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Aktivisten kritisieren EinsatzPolizei zählt seit Lützerath-Räumung Dutzende Straftaten im Revier

Lesezeit 3 Minuten
Polizisten stehen am zweiten Tag der Räumung im von Klimaaktivisten besetzten Braunkohleort Lützerath. Der Energiekonzern RWE will die unter Lützerath liegende Kohle abbaggern - dafür soll der Weiler auf dem Gebiet der Stadt Erkelenz am Braunkohletagebau Garzweiler II abgerissen werden. +++ dpa-Bildfunk +++

Polizisten stehen am zweiten Tag der Räumung im von Klimaaktivisten besetzten Braunkohleort Lützerath.

Eine Aktivistin von „Lützerath lebt“ bezeichnet Reuls „Klima-Chaoten“-Aussage als „populistisch“ und „unsinnig“.

Auch nach der Räumung der Ortschaft Lützerath im Januar 2023 ist offenbar keine Ruhe in der Region eingekehrt: Dem Innenministerium zufolge kam es auch nach Ende des Polizeieinsatzes zu dutzenden Straftaten im Rheinischen Braunkohlerevier. Derweil bekräftigen die Aktivisten zum Jahrestag ihre Kritik an der Polizei und Innenminister Herbert Reul (CDU).

In der Zeit vom 23. Januar bis zum 31. Dezember wurden laut Innenministerium insgesamt 57 Straftaten im Braunkohlerevier erfasst, unter anderem Sachbeschädigung und Brandstiftung. Insbesondere Hochsitze und andere Einrichtungen von Jägern seien Ziel gewesen. Unter dem „Rheinischen Revier“ führt die Polizei in ihrer Statistik die Tagebaue Garzweiler, Hambach und Inden sowie die Kraftwerke Frimmersdorf, Neurath und Niederaußem. Bislang konnten laut Innenministerium 17 tatverdächtige Personen identifiziert werden; der Gesamtschaden belaufe sich auf rund 213 000 Euro.

Aktivistin: Reuls Klima-Chaoten-Aussage ist „unsinnig und populistisch“

Am Donnerstagmorgen haben auch Klimaaktivisten von BUND, „Lützerath lebt“, „Ende Gelände“ und „RWE & Co. enteignen“ Bilanz gezogen. Die Räumung sei damit begründet worden, dass die Braunkohle unter dem Dorf zur Sicherung der Energieversorgung in den Folgejahren notwendig sei, so Dirk Jansen vom BUND. Für das Jahr 2023 habe man ein Zuwachs der Stromerzeugung in den für Garzweiler relevanten Kohlekraftwerken prognostiziert. Stattdessen sei die Nachfrage im Jahr 2023 deutlich gesunken. „Lützerath sollte weichen, um ein Symbol der Klimabewegung zu beseitigen“, sagt Jansen. „Eine energiewirtschaftliche Rechtfertigung für die Räumung hat es nie gegeben.“

Alles zum Thema Herbert Reul

Jule Fink von „Ende Gelände“ kritisiert „massive Polizeigewalt“ bei der Räumung und kündigt weitere Aktionen der Gruppe an. „Statt endlich aus allen fossilen Energien auszusteigen, baut die Regierung nun massiv neue Gasinfrastruktur. Aber unser Widerstand lässt sich nicht räumen“, sagt Fink. „Ob Braunkohle unter Lützi, Gaspipelines in Brunsbüttel oder der Aufbau von LNG-Terminals vor Rügen: Wir sind das Investitionsrisiko.“ Das Bündnis „Ende Gelände“ wird vom Verfassungsschutz als „linksextremistisch beeinflusst“ eingestuft.

„Dass wir Lützerath als Ort nicht erhalten konnten, schmerzt“, sagt Mara Sauer von der Initiative „Lützerath lebt“. Fünf andere Dörfer seien jedoch geblieben. „Wir haben in Lützerath erlebt und gezeigt, was wir gemeinsam erreiche können. Das kann uns keiner mehr nehmen.“

Sauer kritisiert eine „Kriminalisierung unseres Protests“: „Dass Herr Reul die Bezeichnung ‚Klima-Chaoten‘ benutzt, finde ich populistisch und unsinnig“, so die Aktivistin. „2023 war das heißeste je aufgezeichnete Jahr. Der Begriff ‚Klima-Chaoten‘ ist wesentlich zutreffender auf die Menschen, die in Verantwortung sind und bei vollem Bewusstsein dafür sorgen, dass unser Klimasystem so aus den Fugen gerät, anstatt auf die Menschen, die versuchen, genau das zu verhindern.“

Innenministerium: Ein Viertel der Straftaten in Lützerath aufgeklärt

Anfang der Woche hatte Innenminister Herbert Reul zusammen mit der Polizei Aachen die Ergebnisse der Ermittlungskommission „Lützerath“ vorgestellt. Dabei hatte Reul gesagt: „Unter den Klimaschützern tummelten sich auch radikale Klima-Chaoten, die gewaltsames Protestieren und Auseinandersetzungen mit der Polizei dem friedlichen Demonstrieren vorgezogen haben.“

Von 594 Straftaten während der Räumung wurden bisher 156 aufgeklärt – damit liegt die Aufklärungsquote bei 26 Prozent. Auch den Mann, der als Mönch verkleidet in Lützerath einen Polizisten schubste, der im Schlamm feststeckte, konnte identifiziert werden. Nach der Räumung wurden auch 32 Strafverfahren gegen Polizisten eingeleitet.

Bei der Räumung von Lützerath im Januar 2023 waren zeitweise 3700 Polizisten aus ganz Deutschland im Einsatz – es war einer der größten Polizeieinsätze der Geschichte Nordrhein-Westfalens. Die Räumung wurde von einer Großdemonstration am 14. Januar 2023 begleitet. (mit dpa)