AboAbonnieren

Kirchenrechtler zum Synodalen Weg„Der Papst misstraut abgrundtief der deutschen Kirche und ihren Bischöfen“

Lesezeit 6 Minuten
Papst Franziskus besprengt Gläubige bei einer Messe im Petersdom mit Weihwasser.

Papst Franziskus besprengt Gläubige bei einer Messe im Petersdom mit Weihwasser.

Nach einem Brief der drei ranghöchsten römischen Kardinäle ändern die deutschen Bischöfe die Tagesordnung ihrer Vollversammlung in Augsburg.

Hätten die katholischen Bischöfe Deutschlands die Termine ihrer Vollversammlungen nicht im Kalender, hätten sie spätestens am Wochenende gemerkt: Es muss wieder so weit sein. Denn pünktlich zu den Beratungen der gut 60 Oberhirten diese Woche in Augsburg traf Post aus Rom an die „lieben Brüder im Bischofsamt“ ein. Wie schon in der Vergangenheit wenden sich in dem Brief die Chefs der drei wichtigsten Kurienbehörden gegen Pläne zur Errichtung eines „Synodalen Rats“, in dem Bischöfe und Laien künftig gemeinsam über wesentliche Fragen des kirchlichen Lebens befinden sollen.

In Rede stehen „Grundsatzentscheidungen von überdiözesaner Bedeutung zu pastoralen Planungen, Zukunftsfragen der Kirche und Finanz- und Haushaltsangelegenheiten der Kirche, die nicht auf diözesaner Ebene entschieden werden“. So jedenfalls steht es im Satzungsentwurf für den vorbereitenden „Synodalen Ausschuss“. Das erklärte Ziel: mehr Gewaltenteilung und Machtkontrolle in einer hierarchischen Kirchenverfassung, deren Probleme im Missbrauchsskandal auf bestürzende Weise offensichtlich geworden sind.

Die stärkste Trumpfkarte im katholischen Blatt: der Mann in Weiß

Doch Rom hält ein solches Gremium für ein Unding. Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin, die Nummer zwei in der Vatikanhierarchie, sowie die Kardinalpräfekten der Dikasterien (früher: Kongregationen) für die Glaubenslehre und die Bischöfe, Victor M. Fernández und Robert F. Prevost, bekräftigen in ihrem Brief ihr Argument, dass der Synodale Rat dem Kirchenrecht widerspräche. Deshalb wären auch alle vorbereitenden Maßnahmen, wie etwa Satzungsbeschlüsse für den Synodalen Ausschuss, nach römischer Rechtsauffassung „ungültig – mit den entsprechenden rechtlichen Folgen“.

In ihrem Brief ziehen die drei Kardinäle dann noch den stärksten Trumpf im katholischen Blatt: die Karte mit dem Mann in Weiß. Schon vor einem Jahr seien die deutschen Bischöfe „ausdrücklich und in besonderem Auftrag des Heiligen Vaters dazu aufgefordert“ worden, „die Einrichtung eines solchen Rates nicht weiter zu verfolgen“.

Thomas Schüller: Der Papst misstraut abgrundtief der deutschen Kirche

Das stimmt. Offenkundig fremdelt der Papst mit dem deutschen Reformkurs. Als synodalen Irrweg hat er ihn gebrandmarkt und zugleich erklärt, es gebe in Deutschland doch schon eine sehr gute evangelische Kirche. „Wir brauchen nicht zwei davon.“ Dieses doppelt vergiftete Lob macht klar, was der Pontifex maximus von seinem Völkchen nördlich der Alpen hält. „Der Papst misstraut abgrundtief der deutschen Kirche und ihren Bischöfen“, sagt der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller.

Letztere waren nun immerhin so folgsam, dass sie ihre Tagesordnung für Augsburg geändert haben. Die dort geplante Approbation der Satzung hätte – so die Warnung der Kardinäle aus Rom – im Widerspruch zur Weisung des Heiligen Stuhls gestanden und den Papst „einmal mehr vor vollendete Tatsachen“ gestellt.

An solchen Sätzen wird auch deutlich, wie sehr der deutsch-römische Karren inzwischen im Schlamm steckt. Hierzulande klagt man ein ums andere Mal über die fehlende Bereitschaft der Kurie zum Gespräch. Zwar hat Kardinal Fernández einen Besuch mit Konsultationen angekündigt. Bislang aber folgt ein Brandbrief aus Rom dem nächsten.

Kölner Kardinal Woelki verweigert Mitwirkung im „Synodalen Ausschuss“

Und die Deutschen? Scheren sich keinen Deut darum – so jedenfalls der Eindruck der Kurie. Er wird genährt von einer Minderheit unter den deutschen Bischöfen. Der Kölner Kardinal Rainer Woelki und drei Mitbrüder aus dem Süden lehnen eine Mitwirkung im Synodalen Ausschuss ab und verweigern ihm die Finanzierung. Mit Treueschwüren gen Rom stellen sie ihre Mitbrüder zugleich als Renegaten hin.

Und da Rom nichts mehr fürchtet als ein „Schisma“, also eine Kirchenspaltung, sind damit unweigerlich die allerempfindlichsten Triggerpunkte berührt, auch beim Papst. Das mag sein Vorgehen erklären, das Thomas Schüller „willkürlich“ nennt: Anders als für Deutschland, habe der Papst für das Amazonasgebiet sehr wohl ein Statut genehmigt, bei dem Bischöfe und Laien gleichberechtigt und stimmberechtigt seien. „Damit wird deutlich: In der katholischen Kirche entscheidet allein der Papst, was aus seiner Sicht synodal bedeutet und wem er es gestattet und wem nicht.“

Vor diesem Hintergrund fordert die Erfurter Theologin Julia Knop, wie Schüller Mitglied im Synodalen Ausschuss und zuvor eine führende Vertreterin des Reformlagers auf dem Synodalen Weg, eine entschiedene Positionierung der deutschen Bischöfe. „Sie müssen klären, wem sie sich verpflichtet fühlen: den Gläubigen in Deutschland, mit denen sie seit 2019 einen strukturierten Prozess gehen, um systemische Probleme systemisch anzugehen, oder ob sie sich von der haltlosen Unterstellung aus Rom einschüchtern lassen, sie würden die katholische Kirche in Deutschland ins Schisma führen“, so die Dogmatik-Professorin im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Julia Knop: „Totalblockade überwinden“

Die Bischöfe hätten 2019 ihr Wort gegeben, aus systemischen Problemen im Umgang mit sexualisierter Gewalt in der Kirche lernen zu wollen, betonte Knop. „Wenn dieses Wort gilt, sollten sie dies auch klar kommunizieren. Das bedeutet aber auch, gegenüber Rom eine Überwindung der römischen Totalblockade zu fordern und dafür zu werben, Vertrauen in die Prozesse und Strukturen in Deutschland aufzubauen.“

Behauptungen der römischen Kurie oder auch des Wiener Kardinals Christoph Schönborn, wonach die in Deutschland gegangenen Schritte das sakramentale Bischofsamt unterminierten und die apostolische Autorität ohne Not preisgäben, nennt Knop „theologisch haltlos“. Damit werde „ein Pappkamerad aufgebaut, mit dem die Bischöfe unter Druck gesetzt werden“. Fälschlich werde hier „eine historisch gewachsene, aber prekär gewordene Gestalt des Bischofsamtes“, die eines absolutistischen Monarchen, als einzig mögliche und einzig wahre“ behauptet, kritisiert Knop.

Ihr Salzburger Kollege Gregor M. Hoff sucht das Heil in einem Dialog, der Rom „anstelle einer Verbotslogik in die inhaltliche Auseinandersetzung zwingt“. Man müsse „nach Rom fahren und reden, reden, reden“, empfiehlt er den Reformern im Bischofslager. Einen Anknüpfungspunkt erkennt Hoff, wie auch führende Vertreter im ZdK, in der letzten Passage des jüngsten Briefs aus Rom. Darin verweisen die drei Verfasser auf eine Vereinbarung aus dem vorigen Oktober, die strittigen Fragen zur Kirchenverfassung und zu Entscheidungsgremien in einem „nächsten Treffen zu vertiefen“. Wenn nun die deutschen Bischöfe ein Fait accompli schüfen, stelle sich „die Frage nach dem Sinn dieses Treffens und ganz allgemein des laufenden Dialogprozesses“.

Man kann das, wie ZdK-Vizepräsident Thomas Söding, als „Tritt auf die Bremse“ interpretieren, nicht schon – wie Thomas Schüller – als endgültiges Aus für den Synodalen Ausschuss. Gleichwohl, gibt Gregor M. Hoff mit einem Vergleich aus dem Fußball zu bedenken, „muss Rom aufpassen, dass es nicht in die Lage der DFL kommt. Gegen deren machtkorrumpierte Entscheidungen richtet sich jetzt der Protest in den Stadien. Das Publikum wird zum Souverän – und entscheidet letztlich darüber, ob und wann der Schiri das Spiel abbricht und ob die Spiele künftig vor leeren Rängen stattfinden. Ob Rom klar ist, dass der Kirche schon jetzt die Fans – die Gläubigen – in Scharen davonlaufen?“