Mit einem „Kassensturz“ will NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur klären, welche Folgen der auf 2030 vorgezogene Kohleausstieg im Rheinischen Revier für den Einsatz von Fördergeld hat. Viele Fragen bleiben offen.
LützerathNeubaur bezeichnet geplante Räumung als „herausfordernde Zeit“
NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) hat den vorgezogenen Ausstieg aus der Kohleverstromung im Rheinischen Revier und die mit dem Energiekonzern RWE im Oktober abgeschlossene Vereinbarung verteidigt.
„Mit dieser Entscheidung haben wir auch eine physische Tagebaugrenze festgeschrieben“, sagte Neubaur am Montagabend vor Journalisten in Düsseldorf. Im Beendigungsgesetz zur Kohleverstromung hätte die Ampelkoalition beschlossen, dass kurz- und mittelfristig mehr Braunkohle in den Markt komme, um die Energieversorgung sicherzustellen.
Das sei ein wichtiger Beitrag für die energieintensive Industrie in NRW, aber auch für Deutschland und Europa. „Dafür werden Kohleblöcke von Neurath, die eigentlich bis 2038 gesetzlich zugesichert hätten laufen können, bereits Ende 2030 aus der Verstromung genommen werden.“
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Vorkaufsrecht für Menschen, die in ihr Dorf zurückkehren wollen
Dass die Ortschaft Lützerath nicht erhalten bleiben kann, sei der „schmerzliche Teil“ der Vereinbarung, so Neubaur. Man habe den hohen Bedarf an Kohle „nicht aus einem Gefühl heraus abgeleitet, sondern dazu Studien in Auftrag gegeben.“
Durch den Kohleausstieg 2030 hätten die Menschen in den fünf Dörfern Kuckum, Keyenberg, Berverath, Ober- und Unterwestrich und auf den Holzweiler Höfen die Gewissheit, „dass sie nicht gegen ihren Willen umgesiedelt werden.“ Auch sei mit RWE ein Vorkaufsrecht für Menschen vereinbart, „die vielleicht zurückkehren wollen.“ Über die Einzelheiten müsse man jetzt mit dem RWE-Konzern reden.
Der vorgezogene Kohleausstieg werfe darüber hinaus weitere Fragen auf. „Wir haben jetzt andere Vorzeichen für das gesamte Rheinische Revier.“ So müsse geklärt werden, was das für die Förderperioden aus dem Investitionsgesetz für die Kohleregionen bedeutet, das für NRW rund 14,8 Milliarden Euro vorsieht.
Kassensturz über Fördermittel für die Kohleregion in Arbeit
Das Wirtschaftsministerium bereite aktuell mit der Zukunftsagentur Rheinisches Revier (ZRR) „eine Art Kassensturz vor. Wir wollen wegkommen davon, glänzende Schilder aufzuhängen und zu sagen, hier könnte irgendwann mal etwas Imaginäres entstehen.“ Mit sogenannten Zukunftsgutscheinen sollen sich stattdessen Unternehmen aus der Region beraten lassen, wie sie die Transformation aus der Wertschöpfungskette der Braunkohle in neue Bereiche schaffen.
„Die Menschen, die in den Dörfern leben, haben nicht das Gefühl, dass diese Transformation irgendetwas mit ihnen zu tun hat“, sagte Neubaur. Auch müsse man die vielen kleinen Konflikte lösen, die durch den Erhalt der fünf Dörfer entstehen. „Die Glocke der Kirche von Keyenberg war eigentlich dem neuen Ort zugeschlagen. Das Friedhofstor aus Kuckum befindet sich schon in Neu-Kuckum.“ Kommt nun alles wieder zurück? „Diese Frage müssen wir mit den Menschen in der Region beraten.“
Die laut NRW-Innenministerium wohl im Januar bevorstehende Räumung von Lützerath werde eine „herausfordernde Zeit. Ich werde mein Möglichstes dazu beitragen, zu deeskalieren, wo immer es möglich ist“, sagte Neubaur. In ihrer Zeit als grüne Landesvorsitzende habe sie Lützerath immer mit dem Ziel besucht, vorgezogen aus der Kohle auszusteigen. „Mir war klar, wenn wir es bei den Mengen für einen Kohleausstieg 2030 belassen, haben wir die Chance verpasst, den 1,5 Grad-Pfad zu beschreiten.“
„Ortsbegehung“ der Polizei in Lützerath bei Schneetreiben
Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster vom März, dass Lützerath nun Eigentum von RWE ist, habe Neubaur den Ort nicht mehr besucht. „Ich habe das sehr bewusst entschieden, als Vorsitzende der Grünen und Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl. Die rechtliche Lage war eindeutig.“ In ihrer neuen Funktion als Wirtschaftsministerin könne sie nur versuchen zu erklären, „wie es zu der Entscheidung gekommen ist“, so Neubaur. „Stand heute“ sei ein Besuch von Lützerath nicht geplant. Sie könne nachvollziehen, dass es für die Menschen vor Ort, „schwierig ist, rational zu diskutieren.“ Neubaur betont aber auch: Der vorgezogene Kohleausstieg sei auch ein Verdienst derer, die sich seit Jahren für eine andere Kohlepolitik eingesetzt haben.
Die Polizei war am Montag am von Aktivisten besetzten Braunkohledorf vorstellig geworden. Die Beamten wollten sich nach eigenen Angaben „ein Bild von der Lage“ in dem Weiler machen. Ein Sprecher sagte, es habe sich um eine „Ortsbegehung“ gehandelt, bei der Lützerath auf den befestigten Wegen umrundet worden sei. Zu Zwischenfällen kam es nicht. Der Einsatz fand im Schneetreiben statt.