Die afghanische Filiale des „Islamischen Staates“ ruft zu Anschlägen während der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland auf
Dschihad-PropagandaTerrorabwehr nimmt Aufrufe zu Anschlägen während EM sehr ernst
Eine Sprengstoffdrohne fliegt über ein Fußballstadion. Auf dem Bild ist übersetzt der Satz zu lesen: „Wenn sie Dich auf dem Boden einengen und unterdrücken, dann attackiere sie vom Himmel aus.“ In der neuesten Ausgabe des Magazins „Voice of Khorasan“ ruft die afghanische Filiale der Terror-Miliz „Islamischer Staat“ (ISPK) massiv zu Anschlägen während der kommenden Fußball-Europameisterschaft in Deutschland im Sommer auf. „Überfahren Sie die Ungläubigen (Kuffar) mit ihrem Auto.“ Jegliche Attacken sind demnach Pflicht - mit dem Messer, mit Gift oder „blasen Sie ihnen mit Kugeln das Gehirn heraus und zünden Sie ihre Häuser an.“
Die übliche islamistische Propaganda, möchte man meinen. Doch die hiesige Terrorabwehr „nimmt solche Aufrufe sehr ernst“. Zumal gerade der IS-Ableger vom Hindukusch seit 2019 gleich mehrere Terror-Zellen zentralasiatischer Fanatiker nach NRW geschickt hat, um hier ein Blutbad anzurichten. Unter anderem waren Drohnenangriffe geplant. Auch der Terroralarm am Kölner Dom rund um Weihnachten und Silvester, in dem ebenfalls Usbeken und Tadschiken des ISPK unter Verdacht gerieten, führte dazu, die Sicherheitsstufe für die EM heraufzusetzen. Bisher konnten die deutschen Anti-Terror-Behörden Schlimmeres verhindern. Einen hundertprozentigen Schutz könne es aber nicht geben, erklärt Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) immer wieder.
Mordaufrufe zur Fußball-Europameisterschaft
In NRW überprüfe man an allen Spielorten Hinweise aus dem Netz zu jeglichen Anschlagszenarien, sagte ein hochrangiger Staatsschützer dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Dabei geht es vor allem um die Frage, handelt es sich um Trittbrettfahrer oder um eine ernstzunehmende Bedrohung?“ Die Mordaufrufe des ISPK-Magazins für die EM zumindest halten die Sicherheitsbehörden für authentisch. „Es ist zu befürchten, dass auch andere Terrororganisation wie Al Qaida über ihre PR-Kanäle für eine Anschlagsoffensive in Europa und Deutschland agitieren werden“, so der Staatsschützer.
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Die Dschihad-Propaganda in den sozialen Netzwerken scheint insbesondere bei jungen Muslimen hierzulande zu wirken. Rund um Ostern wurden vier Tatverdächtige im Alter von 15 bis 16 Jahren festgesetzt, die sich ebenfalls durch das Internet radikalisiert haben sollen.
Anschlagsszenarien auf Kirchen, Synagogen und Polizeiwachen
Die vier Beschuldigten wanderten in Untersuchungshaft. Laut Oberstaatsanwalt Holger Heming von der Zentralstelle für Terrorismusverfolgung in NRW sollen sich die vier Jugendlichen zu einem Verbrechen (Mord und Totschlag) verabredet haben. Die Beschuldigten seien dringend verdächtig, einen islamistisch motivierten Terroranschlag geplant und sich zu dessen Begehung bereit erklärt zu haben. Wie aus Sicherheitskreisen zu erfahren war, soll die Clique Anschlagsszenarien auf Kirchen, Synagogen und Polizeiwachen durchgespielt haben. Mit Molotowcocktails. Messern und Schusswaffen wollten sie „Ungläubige“ in Köln, Düsseldorf, Dortmund oder Iserlohn während des Ramadans angreifen.
Der Fall belegt einmal mehr, dass die Täter immer jünger werden. Nach einer Untersuchung des „Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik“ der Universität Hamburg war etwa ein Fünftel der Personen, die in den Jahren von 2016 bis 2022 in Deutschland islamistisch motivierte Terroranschläge vorbereitet oder durchgeführt hatten, unter 18 Jahre alt. Erst vergangenen Dienstag hat die Terrorabteilung der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf über eine Anklage gegen einen 16-jährigen Deutsch-Afghanen berichtet. Der Gesamtschüler aus Burscheid wollte demnach mit einem Komplizen aus Brandenburg am 1. Dezember 2023 auf dem Weihnachtsmarkt in Leverkusen-Opladen einen mit Gasflaschen gefüllten Kleinlaster hochgehen lassen.
Jeder fünfte Anschlag oder Plan stammt von Minderjährigen
Anschließend, so der Plan, sollte es nach Afghanistan zum ISPK gehen. In Chats via Telegam hatten sich die beiden Teenager zu wirren Anschlagsfantasien hochgeschaukelt. Der Angeklagte aus Burscheid soll dabei zum „Heiligen Krieg“ gegen den Westen aufgerufen haben. Die beiden scheinen Fans des tunesischen Terroristen Anis Amri gewesen zu sein, der Ende 2016 mit einem Lkw auf einem Weihnachtsmarkt in Berlin elf Menschen getötet hatte.
Im Herbst 2021 wurde ein 16-jähriger syrischer Schüler verhaftet, weil er ein Sprengstoffattentat auf eine Synagoge in Hagen plante. Die Ermittler hatten bei der Auswertung seines Handys Chats mit einem IS-Bombenbauexten gefunden. Der Jugendliche hatte in den Nachrichten an seinen Kontaktmann großspurig einen Sprengstoffanschlag auf das jüdische Gotteshaus angekündigt. Auf den Hinweis, dass die Synagoge gut bewacht sei, antwortete der 16-Jährige: „Vorne ja, aber ich gehe hinten rein". Zudem sendete er seinem Chatpartner Bilder des Anschlagsziels. Letztlich kam der IS-Sympathisant mit einer Bewährungsstrafe von 19 Monaten davon. Das Gericht hielt dem Angeklagten zugute, dass er bis zu seiner Verhaftung keine konkreten Schritte unternommen hatte, um seinen Plan durchzuführen.
Selbst gebastelten Sprengsatz in Tempel platziert
Am 16. April 2016 hatten zwei 16-Jährige Dschihadisten einen selbst gebastelten Sprengsatz am Eingang des Sikhtempels in Essen gezündet. Ein Priester der Religionsgemeinschaft erlitt Brandverletzungen und einen offenen Knochenbruch am Fuß, weitere Gemeindemitglieder wurden durch Glassplitter verletzt. Das Motiv der jungen Salafisten sei Hass auf andere Religionen gewesen, sagte der Richter ein Jahr später beim Strafprozess am Landgericht Essen. Der türkische Haupttäter wurde nach sieben Jahren verbüßter Haftstrafe in seine Heimat abgeschoben.
Vor dem Hintergrund der neuerlichen Verhaftungen stellt der CDU-NRW-Innenexperte Gregor Golland fest, „dass vom extremistischen Islamismus die größte Gefahr für die Innere Sicherheit in Deutschland ausgeht.“ Deshalb müsse der Gesetzgeber endlich handeln und der Terror-Abwehr mit entsprechenden „rechtlichen Befugnissen und technischen Möglichkeiten zur Terroraufklärung- und Bekämpfung ausstatten. Zum Beispiel mit elektronischer Rasterfahndung durch Softwareprogramme wie Palantir und der Vorratsdatenspeicherung“.
Nach Auffassung der innenpolitischen Sprecherin der Grünen im NRW-Landtag, Julia Höller, sei die Gefahr durch den radikal-islamischen Salafismus weiterhin hoch. „Die gewaltbereite salafistische Szene ist digital stark vernetzt und versucht gezielt, junge Menschen anzuwerben, damit sie Gewalttaten ausführen.“ Dies müsse durch Präventionsprogramme wie „Wegweiser“ verhindert werden.