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Debatte über SPD-KanzlerkandidaturScholz wackelt – und bekommt Lob von Schröder und Lawrow

Lesezeit 5 Minuten
Bundeskanzler Olaf Scholz (r, SPD) und Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, unterhalten sich. In der SPD ist eine Debatte um die Kanzlerkandidatur entbrannt.

Bundeskanzler Olaf Scholz (r, SPD) und Boris Pistorius (SPD), Bundesminister der Verteidigung, unterhalten sich. In der SPD ist eine Debatte um die Kanzlerkandidatur entbrannt.

In der SPD werden die Rufe nach Boris Pistorius als Kanzlerkandidat lauter. Olaf Scholz bekommt unerbetenes Lob – und äußert sich vage.

Weniger als 100 Tage vor der Bundestagswahl ist die Debatte in der SPD über den richtigen Kanzlerkandidaten voll entbrannt. Am Dienstag meldeten sich weitere SPD-Politikerinnen und -Politiker zu Wort, um ihre Präferenz für Amtsinhaber Olaf Scholz oder aber Verteidigungsminister Boris Pistorius öffentlich zu machen. Sie setzten sich damit über Appelle der Parteiführung hinweg, Geschlossenheit zu wahren und eine Personaldebatte so kurz vor der Wahl zu vermeiden.

Der frühere Bundeskanzler und SPD-Vorsitzende Gerhard Schröder hat seine Partei davor gewarnt, Scholz durch die Diskussion über die Kanzlerkandidatur zu beschädigen. „Jede Debatte über einen amtierenden Bundeskanzler, den man nicht austauschen kann, schadet allen“, sagte Schröder der „Süddeutschen Zeitung“ laut Vorabmeldung vom Dienstag. „Die Partei kann doch nicht den eigenen Bundeskanzler demontieren.“

K-Frage bei der SPD: Gerhard Schröder lobt Olaf Scholz

Schröder attestierte Scholz, einen „ordentlichen Job zu machen“. Auch Pistorius mache seine Sache sehr gut und sei sicher geeignet für das Kanzleramt, doch müssten die Konsequenzen der öffentlichen Kandidatendebatte bedacht werden. „Es werden beide dadurch beschädigt“, sagte Schröder.

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Schröder war von 1998 bis 2005 Kanzler und von 1999 bis 2004 SPD-Chef. Durch seine Lobbyisten-Tätigkeit für russische Firmen fiel er aber spätestens seit Beginn von Russlands Krieg gegen die Ukraine in Teilen der Partei in Ungnade. Ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn blieb erfolglos. Anlässlich seiner 60-jährigen SPD-Mitgliedschaft bekam Schröder im vergangenen Jahr eine kleine Feier seiner Partei.

Sigmar Gabriel kritisiert SPD-Parteiführung

Der ehemalige SPD-Parteichef Sigmar Gabriel äußerte sich derweil kritisch. „An der Basis der SPD steigt jeden Tag der Widerstand gegen ein „Weiter-so“ mit Kanzler Scholz. Und der SPD Führung fallen nur Beschwichtigungen und Ergebenheitsadressen ein“, schrieb Gabriel auf der Plattform X. Jetzt sei mutige politische Führung gefragt. Wer das laufen lasse, bringe die SPD unter 15 Prozent, warnte er. Gabriel ist heute Chef des Vereins Atlantik-Brücke.

An der SPD-Basis finden sich derweil sowohl für Scholz als auch für Pistorius Fürsprecher, wie eine stichprobenartige Umfrage in den SPD-Unterbezirken und Kreisverbänden ergab. Einige SPD-Mitglieder warnen zudem, dass eine lange Personaldebatte der Partei schaden könnte.

„Viel Zuspruch für Boris Pistorius“ in der NRW-SPD

In der einflussreichen NRW-SPD, dem größten Landesverband, verlor Scholz an Rückhalt. Die beiden Vorsitzenden der NRW-Landesgruppe im Bundestag, Wiebke Esdar und Dirk Wiese, attestierten ihm in einer Erklärung schlechtere Chancen bei der Neuwahl. „Das aktuelle Ansehen von Bundeskanzler Olaf Scholz ist stark mit der Ampel-Koalition verknüpft“, zitierte der „Spiegel“ aus dem Text. In den Wahlkreisen sei „viel Zuspruch für Boris Pistorius“ zu hören.

Der Sprecher der Ruhr-SPD im Bundestag, Markus Töns, äußerte sich ähnlich. Nach dem Koalitionsbruch brauche es einen „Neustart“, und dieser wäre „mit Boris Pistorius leichter als mit Olaf Scholz“, sagte Töns dem „Stern“. Zuvor hatte es auch aus der Kölner SPD-Basis Kritik an Scholz gegeben. „Der Kanzler ist durch“, sagte ein ehemaliger Mandatsträger, der nicht genannt werden wollte, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Es gebe in Köln viel Unterstützung für Pistorius, hieß es weiter.

Olaf Scholz beim G20-Gipfel – „Telefonkonferenz“ bei SPD-Führung

Minister Pistorius sagte Scholz derweil seine Loyalität zu – vermied aber eine klare Absage an eigene Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur. „Das einzige, was ich definitiv ausschließen kann, ist, dass ich noch Papst werde“, sagte Pistorius am Montagabend in Passau.

Kanzler Scholz verbrachte den Dienstag beim G20-Gipfel im brasilianischen Rio de Janeiro. Seine Rückkehr nach Berlin war für Mittwochfrüh geplant. Am Dienstagabend wollten die Parteivorsitzenden mit den stellvertretenden Vorsitzenden nach SPD-Angaben in einer „regelmäßigen Telefonkonferenz“ über die Organisation des Wahlkampfs beraten. Einen Bericht der „Bild“, wonach es sich um eine Krisensitzung zur Kandidatenfrage handle, dementierte eine SPD-Sprecherin als „falsch“.

G20-Gipfel: Lob von Sergej Lawrow für Olaf Scholz

Scholz bekam am Rande des G20-Gipfels für seine Ablehnung einer Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine auch ein ungewohntes Lob aus Moskau. „Ich denke, dass die derzeitige Position von Scholz eine verantwortungsvolle Position ist“, sagte der russische Außenminister Sergej Lawrow bei einer Pressekonferenz.

Dass Scholz prinzipiell dabei bleibe, sei umso bemerkenswerter, als dass er dafür etwa von den Grünen oder Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz scharf kritisiert werde, kommentierte der russische Chefdiplomat die deutsche politische Debatte.

Die Einmischung verfehlte ihre Wirkung nicht. „Wenn Lawrow zu Scholz sagt, dass er etwas richtig gemacht hat, müsste spätestens jetzt selbst Scholz dämmern, dass er etwas falsch macht“, kommentierte CDU-Politiker Norbert Röttgen prompt das vom Kanzler unerbetene Lob von Lawrow für Scholz.

SPD verliert in Umfragen an Zustimmung – Kanzler Scholz auch

In Umfragen verliert die SPD unterdessen weiter an Zustimmung. Die Kanzlerpartei kommt in einer neuen Befragung des Meinungsforschungsinstituts Forsa auf 15 Prozent und verliert damit einen Punkt im Vergleich zur Vorwoche.

Laut einer weiteren Forsa-Umfrage aus der letzten Woche gibt es bei der ungeklärten K-Frage in der SPD eine klare Präferenz der Befragten: Mit 66 Prozent ist eine deutliche Mehrheit für Pistorius als SPD-Kanzlerkandidat. Nur 18 Prozent sprechen sich dafür aus, dass die Sozialdemokraten bei der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar mit Scholz antreten.

Olaf Scholz äußert sich vage: „Gemeinsam erfolgreich sein“

Der Kanzler selbst äußerte sich am Abend schließlich nur vage zur Kandidatenfrage in seiner Partei. „Wir gehen in diese Wahl hinein, um erfolgreich aus ihr heraus zu gehen – wir wollen gemeinsam erfolgreich sein“, sagte Scholz in Rio de Janeiro.

„Das ist die Aussage, die ich hier noch einmal unterstreiche: gemeinsam – ich und die SPD.“ Eine direkte Antwort auf die Frage, wie er seine Chancen einschätze, vermied der Kanzler. Auch vermied Scholz die Aussage, dass er selbst der Kanzlerkandidat der SPD sein werde. Auf die erneute Frage, ob der nächste Kanzlerkandidat Olaf Scholz heiße, sagte er: „Es ist doch völlig klar, dass wir da gemeinsam antreten wollen.“ Die Parteiführung habe die Frage bereits „sehr deutlich beantwortet“, so Scholz. (mit dpa/afp)