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Kreml-Chef kritisiert DeutschlandPutin wegen Nato-Gerücht außer sich: „Sind Sie so dumm wie dieser Tisch?“

Lesezeit 5 Minuten
Wladimir Putin stellte sich am Mittwoch internationalen Medien in einer seltenen Pressekonferenz.

Wladimir Putin stellte sich am Mittwoch internationalen Medien in einer seltenen Pressekonferenz.

Der Kremlchef droht dem Westen mit einer „asymmetrischen Antwort“ auf Angriffe gegen Russland. Er äußert sich auch zu Deutschland und der AfD.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat die westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine als „sehr gefährlichen Schritt“ bezeichnet und insbesondere Deutschland kritisiert. „Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet sind immer schlecht“, sagte Putin am Mittwoch vor Journalisten in seiner Heimatstadt St. Petersburg. „Noch schlimmer ist es, wenn diejenigen, die sie liefern, nicht nur Waffen liefern, sondern sie auch kontrollieren. Dies ist ein sehr ernster und sehr gefährlicher Schritt.“ Im Gegenzug drohte der Kreml-Chef mit russischen Waffenlieferungen an andere Länder für Angriffe auf westliche Ziele.

Als Reaktion auf eine von Moskau gestartete Offensive in der nordöstlichen Region Charkiw hatten einige westliche Länder der Ukraine kürzlich erlaubt, von ihnen gelieferte Waffen gegen Ziele im russischen Grenzgebiet einzusetzen, darunter die USA und Deutschland. Putin hatte bereits Ende Mai mit ernsten Konsequenzen gedroht, sollte der Westen der Ukraine grünes Licht für den Einsatz seiner Waffen gegen Ziele in Russland geben.

Wladimir Putin kritisiert Deutschland für Ukraine-Unterstützung

Mit Blick auf Deutschland sagte Putin, dass das Auftauchen der „ersten deutschen Panzer auf ukrainischem Boden“ aufgrund der historischen Belastung durch den Zweiten Weltkrieg „bereits einen moralischen und ethischen Schock in Russland ausgelöst“ habe. Wenn die deutschen Behörden heute sagten, dass es „weitere Raketen geben wird, die Ziele auf russischem Territorium treffen werden, zerstört das definitiv die deutsch-russischen Beziehungen“, fügte er bei der Pressekonferenz mit westlichen Nachrichtenagenturen hinzu. Derlei Treffen Putins mit Journalisten finden nur selten statt.

Erst am Mittwoch hatte Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius auf mehr Unterstützung aus Deutschland für die Ukraine gedrängt. „Ein russischer Sieg käme uns alle teurer am Ende als unsere Unterstützung für die Ukraine heute“, betonte der SPD-Politiker im Bundestag. Russland sei auch für die Nato „eine Bedrohung“, so Pistorius. „Putins Kriegswirtschaft arbeitet auf einen weiteren Konflikt zu“, äußerte er sich überzeugt. „Deshalb müssen wir die Ukraine weiter unterstützen.“

Putin gerät bei Gerüchten über Angriffsabsichten auf Nato-Länder in Rage

Worte, die bei Wladimir Putin nicht gut angekommen sein dürften. Der russische Präsident nutzte seinen Auftritt am Mittwoch vor internationalen Medien, um Pistorius zu widersprechen und dem Westen abermals Drohungen zu übermitteln. Russland hege „keine imperialen Ambitionen“, so Putin. Gerüchte über angebliche russische Angriffsabsichten auf Nato-Länder wies der Kreml-Chef als „Schwachsinn“ zurück.

„Sie haben sich ausgedacht, dass Russland die Nato angreifen will. Sind Sie komplett verrückt geworden? Sind Sie so dumm wie dieser Tisch? Wer hat sich das ausgedacht? Das ist Unsinn, verstehen Sie. Bullshit“, sagte Putin. Es gäbe keinen Grund, nach irgendwelchen imperialen Ambitionen von Russland zu suchen, so Putin. „Es gibt keine.“

Vor seiner Militäroffensive gegen die Ukraine im Februar 2022 hatte Moskau entsprechende Pläne monatelang geleugnet. Dem Westen warf Russland vor, die Ukraine dazu zu benutzen, um Russland zu schwächen oder gar zu zerstören. Der Kreml bestreitet zwar, dass er sein verlorenes Imperium wieder errichten will, doch Russland hat fünf ukrainische Regionen annektiert. Viele russische Regierungsvertreter, darunter auch Putin, wiesen darauf hin, dass diese Regionen zum russischen und zum sowjetischen Imperium gehörten.

Wladimir Putin droht Westen indirekt mit Unterstützung von Terroristen

Der 71-Jährige drohte zudem damit, andere Länder mit russischen Waffen auszustatten, die gegen westliche Ziele gerichtet sein könnten. „Wenn jemand meint, es sei möglich, solche Waffen in ein Kriegsgebiet zu liefern, um unser Territorium anzugreifen und uns Probleme zu bereiten, warum haben wir dann nicht das Recht, Waffen derselben Kategorie in Regionen der Welt zu liefern, in denen sensible Einrichtungen dieser (westlichen) Länder angegriffen werden“, sagte Putin. Die Antwort könne „asymmetrisch“ sein, fügte er hinzu und ergänzte: „Wir werden darüber nachdenken.“

Später plädierte Wladimir Putin dafür, die Beziehungen seines Landes zu den in Afghanistan herrschenden radikalislamischen Taliban zu stärken. Moskau müsse „die Beziehungen zur Taliban-Regierung ausbauen“.

Kreml-Chef kommentiert Haltung zur AfD

Der Kremlchef äußerte sich außerdem auf der Pressekonferenz zur AfD – und verteidigte ein Treffen russischer Vertreter mit Repräsentanten der in Teilen als gesichert rechtsextrem eingestuften Partei. „Wir werden mit allen zusammenarbeiten, die mit Russland kooperieren wollen“, sagte Putin am Mittwoch bei einem Treffen mit Vertretern großer internationaler Nachrichtenagenturen, darunter die Deutsche Presse-Agentur, in St. Petersburg. „Wir sehen keine Anzeichen von Neonazismus in den Handlungen der AfD“, sagte der Kremlchef.

Es gebe zwar keine „systemischen Beziehungen“ zu der deutschen Oppositionspartei. Aber wenn sich jemand für normale Beziehungen zu Russland einsetze, dann unterstütze Moskau das. Es sei dabei nicht Sache Russlands zu bewerten, ob eine politische Kraft sich im Rahmen der Verfassung bewege. „Wir sehen aber nichts, was bei uns Besorgnis auslösen würde.“

Vertreter alternativer Standpunkte würden in Deutschland gleich zu Gegnern des Staates erklärt, beklagte Putin, der selbst im Ruf steht, jedwede russische Opposition im Keim ersticken und Gegner politisch verfolgen zu lassen. „Jeder alternative Standpunkt wird wie eine gegen den Staat gerichtete Haltung aufgenommen. Und alle werden gleich zu Agenten des Kreml ernannt“, kritisierte der russische Präsident. In der Vergangenheit hatte etwa der russische Außenminister Sergej Lawrow den AfD-Co-Vorsitzenden Tino Chrupalla in Moskau wie einen Staatsgast empfangen.

Das Medien-Treffen im markanten Wolkenkratzer Lachta-Zentrum des Gasriesen Gazprom ist die erste internationale Begegnung dieser Art seit Beginn von Putins Krieg gegen die Ukraine. Putin ist Gastgeber des 27. St. Petersburger Internationalen Wirtschaftsforums. Bei dem jährlichen Treffen von Unternehmern aus aller Welt will sich Russland trotz der Sanktionen des Westens im Zuge des Moskauer Angriffskrieges gegen die Ukraine als ökonomisch starke Rohstoffmacht präsentieren. (pst mit dpa/afp)