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Verfassungsschutzbericht NRWExtremismus nimmt auf breiter Front zu – mehr antisemitische Straftaten

Lesezeit 4 Minuten
Herbert Reul (CDU), Innenminister in Nordrhein-Westfalen, ist auf einer Pressekonferenz zu sehen.

NRW-Innenminister Herbert Reul mit einem deutlichen Appell bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts: „Lassen Sie uns alle genau hinhören, wenn die Töne von rechts schriller werden und dann lauter sein als die, die versuchen, Menschenhass in unseren Köpfen zu säen.“

Antisemitismus, islamistische Hassprediger, Volksverhetzung von Rechtsaußen: Der neue Verfassungsschutzbericht 2023 zeigt, dass Extremismus in NRW auf breiter Front zugenommen hat

In NRW haben die antisemitischen Straftaten besorgniserregend zugenommen. Die Sicherheitsbehörden registrierten im vergangenen Jahr 547 antisemitische Straftaten – eine deutliche Steigerung um 65 Prozent zum Vorjahr. Das geht aus dem Verfassungsschutzbericht für NRW hervor, den NRW-Innenminister Herbert Reul am Donnerstag in Düsseldorf vorstellte.

„Der Antisemitismus ist mit seiner hässlichen Fratze auf unsere Straßen zurückgekehrt“, sagte der CDU-Politiker. In den meisten Fällen ging es um Volksverhetzung (296), um Propagandadelikte (72) und Sachbeschädigungen (75).

Polarisierung nach Terroranschlag der Hamas auf Israel zeigt sich deutlich in NRW

Der Anstieg der antisemitischen Straftaten habe mit der Polarisierung nach den Terroranschlägen gegen den Staat Israel am 7. Oktober 2023 zu tun. „Aus Sicht des Verfassungsschutzes war dieser Tag Kristallisationspunkt für Entwicklungen in unserem Land, die uns sorgen müssen“, so Reul. Extremisten verschiedener ideologischer Prägungen nutzten den Terroranschlag der Hamas dazu, ihre Anhänger zu mobilisieren und scharfe Botschaften in noch kürzeren Frequenzen zu senden.

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„Wir müssen jeden Antisemitismus im Keim ersticken und wo immer es geht, darüber aufklären”, sagte der Politiker aus Leichlingen. „Jüdinnen und Juden gehören zu unserem Land wie Goethe und das Grundgesetz. Antisemitismus gehört nicht dazu.“

Reul erinnerte an die Demonstration von Antisemiten in Essen. Dort seien Frauen und Männer marschierten getrennt voneinander durch die Stadt marschiert und hätten ihren Israelhass offen zur Schau gestellt. „Einige der Demonstranten wünschten sich hier für uns auf deutschem Boden ein Kalifat“, sagte Reul.

Reul: „Der Islamismus ist wieder auf dem Vormarsch“

Nicht nur der zunehmende Antisemitismus in NRW besorgt die Sicherheitsbehörden. In fast allen Bereichen des Extremismus gab es einen Anstieg der Straftaten. „Das Internet ist zur Spielwiese der Extremisten und Menschenfänger geworden. Nie war es leichter, Ideologien zu verbreiten, Propaganda für die eigene Sache zu machen und damit unzählige Menschen zu erreichen“, sagte Reul. Die Tatverdächtigen würden immer jünger. „Den vereitelten Anschlag auf dem Leverkusener Weihnachtsmarkt planten zwei junge Männer im Alter von 15 und 16 Jahren.“

Im Bereich des Islamismus hat der Verfassungsschutz rege Aktivitäten von sogenannten Hasspredigern festgestellt. Dies könne zu einer Stärkung der salafistischen Szene und ihrer Anhängerzahlen führen, hieß es. „Der Islamismus ist wieder auf dem Vormarsch. Dem gilt es, mit der ganzen Härte und Konsequenz des Rechtsstaats entgegenzutreten”, erklärte der NRW-Innenminister. „Allein handelnde Täter, die sich in den sozialen Medien im stillen Kämmerlein radikalisieren, sind eine große Gefahr für uns“, sagte Reul. Über soziale Medien gelange extremistisches Gedankengut von salafistischen Predigern direkt in die Kinderzimmer.

Mit über 70 Prozent gab es einen erheblichen Anstieg der Taten, die im Netz stattfanden. Insgesamt wurden 1859 Fälle registriert. Bei knapp 400 Straftaten, die im Internet passierten, handelte es sich um Hasskriminalität von rechts. „Das Netz war immer schon Sprachrohr für alles Mögliche, aber wird immer mehr eine Echokammer für Hass und Hetze. Die Leute bleiben in ihren Blasen und glauben, was sie dort hören und lesen, sei das Richtige“, sagte Reul. Das müsse ernster genommen werden.

Russen verstärken Cyberangriffe

Im Bereich Rechtsextremismus wurden 3549 Straftaten erfasst. Etwa 77 Prozent der Straftaten waren Propagandadelikte und Volksverhetzung, es gab 116 Gewaltdelikte. „Ich bin froh, dass der Verfassungsschutz in NRW die Jugendorganisation der AfD jetzt in den Blick genommen hat. Lassen Sie uns alle genau hinhören, wenn die Töne von rechts schriller werden und dann lauter sein als die, die versuchen, Menschenhass in unseren Köpfen zu säen“, so Reul. Im Bereich Rechtsextremismus seien mehr als 2100 Propagandadelikte gezählt worden. Dies seien zum Beispiel Hakenkreuz-Schmierereien an Häuserwänden oder nationalsozialistische Parolen in sozialen Medien gewesen.

Im Bereich Linksextremismus zählte der Verfassungsschutz im vergangenen Jahr 1097 Straftaten, das ist ein Anstieg um 33 Prozent. 396 Straftaten sind demnach im Zusammenhang mit den Protesten während der Räumung des Braunkohledorfs Lützerath begangen worden.

Christina Kampmann, innenpolitische Sprecherin der SPD im Landtag, erklärte, die Zahlen aus der Statistik seien „bedrückend“. Die Liberalen kritisierten, NRW-Innenminister Reul gehe zu lasch gegen Islamisten vor. Es sei „völlig unverständlich“, warum Reul nicht alles unternehme, um Hasspredigern „die Bühne zu entziehen“, sagte FDP-Innexperte Marc Lürbke. Der Verfassungsschutz in NRW müsse mit mehr Personal und Ressourcen spürbar besser ausgestattet werden.