In Sachen LiebeIch habe Erektionsprobleme beim Sex, was kann ich tun?
Lesezeit 3 Minuten
Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
Im wöchentlichen Wechsel beantworten erfahrene Psychologen, ein Urologe und die Schauspielerin Annette Frier Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex, Kindererziehung und alles, was Paaren begegnet.
In dieser Folge stellt sich Dr. Daniel Wagner der Frage: Was tun, wenn eine Erektion bei Masturbation klappt, nicht aber beim Sex?
Köln – Seit einigen Jahren habe ich Probleme beim Sex. Um es auf den Punkt zu bringen: Ich bekomme keine Erektion mehr. Allerdings nur, wenn es um Sex mit einer anderen Person geht. Selbstbefriedigung stellt überhaupt kein Problem dar, und morgens wache ich öfter mit einer Erektion auf. Ich war bereits bei einem Urologen, der mir nach allerlei Untersuchungen versicherte, dass körperlich alles in Ordnung sei, und mir eine Psychotherapie empfahl. Langsam fühle ich mich verzweifelt und traue mich schon gar nicht mehr, mit jemandem ins Bett zu gehen. Was kann ich tun? Thomas, 42
Erektionsprobleme: Zunächst organische Ursachen checken
Mit Ihrem Thema sind Sie nicht allein. Erektionsprobleme, oder breiter gefasst, das Ausbleiben genitaler Reaktionen, sind überhaupt keine Seltenheit – es wird nur selten darüber gesprochen. Obwohl das Thema für viele Menschen sehr schambehaftet ist, ist es bestens erforscht, und es gibt auch hervorragende Behandlungsansätze.
Privatdozent Dr. Dr. Daniel Wagner ist Psychotherapeut und habilitiertes Mitglied der medizinischen Fakultät der Universität zu Köln. Neben Dozenten-, Vortrags-, Lehr- und Forschungstätigkeiten ist er niedergelassen in eigener Privat- und Lehrpraxis in Köln mit den Schwerpunkten Psychotherapie, Paarberatung und Coaching. Als Experte beantwortet er in der Kolumne „In Sachen Liebe" Leserfragen.
Zunächst ist eine urologische Abklärung sehr sinnvoll, da es verschiedenste organische Ursachen für Erektionsschwierigkeiten geben kann wie zum Beispiel den Verlust von glatten Muskelzellen im Penis, den Aufbau von Kollagen im Schwellkörper, hormonelle Auffälligkeiten, veränderte Nervenstrukturen, verminderte Durchblutung oder eine Schwächung des Beckenbodens.
Da in Ihrem Fall keine solche organische Ursache vorzuliegen scheint, ist es wahrscheinlich, dass es sich hier um eine sogenannte psychogene Ursache handelt. Das hat aber wenig mit „psycho“ im Sinne von „verrückt“ zu tun, sondern ist etwas ganz Typisches und leicht erklärbar. Da die Erektion ohne Sexualpartner problemlos zu Stande kommt, vermute ich, dass paradoxerweise gerade Ihre Angst davor, keine Erektion zu bekommen, die Ursache dafür ist, dass genau das passiert.
Leseraufruf
Regelmäßig beantwortet jemand aus unserem „In Sachen Liebe“-Team Ihre Fragen. Schreiben Sie uns, was Sie in der Liebe bewegt; was Ihnen schwerfällt, wo Sie sich einen guten Rat wünschen!
Ihre Zuschriften unterliegen dem Redaktionsgeheimnis und werden von uns in anonymisierter Form zur Beantwortung weitergegeben.
Angst hat eine überlebenswichtige Funktion und löst verschiedene Prozesse im Körper aus. Auf Ebene des Gehirns wird unter anderem die Amygdala aktiv, so etwas wie die Alarmanlage unseres Gehirns. Daraufhin kommt es in der Nebennierenrinde zur Ausschüttung von Stresshormonen (insbesondere Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol). In der Folge schlägt unser Herz schneller, unsere Atmung wird flacher, und die Muskulatur wird mit Energie versorgt. Diese Reaktion sicherte unser Überleben, und auch heute versetzt sie uns angesichts von Gefahren in die Lage, zu kämpfen, zu fliehen oder zu erstarren. Um die benötigte Energie bereitzustellen, wird allerdings Energie aus anderen Körperfunktionen abgezogen, die nicht direkt überlebensnotwendig sind. Dazu zählen höhere kognitive Funktionen wie das Gedächtnis, Verdauungsprozesse und eben auch sexuelle Funktionen.
Was machen wir jetzt mit dieser Erkenntnis? Zunächst stimme ich dem Vorschlag Ihres Urologen zu, sich psychotherapeutisch, insbesondere sexualtherapeutisch begleiten zu lassen. Hier gibt es sehr wirksame Methoden, um die Angst vor einer ausbleibenden Erektion abzubauen, so dass sich die Erektion dann auch wieder im Beisein einer anderen Person einstellt. Neben der Ursachenklärung und der Auseinandersetzung mit Angst, Scham und Stress könnte auch das sogenannte „Sensate Focus“-Programm ein wichtiger Baustein sein. Es achtet zunächst auf angstfreie körperliche Annäherung (z.B. Streicheln) und erweitert dies – individuell auf Sie zugeschnitten – nach und nach auf sexuelle Handlungen, bis Sie Ihre Sexualität wieder sorgenfrei und lustvoll erleben können.