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Ein Jahr Schwarz-GrünWas steckt hinter dem Nichtangriffspakt von Neubaur und Wüst?

Lesezeit 3 Minuten
Düsseldorf: Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Mona Neubaur (Bündnis 90/DieGrünen), Wirtschaftsministerin, stehen im Garten des Malkastens. Sie blicken sich an und applaudieren. Vor einem Jahr haben CDU und GRÜNE im Malkasten in Düsseldorf den «Zukunftsvertrag» für Nordrhein-Westfalen unterzeichnet. Jetzt wird auf 12 Monate Regierungshandeln zurückgeblickt und ein Ausblick auf die kommenden Herausforderungen gegeben.

Zufrieden mit sich und ihrer Arbeit: Hendrik Wüst (CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und Mona Neubaur (Grüne), Wirtschaftsministerin, im Garten des Malkastens in Düsseldorf. Vor einem Jahr haben CDU und Grüne dort den "Zukunftsvertrag" für Nordrhein-Westfalen unterzeichnet.

Während die Ampel-Koalition in Berlin durch Missgunst und Streit geprägt ist, regiert Schwarz-Grün in NRW geradezu harmonisch und geräuschlos. Wie geht das?

Als die Koalitionsverhandlungen vor einem Jahr im Künstlerverein Malkasten in Düsseldorf begannen, da war die Stimmung so freundlich und herzlich, dass man schon ahnen konnte, dass am Ende alles gut werden würde mit CDU und Grünen. Am Montagabend sind jetzt alle, die damals dabei waren, wieder da, um das einjährige Bestehen von Schwarz-Grün zu feiern. Hendrik Wüst und Mona Neubaur tauschen im Garten wieder Freundlichkeiten aus. Anders als in Berlin wird NRW geräuschlos regiert. Warum ist Schwarz-Grün das Gegenmodell zur Ampel?

Wüst war zum Erfolg verdammt. CDU und Grüne waren die Sieger der Landtagswahl 2022, sie hatten den Regierungsauftrag. Zwar wäre auch in NRW eine Ampel möglich gewesen, aber in einem Dreierbündnis hätten die Grünen wohl weniger Posten abbekommen als im Zweierpakt mit der Union. „Da Wüst unbedingt weiterregieren wollte, konnte er die Verhandlungen gar nicht platzen lassen“, so eine Mitverhandelnde der Grünen. Dies wissend, konnten die Umweltpartei zum Teil Maximalforderungen durchsetzen. So fiel etwa die 1000-Meter-Abstandsregel bei der Windkraft, die bis dato zum Glaubensbekenntnis der CDU gehörte.

Die Zeitenwende zwingt die CDU, grüner zu werden. Der Krieg in der Ukraine erfordert auch in NRW unideologische und pragmatische Lösungen. „Es war klar, dass der Ausbau der erneuerbaren Energie massiv beschleunigt werden muss“, so ein Stadtverbandsvorsitzender der CDU. Weil das jetzt Konsens ist, fällt die Meuterei an der CDU-Basis aus. Nun wird der Landesentwicklungsplan so verändert, dass 1,8 Prozent der Landesfläche für Windenergie reserviert werden.

In der Koalition gibt es keine Scharfmacher. In beiden Fraktionen kam mit der Wahl auch ein Personalwechsel. Bei den Grünen sind streitbare Urgesteine wie Johannes Remmel (Ex-Umweltminister) und Horst Becker (Ex-Verkehrsstaatssekretär) aus dem Landtag ausgeschieden. Auch bei der CDU sind viele Fachpolitiker neu. „Man hat keine Leichen im Keller. Das ist gut fürs menschliche Klima“, sagt ein CDU-Verhandler.

CDU und Grüne regieren auf Augenhöhe. Die Grünen sind immer noch traumatisiert von den Regierungsjahren mit der SPD. Damals hieß es, die SPD sei der „Koch“, die Grünen nur der „Kellner“. Wüst macht das anders. CDU und Grüne regieren gefühlt auf Augenhöhe. Kompromisse werden in der Sache ausgehandelt, nicht nach dem Prinzip: „Ich bekomme A, dafür kannst du B haben“. Viele in der CDU mussten sich erst daran gewöhnen, dass Verhandlungen mit den diskussionsfreudigen Grünen schonmal länger dauern können. Was beide Partner als positiv empfinden: „Wenn ein Kompromiss steht, dann bleibt es auch dabei“, so ein Regierungsmitglied der Grünen. Die Grünen zeigen sich zudem geschockt über den Dauerstreit in Berlin. Jüngst berichtete Parteichef Omid Nouripour in der Fraktionssitzung eindrucksvoll über die Ampel-Kabale.

Wüst kann sich für Berlin empfehlen. Die schwarz-grüne Koalition in NRW könnte ein Model für den Bund werden. Wüst macht zwar bislang keine Aussage dazu, wie es um seine Ambitionen für eine Kanzlerkandidatur bestellt ist. Fest steht: Schon jetzt ist Wüst als Architekt der „Zukunftskoalition“ in NRW der zentrale Hoffnungsträger für die CDU im Bund. „Und die Vorfreude der Grünen auf ein mögliches Bündnis mit Friedrich Merz hält sich in Grenzen“, so ein Wüst-Freund aus dem Münsterland.

Im Malkasten sind die Pläne von Wüst nur hinter vorgehaltener Hand ein Thema. Der Ministerpräsident erklärt, die Bilanz von Schwarz-Grün könne sich sehen lassen. Man zeige, wie professionelles Regieren gehe: „Keine Showkämpfe und Profilierung auf Kosten des Partners, sondern volle Konzentration und ganze Kraft fürs Land", so Wüst. Der Blick auf die Ampel zeige, dass dies „keine Selbstverständlichkeit" sei.

Mona Neubaur, stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin, erklärte, CDU und Grüne hätten sich „vor einem Jahr von unterschiedlichen Ufern die Hand gereicht“. Schwarz-Grün stelle nie das Trennende in den Mittelpunkt - sondern bemühe sich, „die Dinge zusammenzubekommen“. Das gebe „Kraft und Zufriedenheit“. Schwarz-Grün habe das Potenzial, die Menschen zu begeistern.