Manches in dem Job kommt einem aus Krimis bekannt vor: Verdeckte Ermittler spüren Gefährder auf, hören Telefone ab, vertauschen Nummernschilder. Aber was sind das für Leute, die beim Verfassungsschutz arbeiten?
NRW hat 500 VerfassungsschützerWie wird man Mitarbeiter beim Geheimdienst?
Felix B. hat an der Uni Islamwissenschaften studiert. Anders als viele seiner Kommilitonen arbeitet er heute nicht an einem wissenschaftlichen Institut oder als interkultureller Berater. Sein Arbeitsplatz hat die Adresse Friedrichstraße 62-80 in Düsseldorfer, dort befindet sich das NRW-Innenministerium. Felix B. (Name geändert) fährt mit dem Lift hoch zur Abteilung 6 – er arbeitet beim Verfassungsschutz.
Felix B. und seine Kollegen arbeiten naturgemäß im Verborgenen. Nicht aufzufallen, gehört zum Jobprofil. Nur die engsten Angehörigen wissen, welchem Job Felix B. nachgeht. Die Nachbarn denken, er sei ein ganz normaler Beamter. Den Mitarbeitern der Abteilung 6 sieht man nicht an, dass sie bei einem Nachrichtendienst beschäftigt sind.
Minister Herbert Reul: „Unsicherheit ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die die demokratische Grundordnung angreifen wollen“
Beim Verfassungsschutz in NRW arbeiten rund 500 Mitarbeiter. Ihre Aufgabe besteht darin, die Demokratie vor Extremismus zu schützen. Sie beobachten etwa Reichsbürger, die AFD-Jugendorganisation „Junge Alternative“, Querdenker, Autonome und Islamisten, die den Kalifatstaat einführen wollen.
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Der Verfassungsschutzbericht für 2022 umfasst 396 Seiten. „Nach der Pandemie haben sich viele Menschen wieder mehr Normalität gewünscht“, sagt NRW-Innenminister Herbert Reul. Stattdessen gebe es weitere Krisen, mehr Konflikte und damit immer neue Herausforderungen. „Diese Unsicherheit ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die unseren Staat im Kern erschüttern und unsere freiheitliche demokratische Grundordnung angreifen wollen“, so der CDU-Politiker.
So unterschiedlich wie die Aufgaben des Verfassungsschutzes sind auch die Menschen, die dort arbeiten. 20 Prozent kommen aus sogenannten „besonderen Fachrichtungen“ wie der Islam- und Politikwissenschaft, der Psychologie und Sozialpädagogik oder der IT-Technik. 35 Prozent sind Polizeibeamte, zu den übrigen Beschäftigten zählen Juristen, Diplomverwaltungswirte oder Finanzbeamte.
Felix B. war Mitte der 2000er in Ägypten unterwegs, erlebte dort, wie gesellschaftliche Verhältnisse zur Radikalisierung von Menschen führen können. Ein guter Freund entwickelte sich unter dem Einfluss seiner Familie zum religiösen Eiferer. Im Gaza-Streifen wurde er als „Ungläubiger“ mit offenen Armen von Salafisten empfangen, die ihm erzählten, warum es gut sei, Juden zu töten. „Da fand ich es naheliegend, mich beim Verfassungsschutz zu bewerben“, sagt er nüchtern.
Die dschihadistische Ideologie ist nach wie vor Nährboden für terroristische Gewalt, in NRW gibt es rund 200 religiös motivierte Gefährder. „Hier spielt die Musik“, sagt der Verfassungsschützer. Deshalb sei ein effektiv funktionierendes Frühwarnsystem enorm wichtig.
Abteilung 6 im Innenministerium: Viel Platz für kreative Lösungen
Auch Petra M. arbeitet in der Abteilung 6 im Innenministerium. Sie war früher bei der Polizei im Bereich Staatsschutz eingesetzt. Dann wollte sie die Perspektive wechseln, denn ein Job beim Verfassungsschutz kann spannend sein. Der Alltag hat zwar wenig mit den Klischees aus Agentenfilmen zu tun, aber manche Instrumente kommen Krimi-Lesern bekannt vor. Es gibt verdeckte Ermittlungen, Nummernschilder werden ausgetauscht, Legenden erfunden, in bestimmten Situationen sogar Telefongespräche abgehört. „Techniker reizt der Gestaltungsspielraum im Verfassungsschutz - hier ist viel Platz für kreative Lösungen, den es so in der Verwaltung nur selten gibt“, sagte eine Sprecherin des Innenministeriums dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.
Und manchmal kommt auch der Zufall ins Spiel, wie im Fall einer Verwaltungsbeamtin, die sich als Juristin eigentlich nicht im Verfassungsschutz sah, dann aber das Angebot einer hochrangigen Position nicht ablehnen konnte. Nach sieben Jahren im Verfassungsschutz sagt sie heute: „Ich kann mir keinen besseren und vor allem sinnhafteren Job in der Landesverwaltung vorstellen.“
Zu den zentralen Aufgaben der „Schlapphüte“ gehören auch die Bereiche Prävention und Aussteigerprogramme. Im Programm „Wegweiser“ etwa werden jährlich rund 60 ausstiegswillige Islamisten begleitet. An einem solchen nahm unter anderem der frühere Hassprediger Sven Lau teil, der in Wuppertal als „Abu Adam“ mit seiner „Scharia Polizei“ für Schlagzeilen sorgte. Er gehörte zu den „Stars“ der Salafisten-Szene, war 2017 wegen Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt worden. Während der Haft distanzierte er sich schließlich vom Islamismus.