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Eskalation drohtNRW steht vor neuem Rockerkrieg – Reul kündigt Konsequenzen an

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Die Rückseite der Westen von zwei Hells-Angels-Mitgliedern.

Die Rückseite der Westen von zwei Hells-Angels-Mitgliedern.

Die Rocker-Szene in NRW umfasst rund 500 Mitglieder. Nach Anschlägen von zwei Ex-Hells-Angels-Mitgliedern befürchtet man eine Eskalation.

Die Täter waren auf Rache aus. 60-mal schossen sie mit einem vollautomatischen Gewehr auf ein Wohnhaus in Holzwickede. Ein zwölfjähriges Mädchen, das in dem Gebäude schlief, als die Feuerstöße abgegeben wurden, blieb wie durch ein Wunder unverletzt. Als dringend tatverdächtig ermittelte die Polizei einen 33-Jährigen und seinen 25-jährigen Freund. Beide sind ehemalige Mitglieder des Rockerclubs Hells Angels, die offenbar in Ungnade gefallen waren.

Die Gewaltbereitschaft der Rockerszene in NRW ist weiterhin ungebrochen. Die Gefahr durch islamistischen Terror und der Kampf der Sicherheitsbehörden gegen die Clan-Kriminalität haben Umtriebe der Rocker etwas aus dem Fokus der Öffentlichkeit gedrängt. Das Verbot des Clubs „Bandidos MC Federation West Central“ vor vier Jahren, der in NRW 380 Mitglieder hatte, sorgte nicht für die erhoffte Befriedung. 20 Ortsgruppen (Chapter) liefen zu den Hells Angels über.

Die Täter von Holzwickede, denen gemeinschaftlicher versuchter Mord vorgeworfen wird, sollen zudem in Bochum und Oberhausen selbstgebastelte Sprengsätze gezündet haben, um einstige Kumpane auszuschalten. Steht jetzt eine Eskalation bevor? Die Polizei zieht im Ruhrgebiet bereits Kräfte zusammen, um den Rockerkrieg zu stoppen. Die besondere Aufbauorganisation trägt den Namen „BAO Chrom“.

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Rocker-Konflikt startete mit Schuss auf Tattoostudio

NRW-Innenminister Herbert Reul beobachtet die Entwicklung mit Sorge: „Nicht erst seit den Vorfällen in Dortmund und Umgebung wissen wir, dass sich in der Rockerszene etwas tut und diese Leute untereinander nicht zimperlich sind“, sagte der CDU-Politiker dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Eben weil Rockerkriminalität die Sicherheit und Ordnung gefährde, würden die Sicherheitsbehörden die Vorgänge „nicht auf die leichte Schulter“ nehmen, so der Politiker aus Leichlingen. Im Innenausschuss des Landtags stellte Reul einen Bericht zu „den aktuellen Entwicklungen in der Rockerszene“ vor.

Mitte Januar hatte der Konflikt im Rockermilieu mit einem Schuss auf ein Tattoostudio in Dortmund Fahrt aufgenommen. Hintergrund sind nicht nur Machtkämpfe in den Gruppen, sondern offenbar auch finanzielle Streitereien. „Wir wissen, dass das ein hartes Pflaster ist“, sagte Reul unserer Zeitung. Der Umgang der Rocker miteinander sei brutal und kompromisslos.

Kein Wunder also, dass bei den Ermittlungen gegen Mitglieder der Szene oft „ein bunter Strauß an Straftaten“ zusammenkomme, so der NRW-Innenminister. Immer wieder gehe es um Menschenhandel, Sexualstraftaten oder versuchte Tötungsdelikte. Reul kündigte an, dass die Sicherheitsbehörden mit aller Konsequenz gegen kriminelle Rocker vorgehen würden: „Unser Rechtsstaat duldet keine Parallelgesellschaften, die auf Einschüchterung und Gesetzesbruch fußen.“

Mit dem Verbot der Bandidos 2021 ist Rockerkriminalität nicht verschwunden. „Vereinsverbote lösen solche Probleme nicht allein“, erklärte Reul. Aber sie seien ein Mittel des Rechtsstaates, sich gegen kriminelle Gruppen zur Wehr zu setzen. „Wer Gemeinschaft und Loyalität sucht, soll in Sportvereine oder in die Kirche gehen – nicht in kriminelle Motorradclubs“, erklärte Reul.