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Hohe Erwartungen an Schwarz-Grün„Bei Corona war vieles mit der FDP nicht möglich“

Lesezeit 5 Minuten
Neu Kufen

Thomas Kufen (CDU).

  1. Thomas Kufen (CDU) ist der neue Chef des Städtetages in NRW und Oberbürgermeister von Essen.
  2. Er fordert, Fehler aus der Vergangenheit vor allem im kommenden Corona-Herbst zu vermeiden.
  3. NRW soll einen Corona-Krisenstab ähnlich dem bei der Flutkatastrophe einrichten.
  4. Ein Interview

DüsseldorfHerr Kufen, in NRW wird eine schwarz-grüne Landesregierung gebildet. Was bedeutet das für die Kommunen?Die Coronazeit, aber auch die Herausforderungen der Ukraine-Krise zeigen, wie wichtig es ist, handlungsfähige Kommunen zu haben. Wir haben in den großen Städten in wenigen Wochen mehr Flüchtlinge aufgenommen als im gesamten Flüchtlingsjahr 2015. Deshalb ist unsere Forderung an Schwarz-Grün, dass sie einen kommunalfreundlichen Kurs fahren. Wir haben jetzt die Chance, die Großstadtkompetenz und das Wissen um die Herausforderungen im ländlichen Raum in Einklang zu bringen und nicht gegeneinander zu stellen.

Helfer warten auf Flüchtlinge

Helferinnen und Helfer warten auf Geflüchtete am Kölner Hbf.

Ist Schwarz-Grün für die Städte besser als Schwarz-Gelb?

Das werden wir sehen. Fest steht, dass die Grünen in Städten wie Köln, Aachen und Bonn selbst Verantwortung tragen. Deshalb sind die Grünen an den kommunalen Themen nah dran. Das birgt viele Chancen, führt aber auch zu einer größeren Erwartungshaltung. Wir können jetzt vieles besser hinkriegen als in den letzten beiden Jahren. Beim Thema Corona war zum Beispiel vieles mit der FDP nicht möglich.

Ärger über widersprüchliche Corona-Regeln

Im Herbst muss Schwarz-Grün beweisen, ob das Bündnis die nächste Corona-Welle besser managen wird. Was erwarten Sie?Das Chaos darf sich nicht wiederholen. Den Ärger der Leute über widersprüchliche oder nicht nachvollziehbare Regeln mussten wir vor Ort ausbaden. Die Menschen rufen ja meist nicht in Berlin an, um sich zu beschweren, sondern im Rathaus ihrer Stadt.

Was fordern Sie konkret?

Wir dürfen jetzt nicht zum dritten Mal in Folge die gleichen Fehler machen. Land und Kommunen müssen sich so schnell wie möglich an einen Tisch setzen, um die Versäumnisse aufzuarbeiten. Die Strukturen müssen krisenfester werden. Die Kommunen brauchen feste Ansprechpartner bei der Landesregierung. Ich fände es richtig, wenn ein Corona-Krisenstab mit den zuständigen Experten eingerichtet würde, so wie es ihn bei der Flutkatastrophe gab. Das hat hervorragend funktioniert.

Yvonne Gebauer 200422

Yvonne Gebauer bei einem Besuch in Köln 

Die Grünen wollen auch außerschulische Lernorte nutzen, um das Unterrichtsgeschehen zu entzerren….

In den Großstädten stoßen wir dabei aber an Kapazitätsgrenzen, weil solche Räume nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung stehen. Bei den älteren Schülerinnen und Schülern könnte die Ausweitung des digitalen Unterrichts für Entlastung sorgen. Ich finde es beschämend, dass die Ukraine unter Kriegsbedingungen beim Distanzlernen weiter ist als wir. Wer immer künftig Schulminister wird, hat viel zu tun. Bislang wurden auch die Lehrpläne nicht angepasst. Man muss aber meines Erachtens berücksichtigen, dass Inhalte sich in Präsenz besser vermitteln lassen als vor dem Bildschirm.Schwarz-Grün will 10.000 neue Lehrer einstellen und die Pädagogen besser bezahlen. Was halten Sie davon?

Das finde ich richtig. Wir müssen uns aber jetzt auch fragen, wie wir öffentlichen Dienst auch für andere Berufsgruppen attraktiver machen. Feuerwehrleute, Kita-Erzieherinnen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im OGS-Bereich oder die Menschen im Gesundheitsamt, die von den Städten bezahlt werden, werden sich fragen, warum sie nicht auch mehr bekommen. Hier brauchen die Kommunen jetzt mehr Beinfreiheit . Wir müssen die Möglichkeit bekommen, die Jobs attraktiver zu machen. Wenn nicht durch mehr Geld, dann zum Beispiel, in dem wir Angestellten und Beamten gleichermaßen E-Bikes als Jobräder stellen dürfen. Das wäre auch gut für die Verkehrswende.

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Mona Neubaur (Grüne) und Hendrik Wüst (CDU) begrüßen sich vor den ersten Sondierungsgesprächen.

Das Neun-Euro-Ticket kommt gut an. Sollte es länger als drei Monate bezahlt werden?

Man kann nach drei Festmonaten nicht plötzlich wieder Knäckebrot einführen. Wenn wir die Luft in den Städten sauber machen und Kohlendioxid einsparen wollen, wird das nicht alleine mit mehr Radwegen funktionieren. Das Rückgrat der Verkehrswende ist ein starker ÖPNV, mit dem man nicht nur überall hin, sondern auch wieder zurückkommt. Wer ein günstiges Ticket für drei Monate einführt, muss auch sagen, was im vierten Monat passieren soll. Ich hoffe, dass der Bund auch künftig stark ermäßigte Tarife ermöglicht - zumindest für junge Leute und Rentner, die das Neun-Euro-Ticket aktuell stark nutzen.

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Die Grünen wollen den Flächenverbrauch eindämmen. Wird es in den Städten neue Hochhaus-Viertel geben?

Für eine moderne Stadtentwicklung brauchen wir insgesamt mehr Flexibilität beim Planungsrecht und mehr Tempo bei den Genehmigungsverfahren. Anonyme Wohnblocks mit einer erdrückenden Architektur sind nicht gut für die Stadtentwicklung. Wir brauchen vernünftige Entwicklungskonzepte, um das Wohnen in Hochhäusern attraktiv zu machen. Die Megastädte unserer Welt würden ohne Hochhäuser nicht funktionieren. In vielen Städten – wie auch in Essen – gibt es deshalb bereits Hochhausentwicklungskonzepte.

Lösung für Altschulden

Die Zinsen steigen wieder. Was bedeutet das für die Altschulden der Kommunen?

Das Zeitfenster, um eine vernünftige Lösung hinzubekommen, wird sich in den nächsten zwölf Monaten schließen. Wenn die Städte handlungsfähig bleiben sollen, muss also jetzt gehandelt werden. Corona hat den Kommunen massive Einnahmeverluste beschert. Das sind die Altschulden von morgen, die auf die 21 Milliarden Euro von heute noch oben draufkommen. Außerdem stellt der gesetzliche Anspruch auf Ganztagsbetreuung die Kommunen vor massive Herausforderungen. In NRW werden 260.000 zusätzliche Plätze benötigt, für die wir Personal und Räume brauchen. Das Land muss hier organisatorische, personelle und finanzielle Verantwortung übernehmen.

Sie führen eine schwarz-grüne Kommune. Was kann Schwarz-Grün im Land von Essen lernen?

Wenn man sich vertraut, und wenn es ein gutes Miteinander gibt, kann man inhaltliche Differenzen gut überbrücken und gute Kompromisse schließen. Die Grünen haben sich weiterentwickelt, und die CDU auch. Ich habe hohen Respekt davor, wie offen und zielorientiert Hendrik Wüst die Koalitionsverhandlungen mit den Grünen führt.