Schwarz-Grün will 40 Millionen Euro im Sozialbereich einsparen. Waren die Kürzungen tatsächlich unvermeidbar? Bei der Haushaltsdebatte im Düsseldorfer Landtag schlugen die Emotionen hoch.
Wüst unter DruckSozialkürzungen „geräuschlos, schnell und eiskalt“ beschlossen
Die Generaldebatte zur Haushaltsverabschiedung gehört traditionell zu den bedeutsamsten Redeschachten im Düsseldorfer Landtag. Wegen der vorgezogenen Bundestagswahl geriet der Schlagabtausch von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und Oppositionsführer Jochen Ott (SPD) noch heftiger als sonst. Was hat der NRW-Etat mit der Kanzlerwahl zu tun? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.
Um welche Zahlen geht es?
Schwarz-Grün plant für das kommende Jahr Ausgaben in Höhe von 105,5 Milliarden Euro – das sind drei Milliarden mehr als 2024. Die Aufwendungen für Bildung erhöhen sich 2025 um rund drei Milliarden Euro auf einen Rekordwert von fast 42 Milliarden Euro. So sollen im kommenden Jahr 105 Millionen Euro ausgegeben werden, um zusätzlich 50.000 Ganztagsplätze für Grundschüler zu schaffen. Für die Kinderbildung werden 400 Millionen Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt. Der Einstieg des Landes in die Altschuldenlösung für die Kommunen kostet 250 Millionen Euro zusätzlich. Tilgungen von Schulden aus dem Corona-Rettungsschirm schlagen mit 350 Millionen Euro zu buche. Die Ausgaben für das Sicherheitspaket von NRW, das nach dem Anschlag von Solingen auf den Weg gebracht wurde, belaufen sich 2025 auf 91 Millionen Euro.
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Muss NRW neue Schulden aufnehmen?
Ja. NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) plant zwei Milliarden Euro an neuen Schulden. Dazu nutzt er die sogenannte Konjunkturkomponente in der Schuldenbremse, die bei einer schlechten wirtschaftlichen Lage ausnahmsweise die Aufnahme neuer Kredite ermöglicht. Aufgrund des schwachen Wirtschaftswachstums muss NRW im nächsten Jahr voraussichtlich mit rund 850 Millionen Euro weniger auskommen. Zusätzlich drohen weitere Mindereinahmen durch die geplanten Steuergesetze auf Bundesebene. Insgesamt geht die Landesregierung von Steuermindereinnahmen von mehr als 1,3 Milliarden Euro aus.
Wo will Schwarz-Grün sparen?
Ursprünglich wollte Schwarz-Grün 83 Millionen Euro vor allem im sozialen Bereich einsparen. Davon am stärksten betroffen sollten Familienhilfen, Angebote zur Förderung von Integration und Beratung für Geflüchtete, Altenhilfe und Suchthilfe sein. Unter dem Eindruck einer Großdemo reduzierte die Regierung den Sparbetrag auf 43 Milliarden Euro. Es bleibt dennoch ein Minus von 40 Millionen. Die SPD spricht vom „schlimmsten Sozialabbau seit Jahrzehnten“. Hätte man die Kürzungen vermeiden können?
Die Oppositionsparteien werfen Schwarz-Grün vor, nicht alle ungenutzten Finanzmittel auszuschöpfen. Schwarz-Grün hätte auf alle Einsparungen verzichten und sogar einen Haushalt ohne jede Neuverschuldung aufstellen können, wenn die Regierung die vorhandenen „Sparschweine“ nutzen würde, hieß es. Dabei handelt es sich um die sogenannten Selbstbewirtschaftungsmittel, die den Ministerien über das laufende Haushaltsjahr hinaus zur Verfügung stehen. Diese belaufen sich insgesamt auf stolze 7,9 Milliarden Euro. Finanzminister Optendrenk lehnt es jedoch ab, das Geld aufzuteilen. Schließlich handle es sich dabei um zweckgebundene Rückstellungen. Welche Partei gerät durch die Debatte besonders unter Druck?
Die Grünen. Sie müssen ihrer Basis erklären, warum sie die Sozialkürzungen mittragen. Die SPD nutzt die Gelegenheit, um den ehemaligen Koalitionspartner (2010-2017) zu attackieren. Den Grünen fehle „das Gespür für sozialen Zusammenhalt“, sagte SPD-Fraktionschef Jochen Ott. Man habe sich mit der CDU „geräuschlos, schnell und eiskalt“ auf den „Sozialabbau in großem Stil“ verständigt. Ihrer „Pflicht“, Konservative und Wirtschaftsliberale „zu bremsen“, kämen die Grünen nicht nach: „Auf Jugendliche ohne Abitur nimmt in dieser Koalition offenbar niemand mehr Rücksicht.“
Wie prägte der Bundestagwahlkampf die Debatte?
Ott warf der CDU vor, die Gesellschaft zu spalten. „Wir erleben gerade massive Angriffe auf das Bürgergeld“, sagte der SPD-Politiker. An dessen Spitze stünden Leute, „die eine Regierung gegen den Sozialstaat führen wollen“, so der Oppositionsführer mit Blick auf das Wahlprogramm von CDU und CSU. „Die Merz-CDU glaubt, sie könnte ihren Sozialabbau leichter durchsetzen, wenn sie Menschen gegeneinander ausspielt.“ Ministerpräsident Wüst erklärte dagegen, Schwarz-Grün in NRW sei das Gegenmodell zur Ampel im Bund „Was wir in den letzten drei Jahren in Berlin erleben mussten, hat unserer Demokratie schwer geschadet“, so der Regierungschef von NRW. Das Scheitern der Ampel müsse allen Demokraten eine Warnung sein. Deutschland brauche Demokraten, die ihrer Verantwortung gemeinsam gerecht würden - auch in schwierigen Zeiten.
Wie ist das Schaulaufen ausgegangen?
Die NRW-SPD steht wegen historisch schlechter Zustimmungswerte unter Druck. So wundert es nicht, dass Jochen Ott deutlich engagierter und emotionaler auftrat als Wüst. Der Applaus aus den eigenen Reihen hätte aber lauter sein können. Der Ministerpräsident wirkte routiniert und abgeklärt. Er begnügte sich damit, die bekannten Positionen von Schwarz-Grün abzuspulen, Teile seine Rede erinnerten an den Vortrag, den er am Wochenende bei der Listenaufstellung der CDU gehalten hatte. Der Münsterländer kam schon sechs Minuten vor Ablauf seiner Redezeit zum Ende. Wer in den Umfragen so gut dasteht, muss keine Pirouetten drehen.
Wer konnte noch punkten?
CDU-Fraktionschef Thorsten Schick bekam viel Beifall, als er die SPD darauf hinwies, nicht Friedrich Merz sei der Hauptfeind der Demokratie, sondern die AfD. Henning Höne, Fraktionsvorsitzender der Liberalen, punktete mit seiner Bemerkung, Schwarz-Grün gebe Rekordsummen für Regierungs-PR aus: „Wenn die Landesregierung genauso hart an den Problemen im Land arbeiten würde wie am eigenen Image, wäre vieles besser.“