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Polizei räumt BraunkohledorfWie konnten sich die Aktivisten in Lützerath so gut verbarrikadieren?

Lesezeit 5 Minuten
Polizisten stehen am zweiten Tag der Räumung im von Klimaaktivisten besetzten Braunkohleort Lützerath vor einer Barrikade der Aktivisten.

Polizisten stehen am zweiten Tag der Räumung im von Klimaaktivisten besetzten Braunkohleort Lützerath vor einer Barrikade der Aktivisten.

Barrikaden, verschanzte Klimaschützende, möglicherweise Tunnelsysteme unterhalb des Dorfes – was die Polizei vor Ort erwartet, ist schwer vorherzusehen. Wie konnte es so weit kommen?

Die Räumung des besetzten Braunkohleortes Lützerath hat am Mittwochmorgen begonnen. Hundertschaften der Polizei haben das Dorf umstellt, in dem sich seit langer Zeit Aktivistinnen und Aktivisten verschanzt haben.

Dirk Weinspach, Polizeipräsident von Aachen, erwartet für seine Beamten „einen der herausforderndsten Einsätze der letzten Jahre“. Möglicherweise werde die Räumung von Lützerath bis zu vier Wochen andauern, heißt es.

Dass der Einsatz für eine so lange Zeit angesetzt ist, liegt auch daran, dass die Klimaschützenden hochprofessionell vorgehen. Sie bauten Barrikaden rund um und innerhalb von Lützerath auf und errichteten Konstruktionen wie Monopods, Tripods oder Baumhäuser auf dem Gelände – Holzkonstruktionen, auf denen sich Klimaschützende in großer Höhe für längere Zeit aufhalten können. Die Polizei zählte insgesamt 25 solcher Baumhäuser. Andernorts sind Seile gespannt, in denen Aktivistinnen und Aktivisten hängen. All das soll es der Polizei erschweren, die Menschen aus dem Braunkohledorf abzutransportieren.

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Am Donnerstagmorgen weilen immer noch zahlreiche Aktivisten in Lützerath, unter anderem in Baumhäusern, die die Polizei nur mit großem Aufwand geräumt bekommt.

Am Donnerstagmorgen weilen immer noch zahlreiche Aktivisten in Lützerath, unter anderem in Baumhäusern, die die Polizei nur mit großem Aufwand geräumt bekommt.

Auch die Barrikaden auf dem Gelände sind so angelegt, dass sich die Polizeikräfte möglichst lang mit ihrer Beräumung aufhalten müssen. Es handelt sich teils um Stahlkonstruktionen, die stellenweise sogar in den Boden einbetoniert sind. Die Beamten müssen mit Schweißwerkzeugen arbeiten, um danach die Barrikaden in Einzelteilen wegzutragen.

Räumung dürfte angesichts zahlreicher Barrikaden lange dauern

Außerdem ist zu sehen, dass manche Barrikaden meterhoch und mit schweren Gegenständen aufgetürmt wurden. Dazu nutzten die Kohlegegnerinnen und -gegner gar einen Wohnanhänger, der ein großes Hindernis für die Einsatzkräfte ist. Nicht zuletzt sind Gräben angelegt, die einerseits für Sitzblockaden genutzt werden, andererseits aber auch das Vorrücken von Polizeifahrzeugen wie Wasserwerfern erschweren sollen.

Zudem verschanzen sich Aktivistinnen und Aktivisten in Erwartung der Räumung auch in den Häusern des Dorfes, die nun Festungen gleichen sollen. Die Protestler rühmen sich damit, Fallen in den Gebäuden eingerichtet zu haben. Die Polizei ließ gar verlauten, dass sie Tunnelsysteme auf dem Gelände vermute. Entsprechend vorsichtig müssen die Einsatzkräfte vorgehen und sich zunächst einmal einen Überblick verschaffen. Der Einsatz erinnert an die von der linksextremen Szene besetzten Häuser in Großstädten wie Berlin oder Hamburg.

Wie konnten die Barrikaden in Lützerath so stark werden?

Doch wie ist es überhaupt möglich, dass sich die Aktivistinnen und Aktivisten in Lützerath so gut verbarrikadieren konnten? „Vor dem 10. Januar war noch freier Zugang zum Dorf möglich“, erklärt Frank Rentmeister, Sprecher der Polizei Aachen, auf Anfrage des Redaktions­Netzwerks Deutschland (RND). Erst seit vergangenem Dienstag sei die Räumung des Dorfes möglich. Doch die Polizei habe zunächst noch eine Informations­veranstaltung durchführen wollen, bevor es tatsächlich zum Einsatz kam. Vorher – seit dem 2. Januar – sei lediglich der Fahr­zeug­verkehr zum Dorf eingeschränkt gewesen, so der Sprecher.

Noch am 9. Januar riefen Aktionsbündnisse über Twitter dazu auf, Baumaterialien nach Lützerath zu schaffen – auch wenn dies mit Fahrzeugen wohl nicht mehr möglich war. Insbesondere an Beton hat es offenbar gemangelt. Unterstützende sollten den freien Zugang zu dem Ort bis Mitternacht am Dienstag nutzen, schrieben die Aktivistinnen und Aktivisten. Danach wurden Posten der Polizei aufgebaut, die den unkontrollierten Zutritt auf das Gelände über die Zufahrtsstraßen deutlich erschwerten.

Polizisten stehen am zweiten Tag der Räumung im von Klimaaktivisten besetzten Braunkohleort Lützerath.

Aufnahme vom 12. Januar: Polizisten stehen am zweiten Tag der Räumung im von Klimaaktivisten besetzten Braunkohleort Lützerath.

Am Mittwoch dann wurde damit begonnen, das Gelände von Lützerath einzuzäunen. Zum einen diene das nach Angaben des Energiekonzerns RWE dazu, die Baustelle zu markieren. RWE will die Gebäude sowie die Vegetation von Lützerath entfernen, um dort den Abbau von Braunkohle fortzusetzen. Die Polizei betonte, dass keine Demonstrierenden durch den Zaun eingeschlossen werden sollen. Gleichwohl kommt damit niemand mehr auf das Gelände Lützeraths. Die Arbeiten sollen einen Tag andauern.

Man wisse derzeit noch nicht, wie die Räumung insgesamt vonstatten gehen werde, erklärte Polizeisprecher Rentmeister. Deshalb sei der Zeitraum von bis zu vier Wochen angesetzt worden. Am ersten Einsatztag habe sich zunächst die „Lage stabilisiert“. Für die Einsatzkräfte gehe es nun darum, sich einen Überblick zu verschaffen. Zudem würden die „Bewegungs­möglichkeiten“ der Aktivistinnen und Aktivisten vor Ort eingeschränkt, so der Sprecher. In den kommenden Tagen werde man „sukzessive“ vorgehen.

Problematisch für die Polizei ist, dass sich die Kohlegegnerinnen und -gegner teilweise bereits seit mehr als zwei Jahren in Lützerath aufhalten. Im Jahr 2020 kam es zu ersten Protesten gegen Rodungs- und Abrissarbeiten des Konzerns RWE. Damals richtete man das Protestcamp ein, dass die Polizei nun räumen will. Seitdem hatten die Klimaschützenden viel Zeit, um ihre Infrastruktur und Barrikaden für den vielleicht letzten Kampf entsprechend auszubauen.

Bundespolizeigewerkschaft spricht von „krimineller Energie“ der Klima­schützenden

„Vieles kann man verhindern, aber nicht alles“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Bundes­polizei­gewerkschaft, Manuel Ostermann, dem Fern­seh­sender Welt. Molotowcocktails, die laut Berichten am Morgen in Richtung der Einsatzkräfte geworfen wurden, könnten von außen hereingebracht worden sein. Besonders bei den Menschen, die sich innerhalb der Gebäude verschanzt hielten, sei eine „kriminelle Energie“ vorhanden, so Ostermann.

Große Unterstützung erhielten die Aktivistinnen und Aktivisten jedoch auch aus umliegenden Dörfern. Von dort haben sie laut verschiedenen Medienberichten insbesondere in den vergangenen Wochen Lebensmittel erhalten. Die Zahl der Unterstützenden soll sich stark vergrößert haben.

Schon am vergangenen Dienstag hatten Polizeikräfte damit begonnen, Barrikaden vor dem Dorf abzubauen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Barrikaden innerhalb Lützeraths in den vergangenen Tagen und Wochen nochmals verstärkt wurden, sodass die Beamten dort nur schleppend vorankommen. Dann wird wohl schweres Gerät aufgefahren.