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„Es ist nicht jeden Tag alles Bombe“Wüst übt zur Halbzeitbilanz von Schwarz-Grün Selbstkritik

Lesezeit 4 Minuten
Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen spricht auf einer Pressekonferenz zur Neuwahl des Bundestags und verbliebenen Gesetzesprojekten der Ampel.

Die schwarz-grüne Landesregierung finanziert das Sicherheitspaket, das nach dem Terroranschlag von Solingen aufgelegt wurde, mit Hunderten Millionen Euro, hat Ministerpräsident Wüst nun angekündigt.

NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hat erstmals Zahlen zur Finanzierung des Sicherheitspakets genannt. Gleichzeitig zog er eine Halbzeitbilanz von Schwarz-Grün in NRW.

Die schwarz-grüne Landesregierung wird das Sicherheitspaket, das nach dem Terroranschlag von Solingen aufgelegt worden war, mit insgesamt 400 Millionen Euro finanzieren. Das sagte NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) bei seiner turnusmäßigen Pressekonferenz zur politischen Lage vor Journalisten in Düsseldorf. Das Maßnahmenbündel sieht unter anderem die Einrichtung von drei zusätzlichen Asylkammern zur Beschleunigung der Asylverfahren, eine personelle Verstärkung der Zentralen Ausländerbehörden und den Bau einer zweiten Abschiebehafteinrichtung vor. „Insgesamt reden wir hier über 228 zusätzliche Stellen“, sagte Wüst.

Bei dem Projekt handele es sich um das größte Sicherheits- und Migrationspaket in der Geschichte des Landes. Künftig sollen virtuelle Ermittler sowie künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen, um Extremismus im Internet aufzuspüren. Die politische Verständigung mit den NRW-Grünen für mehr Sicherheit und mehr Konsequenz bei der Migration könne Vorbild für ganz Deutschland sein.

Chance für Krankenhausgesetz und Datenspeicherung Wüst erklärte, die Handlungsunfähigkeit der Ampel-Regierung habe in der Gesellschaft schweren Schaden hinterlassen. „Der Kanzler sollte bedenken, dass man auch im Auseinandergehen auf den Umgang miteinander achten sollte und sich fragen, wie das alles bei den Menschen ankommt“, so der Ministerpräsident. Wirtschaftskrise, Ukraine-Hilfe, Migration und Sicherheit seien Themen, die keinen Aufschub duldeten. Einige Gesetzesvorhaben der verbliebenen rot-grünen Minderheitsregierung, wie zum Beispiel die Krankenhausreform, könnten möglicherweise mit Unterstützung der Union umgesetzt werden. Durch das Ausscheiden der FDP aus der Bundesregierung biete sich zudem die Chance, bei der Speicherung von IP-Adressen gemeinsam vorzugehen. Die Union habe sich in dieser Wahlperiode immer wieder als konstruktiver Partner erwiesen.

Mehr Geld für Bildung Wüst zog eine positive Bilanz der bisherigen Regierungsarbeit von Schwarz-Grün. Die Pandemie habe großen Schaden angerichtet, deshalb müsse der Fokus politischer Arbeit Kindern und jungen Menschen gelten. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine seien zusätzlich etwa 40.000 ukrainische Kinder an unseren Schulen und 20.000 Kinder an den Kitas neu hinzugekommen. Dies habe von einem Bildungssystem gestemmt werden müsse, das „auch schon vor dem Ukraine-Krieg und der Migrationskrise nicht auf Rosen gebettet“ gewesen sei.

Im Haushaltsentwurf für 2025 stehe der Rekordwert von 41,6 Milliarden Euro bereit: „Bei den Bildungsausgaben ist diese Landesregierung deutschlandweit die Nummer Eins.“ Für die Kita-Betreuung würden 5,6 Milliarden Euro ausgeben. Wüst nannte die Zahlen wohl auch, um den aktuellen Protesten gegen Sozialkürzungen den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Wüst verteidigt Kürzungen Mit Blick auf die Sozialdemo in Düsseldorf, zu der die Freie Wohlfahrtpflege in NRW aufgerufen hat, sagte Wüst, er habe Verständnis für die Anliegen der Teilnehmer. Wegen der angespannten Haushaltslage müsse das Land aber Prioritäten setzen. Es koste viel Geld, Energiekosten abzufedern, Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst zu finanzieren, Schulden zu tilgen und in Bildung zu investieren. Es sei die „Grundhaltung“, alle Einsparungen zu überprüfen, sobald man finanziell wieder mehr „Luft zum Atmen“ habe.

Schwarz-Grün plant Kürzungen von insgesamt rund 100 Millionen Euro. In Düsseldorf werden am Mittwoch mehr als 20.000 Menschen erwartet, die gegen den „sozialen Kahlschlag“ der Landesregierung protestieren wollen.

Schwerpunkt Bürokratieabbau Mit einen neuen Maßnahmenpaket will Schwarz-Grün die Wirtschaft entlasten. So soll eine zentrale Behörde für die Genehmigung von Großraumtransporten geschaffen werden. Zudem seien „Vereinfachungen im Landesnaturschutzgesetz“ und eine Beschleunigung von Vergabeverfahren vorgesehen. „Insgesamt wollen wir mit rund 30 Einzelmaßnahmen einen starken Wachstumsimpuls für unser Land setzen“, sagte Wüst.

Mahnung an die CSU Wüst unterstrich die gute Zusammenarbeit mit den Grünen in der Landesregierung. Zwar sei es „kein Geheimnis“, dass die Grünen den Sozialdemokraten an vielen Stellen näher seien. „Man muss Schwarz-Grün auch können“, erklärte der Ministerpräsident mit Blick auf die Kritik aus der CSU an solchen Bündnissen. „Vertrauen in Demokratie wächst, wenn Politik ihren Worten auch Taten folgen lässt“, sagte der Regierungschef. Politiker der demokratischen Parteien dürften im politischen Schlagabtausch niemals zu „Feinden“ werden.

Warnung vor unfairem Wahlkampf Der schlechte Umgangsstil der Ampel-Koalitionäre lasse für den bevorstehenden Wahlkampf nichts Gutes erahnen, sagte Wüst, und warnte vor einem Wahlkampf wie in den USA. „Wenn es keine Fakten mehr gibt, sondern nur noch Meinungen, gibt es auch kein Richtig und kein Falsch.“ In zehn Wochen wird Donald Trump als US-Präsident vereidigt, dann werde es keine Schonfrist geben. Deutschland brauche eine starke Bundesregierung, um der neuen US-Regierung begegnen zu können. Amerika sei der wichtigste Bündnispartner: „Ich will auch, dass das so bleibt.“

Fehler beim Ganztagsversprechen Rückblickend räumte Wüst auch Fehler in der bisherigen Regierungsarbeit ein: „Glauben sie nicht, dass wir jeden Abend aus dem Büro gehen und sagen: Das war ja alles wieder Bombe“. Als Beispiel nannte er die Ankündigung von Schwarz-Grün, die Rahmenbedingungen bei der Ganztagsbetreuung an den Schulen gesetzlich festlegen zu wollen. Dies sei „ein Punkt, den ich heute anders machen würde“. Die Festlegung von neuen Standards hätte die Dynamik des OGS-Ausbaus geschwächt, sagte der Ministerpräsident.