktivisten aus Neuss schon mal ein Erfolg. Auch bei der Aktion im Landtag sei es schließlich um „Medienwirksamkeit“ gegangen.
Tatsächlich hatte es Bernhard schon vorher in bestimmten Kreisen zu einer gewissen Berühmtheit gebracht: Von der Klimaaktivisten-Szene - er ist bei Extinction Rebellion, der Letzten Generation und Ende Gelände aktiv - über den Staatsschutz (eigene Akte) bis zur Justiz: Bernhard hatte und hat diverse Verfahren am Laufen. Immer vertritt er sich selbst.
Das ist manchmal erfolgreich. So wurde die Hausfriedensbruchs-Anklage nach der Aktion vor dem Riesen-Bagger wieder fallen gelassen. Das Kartoffelbrei-bedingte Hausverbot durch den Landtag wiederum wurde vom Verwaltungsgericht Düsseldorf mit einer elfseitigen Begründung bestätigt. Bernhard hat noch Frist, um sich dagegen zu wehren. Was er tun will.
Stur fürs Klima
Der zweifache Großvater erinnert an Don Quichotte. Statt dem klapprigen Pferd Rosinante hat Bernhard ein altes Nokia-Handy, sonst wenig. Keinen Kühlschrank, keinen Fernseher, kein Internet. „Ich lebe eher minimalistisch“, sagt er im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Sein Geld verdiene er mit Entrümpelungen, Flohmärkten, Altpapier: „Ich bringe die Dinge in den Kreislauf zurück. Das mag ich.“
Für das Thema Umwelt habe er sich schon immer interessiert, „aber so richtig aktiv wurde ich im superheißen Sommer 2018.“ Damals schloss er sich „Fridays for Future“ an, er kämpfte für den Hambacher Forst. Als die schwarz-grünen Koalitionsgespräche liefen, postierte sich Bernhard als Ein-Mann-Demo vor dem Tagungsort. Jeden Tag. Viele Verhandler waren genervt.
So auch die Sicherheitsfrau, die im Gericht als Zeugin vernommen wird. Am Ende will sie noch etwas sagen: „Sie haben immer weiter gemacht, als wir Sie schon angesprochen haben. So richtig stur!“ Bernhard scheint es als Kompliment zu verstehen – in seinem Kampf für das Klima.