Rund 20 Milliarden Euro Altschulden liegen schwer auf Kommunen in NRW. Kommunalministerin Ina Scharrenbach spricht über den Plan, sie zu tilgen.
Interview mit NRW-Ministerin Scharrenbach„Wir sind bereit, bis zu 9,85 Milliarden der Schulden zu übernehmen“
NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach (CDU) hat im Juni einen Plan vorgelegt, wie 19,7 Milliarden Euro Altschulden der Kommunen im Bundesland getilgt werden könnten. Im Interview verteidigt sie die geplante Regelung gegen Kritik.
Frau Scharrenbach, Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) lässt an der geplanten Altschulden-Regelung der Landesregierung kein gutes Haar. Haben Sie schon mit ihm telefoniert?
Ina Scharrenbach: Wir stimmen gerade einen Termin ab, werden unseren Plan noch in den Sommerferien vorstellen. Wir erfüllen bis auf einen alle Eckpunkte, die der Bund im März gesetzt hat. Er will als Bilanz-Stichtag den 31. Dezember 2020 oder 2021 nehmen. Wir sind für den 31. Dezember 2022, weil die Liquiditätskredite noch einmal um 749 Millionen Euro geringer sind als 2021. Das entlastet beide Seiten, das Land und die Kommunen. Wenn wir 2021 nehmen, müssten wir für 2024 stärker in die Gemeindefinanzierung eingreifen. Das wollen wir nicht.
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Die Altschulden-Regelung kam zuletzt sehr überraschend. Wollten Sie damit noch eine Erfolgsmeldung in ihrer Jahresbilanz zu einem Jahr Schwarz-Grün in NRW platzieren?
Nein. Wir beschließen in der letzten Kabinettssitzung vor der Sommerpause immer die Eckpunkte für den Landeshaushalt und damit die Eckwerte für die Gemeindefinanzierung. Dieser Beschluss ist die Basis für die Haushaltsplanung der Kommunen. Deshalb mussten wir unsere Altschulden-Regelung jetzt vorstellen.
Wie sollen die Kommunen ihre Haushalte planen. Es steht doch noch gar nicht fest, wie der Bund seinen Part bei der Altschulden-Regelung erfüllt?
Wir sind bereit, bis zu 9,85 Milliarden der kommunalen Schulden in die Landesschuld zu übernehmen. Und wir garantieren den Kommunen ab 2025 die Höhe der Grunderwerbssteuer bei 460 Millionen. Angesichts der einbrechenden Baukonjunktur ist das keine Kleinigkeit. Wenn der Bund die andere Hälfte auch übernimmt, wird es ja nur besser.
Und wenn nicht?
Dann machen wir unsere Hälfe allein. So ist das angelegt.
Die Altschulden-Regelung gilt nur für Kommunen mit einer Pro-Kopf-Verschuldung über 100 Euro. Die anderen mit einer geringeren Quote gehen leer aus.
Das hat der Bund so festgelegt. Nach seinen Vorstellungen beginnt ein übermäßiger Liquiditätskredit bei 100 Euro pro Einwohner.
Das kommt nicht überall gut an. Der Kämmerer von Troisdorf zum Beispiel spricht davon, es sei unfair, dass die Bürger seiner Gemeinde über den Finanzausgleich die Schulden einer Großstadt wie Wuppertal mitbezahlen müssen.
Das ist die klassische Bund-Länder-Debatte über reiche und arme Länder. Dieser Konflikt wird jetzt in die kommunale Familie hineingetragen. In NRW führen wir diese Debatte seit fünf Jahren nicht mehr, weil es uns gelungen ist, eine hinreichend gerechte Verteilung des Geldes zu erreichen. Welche Kommune wie wofür Geld ausgegeben hat, ist Teil der kommunalen Selbstverwaltung. Da hat sich das Land nicht einzumischen.
Bei der Altschulden-Regelung geschieht das jetzt aber. Das Land erlässt ein Wiederverschuldungsverbot und koppelt ein vorgezogenes sechs Milliarden Euro schweres Investitionsprogramm an Auflagen. Das Geld muss in Klimaschutz und Klimaanpassung investiert werden.
Wir schreiben nichts vor. Das ist ein sehr weit gefasster Begriff. Die Kommunen wissen am besten, wo sie das Geld investieren. Zwischen der Millionenstadt Köln und Heimbach, der kleinsten Gemeinde im Land, gibt es eine riesige Spreizung an Notwendigkeiten.