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Angst vor HomeschoolingNRW-Schulen sind auf Distanzunterricht nur mäßig vorbereitet

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36 000 Tablets sollen zum Jahreswechsel an Kölner Schulen verfügbar sein.

  1. Seit dem Lockdown im März bereiten sich Schulen in NRW auf digitalen Unterricht vor.
  2. Doch noch immer mangelt es an Endgeräten und Fortbildungen.
  3. Angesichts steigender Infektionszahlen wächst nun die Sorge, nach dem Ende der Herbstferien könnte wieder Homeschooling nötig werden. Ein Überblick.

Köln – Grundschulkinder lernen lächelnd das Schreiben des Alphabets auf Tablet-Displays. Schnitt. Neuntklässler sitzen im Mathe-Unterricht, kontrollieren ihre Hausaufgaben selbst, in einer App, im „Frontend“, wie ihr Lehrer sagt. Zwei Szenen aus einem Image-Film der Landesregierung zur „Digitaloffensive Schule“. Datum: 12. Oktober 2018. Fast genau zwei Jahre nach der Veröffentlichung wirken die Aufnahmen fast ein bisschen bitter. Anscheinend wusste man damals schon, dass eine Digitalisierung der Lehre auch ohne Pandemie ein unvermeidbarer Schritt sein wird.

Und doch wurde sie in Nordrhein-Westfalen lange zu unentschlossen vorangetrieben, kritisieren Experten. Jüngst ergab eine Umfrage des WDR unter Schulleitern und Schülern, dass trotz massiver Investitionen in den vergangenen Monaten noch immer zu wenig Endgeräte zur Verfügung stehen, auch würden Lehrkräften notwendige Fortbildungen fehlen.

Angesichts steigender Infektionszahlen wächst bei den Beteiligten zugleich die Sorge, nach dem Ende der Herbstferien am kommenden Montag könnte bald wieder Homeschooling nötig werden. Ein Überblick.

Alles zum Thema Jochen Ott

Steigen alle am Montag wieder mit Präsenzunterricht ein?

Ja. NRW-Bildungsministerin Yvonne Gebauer (FDP) hat bekräftigt, sie wolle Schulschließungen vermeiden und auch kein Mischsystem aus Präsenz- und Distanzunterricht. Klassen wieder zu teilen, sei nur notwendig, wenn der Sicherheitsabstand von anderthalb Metern wieder eingeführt werden müsste. Die Maskenpflicht und regelmäßiges Fensteröffnen in Klassenräumen sollen das verhindern. Zudem stellt die Landesregierung 50 Millionen Euro für die Installation von mobilen Lüftern zur Verfügung.

Und die helfen?

Zumindest legen aktuelle Studien nahe, dass Luftraumreiniger die Infektionsgefahr durch Aerosole wirksam reduzieren.

Aber die Lüfter müssen erst noch angeschafft und aufgestellt werden?

So ist es. Und das kann dauern. Deswegen bekommt Gebauer auch Kritik, unter anderem von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft NRW. Die stellvertretende Vorsitzende, Ayla Çelik, sagt im Gespräch mit dieser Zeitung: „Dass der Winter kommt, wusste man bereits im Sommer. Auch dass die Infektionsgefahr sich erhöhen wird. Da hätte das Ministerium sich zeitig um alternative Lüftungsmöglichkeiten kümmern können.“ Der Schulexperte der SPD-Landtagsfraktion, Jochen Ott, sagte am Donnerstag, er erachte die Maßnahmen als kaum ausreichend, um die Infektionsgefahr zu mildern.

Angenommen, der Distanzunterricht käme zurück. Wird der besser funktionieren als noch zu Pandemiebeginn?

Zumindest stehen mittlerweile mehr digitale Endgeräte zur Verfügung. In Köln etwa sind laut der stellvertretenden Leiterin des Amts für Schulentwicklung, Rita Gorklo-Blameuser, mittlerweile 17 500 Tablets verteilt worden. Noch mehr sind bestellt. Bis zu Beginn des kommenden Jahres sollen gut 36 000 Tablets an den Schulen zur Verfügung stehen. Neun Millionen Euro kamen dafür aus dem Sofortausstattungsprogramm des Landes. Insgesamt stehen Schulen in NRW daraus 178 Millionen Euro zur Verfügung. Laut Ministerium wurden bis zum 30. September Anträge mit einem Gesamtvolumen von rund 84 Millionen Euro gestellt. „Die Tendenz beim Mittelabruf ist erkennbar positiv“, so Staatssekräter Matthias Richter gegenüber dieser Zeitung. „Ich bin sicher, dass die Schulträger auch in den kommenden Wochen und Monaten die Gelder vollständig abrufen werden.“

Dazu kommt das Geld aus dem eigentlichen Digitalpakt zwischen Bund und Ländern. 47 Millionen Euro entfallen allein auf Köln. Daraus jedoch habe man noch nichts abgerufen. „Die Anträge sind sehr bürokratisch und aufwendig zu bearbeiten, besonders für die Verwaltung“, sagt Gorklo-Blameuser. „Wir werden die Mittel aber im kommenden Jahr nutzen.“

Und wenn alle Geräte haben, ist alles gut?

„Wir schaffen es nicht, mit ein paar Geräten und Fortbildungen in einem halben Jahr einen Rückstand von mehreren Jahren aufzuholen“, sagt Michael Kerres. Der Professor für Mediendidaktik und Wissensmanagement an der Universität Duisburg-Essen ist auch Mitglied in einer Arbeitsgruppe des deutschen Wissenschaftsrats, die die Zukunft der digitalen Lehre erforscht. Laut Kerres sei Deutschland das Industrieland, das weltweit die schlechteste Nutzung von Technik im Bildungsbereich aufweise. Noch immer hätten nur 30 Prozent aller Lehrkräfte überhaupt eine dienstliche E-Mail-Adresse. Kerres kritisiert, dass die Skepsis von Politikern, Lehrern und Eltern vor der Nutzung neuer Medien die Entwicklung über Jahrzehnte gehemmt habe.

Er ist sich unsicher, ob die Corona-Krise das ändert. „Meine Sorge ist eher, dass, wenn die Pandemie vorbei ist, viele wieder zum »richtigen« Unterricht, so wie er immer war, zurückkehren wollen.“

Çelik beanstandet, dass Lehrer mit der Technik alleingelassen würden. Zwar gibt es durchaus eine Reihe an Weiterbildungen seitens des Landes. Das Ministerium pflege aber „keine rechtzeitige und transparente Kommunikation“, so Çelik.